geboren am 1. November 1877 in Berlin
ermordet am 13. Januar 1943 in Auschwitz
deutsche Schriftstellerin; Holocaust-Opfer
80. Todestag am 13. Januar 2023
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Else Ury wuchs in einer jüdischen Berliner Tabaksfabrikantenfamilie zusammen mit drei Geschwistern auf. Anders als ihre Geschwister und die meisten ihrer Romanheldinnen erlernte Else Ury weder einen Beruf noch heiratete sie. 1906 veröffentlichte sie, nach sechsjähriger Zeitungsschreiberei, ihren ersten Mädchenroman, „Studierte Mädel”, der ihre jungen Leserinnen mit Lebensentwürfen bekannt machte, die sie in Berlin noch nicht einmal verwirklichen konnten: In Preußen durften Frauen erst ab 1908 studieren.
Noch im Weltkrieg entstand der erste der zehn Nesthäkchenbände, die zwischen 1918 und 1925 erschienen und die Ury berühmt und wohlhabend machten: „Nesthäkchen und ihre Puppen”. Die Serie handelt von der wohlbehütet aufwachsenden Arzttochter Annemarie, die vom „Nesthäkchen“ zum „Backfisch” wird, das Medizinstudium abbricht, um einen Arzt zu heiraten, Kinder und schließlich Enkelkinder bekommt. Nesthäkchen gewinnt mit ihrer Fröhlichkeit und „Frische” alle Herzen im Sturm. Niemand kann ihr je böse sein, obwohl sie, sei es aus Unbesonnenheit oder Schalk, beständig allerlei lustigen Unfug anstellt. – Ury schrieb insgesamt 39 Bücher, die in sieben Millionen Exemplaren verbreitet waren. Noch heute sind alle zehn Nesthäkchen-Bande im Buchhandel und bei Amazon greifbar.
Else Ury unterschied sich in entscheidenden Punkten von ihrer berühmtesten Heldin: Sie war Jüdin, sie blieb unverheiratet, und sie verdiente nicht nur ihren Lebensunterhalt selbst, sondern sie unterstützte auch ihre später verarmten Eltern mit den reichlich fließenden Einkünften aus ihren Büchern.
Ihr Leben verlief nur bis 1933 so angenehm wie das ihrer Romanfigur. Die Familie residierte in Berlin, Winter- und Sommerferien verbrachte man in Krummhübel im Riesengebirge in der „Villa Nesthäkchen”.
1933 wurde Else Ury aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen, sie bekam Schreibverbot; allmählich zog sich die Schlinge zu. Ihr Bruder Hans, ein Arzt, beging 1937 Selbstmord; ihr Bruder Ludwig emigrierte, aber „Else Ury konnte und wollte ihre 91 Jahre alte Mutter auf keinen Fall im Stich lassen. Viele unverheiratete Jüdinnen sind aus ähnlichen Gründen nicht ins Exil gegangen” (Brentzel). Pflege der alten Angehörigen war schon immer Sache der Frauen. Nelly Sachs entkam in letzter Sekunde 1940 doch noch mit ihrer kranken Mutter nach Schweden, aber Gertrud Kolmar blieb wegen ihres kranken Vaters und wurde im Konzentrationslager ermordet, genau wie Else Ury.
Nesthäkchen kommt ins KZ – der paradoxe Titel von Marianne Brentzels Ury-Biographie zwingt die Romanidylle und die Wirklichkeit des Holocaust in einem Satz zusammen und bringt damit das unnennbare Grauen exakt auf den Punkt.
(Text von 2006)
Verfasserin: Luise F. Pusch
Else Ury (1877 - 1943) zum 140. Geburtstag, von Marianne Brentzel
Zitate
Bines Kinderbuchseite. Biografie, Bibliografie.
Brentzel, Marianne: Nesthäkchen kommt ins KZ. Informationen, Leseproben, Rezensionen zum Buch.
else-ury.de. Umfangreiche Fanseite.
Juden in Berlin – Else Urys Nesthäkchen. hagalil.com.
Else Ury. Sonderausstellung Februar – Oktober 1997. Haus der Wannsee-Konferenz.
Wanderausstellung 61. Haus der Wannsee-Konferenz.
Jobarteh, Sabine: Else Ury Bücher. kibuphoma.de.
K., Susanne: Sonderbericht zum 127. Geburtstag von Else Ury. Interview mit Marianne Brentzel. Literaturschock – Bücher, Forum, Rezensionen, Interviews.
Katalog der Deutschen Nationalbibliothek: Ury, Else, 1877-1943.
Kramer, Stephanie: Alte Kinderbücher von Else Ury und Magda Trott.
Ury, Else: Die erste Lüge. Erzählung.
Verein für die Geschichte Berlins e.V.: Else Ury.
Letzte Linkprüfung durchgeführt am 27.06.2008 08:20:38 (AN)
Literatur & Quellen
Werke
Ury, Else (1905): Was das Sonntagskind erlauscht. Erzählungen und Märchen für Kinder im Alter von 6-9 Jahren. Berlin. Globus-Verlag.
Ury, Else (1906): Studierte Mädel. Eine Erzählung für junge Mädchen. Stuttgart, Berlin, Leipzig. Union.
Ury, Else (1908): Goldblondchen. Märchen und Erzählungen für Kinder von 7-11 Jahren. Berlin. Globus Verl.
Ury, Else (1910): Babys erstes Geschichtenbuch für die Kleinen. Berlin. Meidinger's Jugendschriften-Verlag.
Ury, Else (1910): Baumeisters Rangen. Eine Erzählung für Mädchen von 9 – 14 Jahren. Berlin. Meidinger's Jugendschriften-Verlag.
Ury, Else (1911): Vierzehn Jahr' und sieben Wochen. Stuttgart, Berlin, Leipzig. Union ((Kränzchen-Bibliothek, 16).
Ury, Else (1913): Kommerzienrats Olly. Eine Erzählung für junge Mädchen. Berlin. Meidinger's Jugendschriften-Verlag.
Ury, Else (1913): Nesthäkchen und ihre Puppen. Eine Geschichte für kleine Mädchen. Berlin. Meidinger's Jugendschriften-Verlag.
Ury, Else (1914): Das graue Haus. Stuttgart, Berlin, Leipzig. Union (Kränzchen-Bibliothek, 19).
Ury, Else (1914): Huschelchen und andere Schulmädelgeschichten. Erzählungen für junge Mädchen von 8 bis 12 Jahren. Berlin. Meidinger's Jugendschriften-Verlag.
Ury, Else (1915): Nesthäkchen im Kinderheim. Eine Erzählung für Mädchen von 8 – 12 Jahren. Berlin. Meidinger's Jugendschriften-Verlag (Nesthäkchen, 3).
Ury, Else (1915): Nesthäkchens erstes Schuljahr. Eine Geschichte für kleine Mädchen. Berlin. Meidinger's Jugendschriften-Verlag.
Ury, Else (1916): Dornröschen. Stuttgart, Berlin, Leipzig. Union (Kränzchen-Bibliothek, 21).
Ury, Else (1916): Nesthäkchen und der Weltkrieg. Eine Erzählung für Mädchen von 8 – 12 Jahren. Berlin. Meidinger's Jugendschriften-Verlag (Nesthäkchen, 4).
Ury, Else (1917): Das Ratstöchterlein von Rothenburg. Eine Erzählung für junge Mädchen. Leipzig. Adriaan M. Van den Broecke.
Ury, Else (1917): Flüchtlingskinder. Eine Erzählung für Kinder von 7 – 11 Jahren. Berlin. Meidinger's Jugendschriften-Verlag.
Ury, Else (1917): Lotte Naseweis und andere Geschichten. Berlin. Meidinger's Jugendschriften-Verlag.
Ury, Else (1919): Lieb Heimatland. Stuttgart, Berlin, Leipzig. Union (Kränzchen Bibliothek, 23).
Ury, Else (1920): Lilli Liliput. Stuttgart, Berlin, Leipzig. Union (Kränzchen-Bibliothek, 25).
Ury, Else (1920): Nesthäkchen fliegt aus dem Nest. Eine Erzählung für junge Mädchen. Berlin. Meidinger's Jugendschriften-Verlag (Nesthäkchen, 6).
Ury, Else (1920): Nesthäkchens Backfischzeit. Eine Jungmädchengeschichte. Berlin. Meidinger's Jugendschriften-Verlag (Nesthäkchen, 5).
Ury, Else (1922): Hänschen Tunichtgut. Leipzig. Anton & Co. Verlag.
Ury, Else (1922): Nesthäkchen und ihre Küken. Erzählung für junge Mädchen. Berlin. Meidinger's Jugendschriften-Verlag (Nesthäkchen, 7).
Ury, Else (1923): Jungmädelgeschichten. (auch unter dem Titel: Die beiden Ilsen). Berlin. Meidinger's Jugendschriften-Verlag.
Ury, Else (1923): Professors Zwillinge. Bubi und Mädi. Eine Geschichte aus der Kinderstube für kleine Jungen und Mädchen. Berlin. Meidinger's Jugendschriften-Verlag.
Ury, Else (1924): Nesthäkchen und ihre Enkel. Erzählung für junge Mädchen. Berlin. Meidinger's Jugendschriften-Verlag (Nesthäkchen, 9).
Ury, Else (1924): Nesthäkchens Jüngste. Erzählung für junge Mädchen. Berlin. Meidinger's Jugendschriften-Verlag (Nesthäkchen, 8).
Ury, Else (1925): Lillis Weg ins Dichterland. Stuttgart, Berlin, Leipzig. Union (Kränzchen-Bibliothek, 30).
Ury, Else (1925): Nesthäkchen im weißen Haar. Erzählung für junge Mädchen. Berlin. Meidinger's Jugendschriften-Verlag (Nesthäkchen, 10).
Ury, Else (1925): Professors Zwillinge in der Waldschule. Erzählung für die Jugend. Berlin. Meidinger's Jugendschriften-Verlag.
Ury, Else (1927): Professors Zwillinge in Italien. Berlin. Meidinger's Jugendschriften-Verlag (Professors Zwillinge, 3).
Ury, Else (1928): Professors Zwillinge im Sternenhaus. Erzählung für die Jugend. Berlin. Meidinger's Jugendschriften-Verlag (Professors Zwillinge, 4).
Ury, Else (1929): Studierte Mädel von heute. Eine Erzählung für junge Mädchen. Stuttgart usw. Union (Union-Jugendbücherei).
Ury, Else (1929): Von der Schulbank ins Leben. Berlin. Meidinger's Jugendschriften-Verlag (Professors Zwillinge, 5).
Ury, Else (1930): Das Rosenhäusel. Eine Erzählung aus dem Riesengebirge für die reifere Jugend. Berlin. Meidinger's Jugendschriften-Verlag.
Ury, Else (1930): Wie einst im Mai. Vom Reifrock bis zum Bubikopf. Erzählung für junge Mädchen. Stuttgart, Berlin. Union (Union Jugendbücher, 35).
Ury, Else (1931): Wir Mädels aus Nord und Süd. Fünf Jungmädchengeschichten. Berlin. Meidinger's Jugendschriften-Verlag.
Ury, Else (1932): Für meine Nesthäkchenkinder. Geschichten für Kinder von 8 bis 12 Jahren. Berlin. Meidinger's Jugendschriften-Verlag.
Ury, Else (1933): Jugend voraus! Erzählung für Knaben und Mädchen. Berlin. Meidinger's Jugendschriften-Verlag.
Ury, Else (1933): Kläuschen und Mäuschen. Kleine Geschichten für kleine Kinder. Berlin. Meidinger's Jugendschriften-Verlag.
Weiterführende Literatur
Brentzel, Marianne (1992): Nesthäkchen kommt ins KZ. Annäherung an Else Ury ; 1877 – 1943. Zürich. eFeF-Verlag (Edition Ebersbach).
Brentzel, Marianne (2007): Mir kann doch nichts geschehen. Das Leben der Nesthäkchenautorin Else Ury. Berlin. edition ebersbach.
Geils, Peter; Schmuck, Hilmar; Gorzny, Willi, et al. (Hg.) (1979-1987): Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums. 161 Bände. München. Saur.
Grunenberg, Angelika (2006): Die Welt war so heil. Die Familie der Else Ury. Chronik eines jüdischen Schicksals. Berlin. List.
Klotz, Aiga: Kinder- und Jugendliteratur in Deutschland 1840 – 1950. Gesamtverzeichnis der Veröffentlichungen in deutscher Sprache. Stuttgart, Weimar. Metzler.
Wiedersehen mit Nesthäkchen. Else Ury aus heutiger Sicht (2007). Berlin. Textpunkt Verlag.
Zahn, Susanne (1983): Töchterleben. Studien zur Sozialgeschichte der Mädchenliteratur. Frankfurt am Main. dipa-Verlag (Jugend und Medien).
Bildquellen
http://www.juden-in-berlin.de/juedisches-museum/else-ury.htm http://www.else-ury.de/ http://omnibus.uni-freiburg.de/~stebel/index.html http://www.kibuphoma.de/elseury.html
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