geboren am 26. Februar 1808 in Hamburg
gestorben am 4. November 1907 in Hamburg
deutsche Schriftstellerin, Schulleiterin und Krankenpflegerin
215. Geburtstag am 26. Februar 2023
Biografie • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Hartz IV-Empfängerin wäre sie heutzutage, ohne Ausbildung, nur mit Talenten gesegnet, die derzeit wenig zählen und doch so viel bewirken könnten, wenn man ihnen den Entfaltungsraum ließe, den man Averdieck einräumte. Als zweite in einer Reihe von zwölf Geschwistern war sie erfahren im Umgang mit Kindern und in Haushaltsorganisation. Als Stütze der Mutter war ihr Hilfsbereitschaft zur Selbstverständlichkeit geworden, und in ihrem tiefen Glauben wurzelten Nächstenliebe, Selbstwertgefühl und mutige Gelassenheit. So ausgerüstet, ließ sie ihr Leben im Vertrauen auf Gottes Führung – und ohne ihm dreinzureden – an sich herankommen.
Nachdem sie einige Jahre lang körperbehinderte Mädchen in einem Krankenhaus betreut hatte, bat sie die Behörden um eine Konzession zur Gründung einer Elementarschule für Mädchen. „Examen wurden damals nicht gefordert, der Senator gab die Erlaubnis und damit gut.“ Zunächst wurde ihr Antrag allerdings abgelehnt, später aber zu Gunsten von Jungen bewilligt. Da sie während der Wartezeit auf Bitten von Verwandten gelangweilte Jungen im Vorschulalter betreut und dabei empfunden hatte, sie seien „derber anzufassen, und derb war meine Art“, gründete sie also eine Elementarschule für Knaben.
Sie wurde eine sehr engagierte Pädagogin: “...wie ich sie, so hatten sie mich auch lieb. Das fühlte ich, wenn's mich gleich oft wunderte, denn ich war strenge, viel zu ungeduldig, oft hart, wich nicht von dem, was ich einmal ausgesprochen und angedroht hatte und hatte dafür den Schmerz, daß ein Kind nie aus Herzensbedürfnis um etwas, und noch weniger um Verzeihung bat. Nicht aus Trotz, sondern aus Furcht, und in der Überzeugung, es werde doch nichts helfen. Das war mein großer, wohlverdienter Kummer.” Was für eine berechtigte, einfühlsame und deshalb vorbildliche Selbstkritik! Ihr pädagogisches Engagement zeigte sich auch darin, dass sie, nachdem sie vergeblich nach geeigneten Lesestoffen gesucht hatte, selbst zur Feder griff und Texte schrieb, die auf liebevolle, das Gemüt ansprechende und zum Lesen anregende Weise die kindliche Umwelt widerspiegelten: Familie, Elternhaus, Spiele im Garten, Hausarbeit und Feste. An eine Veröffentlichung dachte sie dabei in ihrer Bescheidenheit überhaupt nicht, wurde aber später gedrängt, die Texte einem Verlag zu übergeben. So wurden u. a. Karl und Marie sowie Roland und Elisabeth zu viel gelesenen Kinderbüchern.
Eine Predigt, in der von der schöpferischen Kraft einer LehrerIn die Rede ist, welche nach und nach verbraucht wird, so dass sie sich einen anderen Beruf suchen sollte, um nicht zu verknöchern, wird Averdieck zum Fingerzeig: „Der Herr nimmt das Amt von mir.“ Viele ihrer Schüler zogen weg oder gingen auf höhere Schulen. Dafür kamen wieder private Anfragen, ob sie pflegebedürftige Personen bei sich aufnehmen könnte. Als deren Zahl wuchs, streikte ihr Vermieter. Also gründete sie das Haus Bethesda, wo sie neben ihrer pflegerischen Tätigkeit begann, Diakonissen auszubilden. 1860 trat Bethesda in den Kaiserswerther Verband der Diakonissen-Mutterhäuser ein. 25 glückliche Jahre lang wirkte Averdieck als Diakonissen-Mutter, bis sie ihr Amt niederlegte. Sie starb im wahrhaft gesegneten Alter von 99 Jahren.
(Text von 2007)
Verfasserin: Mechthild Winkler-Jordan
Links
Heimpel, Elisabeth: Averdieck, Elise, in: Neue Deutsche Biographie 1 (1953), S. 470 [Online-Version];
URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118651234.html#ndbcontent
Elise Averdieck in der Deutschen Nationalbibliothek
Literatur & Quellen
“Meine Seele will Freiheit” – Frauen setzen sich durch. 30 Frauenschicksale in Selbstzeugnissen, ausgewählt und bearbeitet von Hilde D. Kathrein & Rita Herbig. 1992. Heilbronn. Salzer.
Averdieck, Elise. Karl und Marie: Kinderleben. 1. Teil. © 1926. Hamburg. Köhler.
Averdieck, Elise. Roland und Elisabeth: Kinderleben. 2. Teil. ©1926. Hamburg. Köhler.
Bake, Rita, 2005. „Wer steckt dahinter? Nach Frauen benannte Straßen und Brücken in Hamburg“. Landeszentrale für politische Bildung in Hamburg. 4. aktualisierte Auflage.
Lexikon der Kinder- und Jugendliteratur in 3 Bänden, Band 1. Hg. Klaus Doderer. Weinheim; Basel 1977. Beltz.
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