Biographien Elisabeth von Heyking
(geb. Elisabeth Luise Auguste Gräfin von Flemming, verw. von Putlitz. )
geboren am 10. Dezember 1861 in Karlsruhe
gestorben am 4. Januar 1925 in Berlin
deutsche Schriftstellerin
100. Todestag am 4. Januar 2025
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
„Über jedes Leben ließen sich zwei Bücher schreiben: Das eine, wie wir wähnten, daß es werden würde, das andere, wie es dann in Wirklichkeit wurde.“
Mit diesen Worten hat Elisabeth von Heyking prägnant ihr Leben umrissen, denn als Elisabeth, Tochter der preußischen Gräfin Armgart von Flemming, geb. von Arnim, und ihres Gatten Albert am 10. Dezember 1861 in Karlsruhe das Licht der Welt erblickte, schienen schon gewisse Dinge festzustehen: aus adliger Herkunft stammend würde sie sich in höheren Kreisen der Gesellschaft bewegen, einen Mann gleichen Standes heiraten, Kinder haben, sich ihrer Stellung entsprechend den Künsten widmen und insgesamt ein sorgloses Leben führen.
Aber Vieles kam ganz anders: die Folgen des Selbstmords ihres ersten Mannes auf Grund ihrer zerrütteten Ehe sollten lange spürbar bleiben und ihr Leben als Frau des Diplomaten Edmund von Heyking überschatten.
Während ihre Kindheit zusammen mit der jüngeren Schwester Irene, der später berühmten Schriftstellerin Irene Forbes-Mosse, relativ sorglos verlief, ereilte sie der erste Schicksalsschlag im Alter von 22 Jahren, zwei Jahre nach der Heirat mit dem Privatdozenten für Nationalökonomie Stephan von Putlitz, als dieser in Berlin Selbstmord beging. Die Schuld lastete die Putlitz-Familie Elisabeth allein an. Herward Sieberg, der wohl die ausführlichste Biografie über sie verfasste, nennt zerrüttende Ehezwistigkeiten als Grund, in den meisten Quellen wird Ehebruch oder Scheidung als Ursache genannt.
Dem Tod folgten zermürbende Gerichtsverfahren um das Sorgerecht für die Tochter. Dass Elisabeth und ihr zweiter Mann Edmund von Heyking nicht die Frist des Trauerjahres einhielten, was hauptsächlich ihm als dem Älterem und Verantwortlichen vorgeworfen wurde, wirkte sich später belastend auf seine diplomatische Karriere aus.
Zwanzig Jahre Auslandsaufenthalt als Diplomatengattin in Ländern wie den USA, Chile, Indien, Ägypten, China und Mexiko prägten Elisabeths Einstellung zu diesen Ländern sowie ihre politische Haltung zur deutschen Monarchie und europäischen Kolonialpolitik vor dem ersten Weltkrieg. Ihre Eindrücke und Erfahrungen hinterließ sie der Nachwelt in zahlreichen Briefen, Aquarellen, ihren Romanen und Novellen, wobei leider die meisten Originale im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs in Berlin verbrannten.
Weniger aus Verpflichtung gegenüber ihrer Ahnenreihe weiblicher Autorinnen wie der Ururgroßmutter Sophie von La Roche und der Großmutter Bettine von Arnim, sondern eher aus therapeutischen Gründen griff Elisabeth zur Feder. Denn immer wieder erhielten die beruflichen Ambitionen ihres Mannes vom Auswärtigen Amt in Berlin einen Dämpfer, dazu gab es finanzielle Rückschläge und Sorgen um die drei Kinder. Auch gesundheitlich kam es bei den Heykings durch den ständigen Ortswechsel und diverse Belastungen immer wieder zu kritischen Situationen (Ruhr, Meningitis, Lungenentzündung). Durch das Schreiben, zunächst in Tagebuchform, fand sie endlich ein Ventil, mit dem sie ihre Probleme artikulieren konnte. „Es ist das was mich über Wasser hält“, schreibt sie und thematisiert die Bedeutung des Schreibens als Therapie in dem Märchen Was Herzeleid wollte (1903).
Während ihre schriftstellerische Laufbahn mit dem französischen Gedicht Fleurs de Lassitude (1900) begann, erfolgte ihr Durchbruch mit dem noch anonym veröffentlichten stark autobiographischen Roman Briefe, die ihn nicht erreichten (1904). In Briefform verfasst und in eine Liebesgeschichte eingebettet beschreibt der Roman China kurz vor Ausbruch der Boxerrebellion bis hin zum offenen Konflikt mit den europäischen Mächten, wobei Heyking die Kolonialpolitik Europas mit kritischer Feder skizziert und schon ihr Ende voraussieht. Dem gegenüber erkennt sie in den USA die zukünftige, aufsteigende Weltmacht. Das Buch wurde zum Bestseller und erreichte im ersten Jahr schon über 40 Auflagen.
Bemerkenswert ist Heykings Gesinnungswandel von einer anfänglich unkritischen rassistisch-imperialistischen Haltung zu einer nuancierten Auffassung über eine europäische Weltpolitik, zu einem Zeitpunkt, als man in Europa das Recht auf Intervention und Ausbeutung Afrikas und Asiens offiziell noch nicht in Frage stellte. Damit ist ihr Denken dem ihrer Zeitgenossen schon weit voraus. Auch das 1912 veröffentlichte zweibändige Werk Ille mihi (lat. „Er gehört mir“) trägt stark autobiographische Züge, in der die problematische Karriere ihres Mannes fiktiv dargestellt wird und gleichzeitig als Plattform für Kritik an Deutschlands Außenpolitik dient. Neben ihren Romanen schrieb sie Novellen, z.B. Die Orgelpfeifen (1918), Das vollkommene Glück (1920) und veröffentlichte Rezensionen z.B. Einige Gedanken zu Rudyard Kiplings neuestem Werk.
Der Erste Weltkrieg brachte für Elisabeth große Verluste; zuerst starb ihr bereits geschwächter Mann 1915 an einer Lungenentzündung, dann verlor sie beide Söhne im Krieg.
Heute erinnert man sich in Thüringen an Heyking als Dame des Schlosses Crossens, wo sie ab 1908 bis zu ihrem Tode lebte. Auf einem Besuch bei einer Freundin in Berlin starb Elisabeth von Heyking im Alter von 63 Jahren am 4. Januar 1925 durch einen Schlaganfall.
Obwohl sie heute als Schriftstellerin größtenteils in Vergessenheit geraten ist, fand im Februar 2015 eine bewegende Gedenkfeier zu ihrem 90. Todestag in Crossen statt, bei der man sowohl ihre Berühmtheit als Diplomatengattin und Schriftstellerin als auch ihre persönlich bescheidene und fürsorgliche Haltung gegenüber der Gemeinde pries.
(Text von 2015)
Verfasserin: Ulrike Brisson
Elisabeth von Heyking, von Siegfried Carl
Zitate
„Frauen sitzen eigentlich immer da und warten, ob die Türe aufgeht und jemand kommt.“ (Briefe 90, 32. Aufl.)
„Orchideen kommen mir immer vor wie manche schöne Frauen, in deren Nähe man gleich fühlt, daß sie wunderbare, geheimnisvolle Dinge erlebt haben müssen. Ich wünschte ich verstände die Orchideensprache! Es werden darin gewiß die seltsamsten Geschichten erzählt.“ (Briefe, 53)
Winzigen Stäubchen gleichen die Menschen, willenlos vom Winde hin und her geweht. Einige aber streift bisweilen ein Sonnenstrahl in all, daß sie einen Augenblick erglänzen, als seien sie zu lautrem Gold verwandelt. Diese werden dann von den Anderen beneidet, so im Schatten wirbeln – und sind doch alle gleich.
(Elisabeth von Heyking in Jugend. Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben, 52: 1905. Bd.2, 1024.)
Heykings Kritik an den europäischen Kolonialmächten in China:
Aus Gier waren sie [die Europäer] über die Meere von ihren fernen Ländern hergekommen. Und Gier blieb seitdem die bleibende Kraft in all ihrem Thun und Trachten. … Ja, die Gier die selbstzeugend Mißgunst, Zorn, Raub und Mord gebiert, die stets von Neuem zu Feindschaft zwischen den einzelnen, zu Krieg zwischen den Staaten führen muß, — die lag zu Grunde ihres Wesens.
(Tschun (1914), 419)
Links
Zur 90-jährigen Gedenkfeier ihres Todes, auf Schloss Crossen
Kurzbio von Eckhard Schulz, „Heyking, Elisabeth Baronin von, geborene Gräfin von Flemming,“
Literatur & Quellen
Hauptwerke:
„Fleurs de Lassitude.“ La Revue Blanche. Paris 1900. Spalten 453-458.
Briefe, die ihn nicht erreichten. Berlin: Paetel, 1903.
Der Tag Anderer. Berlin: Paetel, 1905.
Ille mihi. Berlin: Paetel, 1912. 2 Bde.
Tschun. Eine Geschichte aus dem Vorfrühling Chinas. Berlin: Ullstein, 1914.
Tagebücher aus vier Weltteilen 1886/1904. Hrsg. G. Litzmann, 1926. Jazzybee Verlag, 2012. (Nachlass)
Sekundärliteratur:
Mechthild Leutner „’Sind wir ehrlich, so haben wir uns doch alle als armselige Blechgötzen erkannt ...’“ in Marianne Bechhaus-Gerst, Mechthild Leutner. Hg. Frauen in den deutschen Kolonien. Berlin: Links, 2009.
Mary Rhiel. „Traveling through Imperialism: Representational Crisis and Resolution in Elisabeth von Heyking’s and Alfons Paquet’s Travel Writing on China.“ In: Imagining Germany Imagining Asia. Eds. Veronika Fuechtner and Mary Rhiel. Rochester, NY: Camden, 2013.
—-. „Diplomatenfrau between Two Worlds: Elisabeth Heyking’s China Journal.“ Monatshefte. 100.3 (2008): 369-382.
—-. „A Colonialist Laments the New Imperialism: Elisabeth von Heyking’s China Novels.“ Colloquia Germanica. 41.2 (2008): 127-139.
Herward Sieberg: Elisabeth von Heyking : Ein romanhaftes Leben. Olms Verlag, 2012.
George Steinmetz. The Devil’s Handwriting: Precoloniality and the German Colonial State in Quingdao, Samoa, and Southwest Africa. Chicago: University of Chicago Press, 2007.
Sollten Sie RechteinhaberIn eines Bildes und mit der Verwendung auf dieser Seite nicht einverstanden sein, setzen Sie sich bitte mit Fembio in Verbindung.