Biographien Elisabeth Schwarzkopf
(Olga Maria Elisabeth Frederike Schwarzkopf [Geburtsname]; Elisabeth Legge-Schwarzkopf [Ehename])
geboren am 9. Dezember 1915 in Jarotschin, Provinz Posen
gestorben am 3. August 2006 in Schruns, Österreich
deutsch-britische Sängerin
15. Todestag am 3. August 2021
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Elisabeth Schwarzkopfs Vater war Altphilologe, Lehrer und sehr musikalisch, von der resoluten Mutter Elisabeth erbte sie ihr gutes Gehör. Die Tochter wurde als Einzelkind in den ersten Weltkrieg hinein geboren. Weitere unsichere, sorgenvolle Zeiten mit hohen Reparationszahlungen, Währungszerfall bis zur Inflation folgten, dazu ab 1922 elf berufsbedingte Umzüge, bis die Familie 1933 – Hitler ist an der Macht, die ersten Juden verschwinden – endlich in Berlin landet, wo die Tochter Abitur macht. Von politischen Diskussionen mit Freunden im Elternhaus wurde sie stets ferngehalten, sie solle sich ganz dem Singen und ihrer Ausbildung widmen.
1934 gewinnt sie gegen 52 MitbewerberInnen den Zutritt an die bereits NS-gestimmte renommierte Berliner Musikhochschule, zunächst bei der erfahrenen Altistin Lula Mysz-Gmeiner. Aber Elisabeth ist und wird kein Alt. Ihr erstes Engagement bindet sie 1938 für vier Jahre an die Deutsche Oper. Lange ist sie nur Einspringerin in Miniauftritten, ab 1940 aber bekommt sie Partien wie Strauss' Zerbinetta oder Ännchen im Freischütz. In den zeitlebens dankbarst erinnerten zwei Jahren Privatunterricht bei der berühmten Maria Ivogün reift sie »mit einer schönen Stimme, aber keiner Technik … Note für Note« zum Koloratursopran. Bis 1942 singt sie vierzig Partien.
1939 geht Elisabeth vor allem auf Bitten ihres von der Partei seiner Stelle enthobenen Vaters zu ihrem Schutz in die NSDAP. Es ist Krieg. 1940 schon fallen die ersten Bomben auf Berlin, beginnen die bald auch nächtlichen Fliegerangriffe der Alliierten, die Stadt ist trotz aller Propaganda ein lebensgefährlicher Ort ohne sichere Zukunft, und trotzdem sind volle musikalische Professionalität und Bewältigung des unterschwellig immer angstbeladenen Alltags gefordert. Elisabeth ist zwar freigestellt von Kriegs- und Arbeitsdienst, aber »nebenberuflich« Luftschutzwart ihres Blocks und muss als Mitglied bei der NS-Volkswohlfahrt und zahlreichen üblichen politisch erwarteten »freiwilligen« Einsätzen funktionieren.
Im gleichen Jahr startet die schon lange versierte Vom-Blatt-Sängerin in insgesamt ewa 60, kaum geprobten, Aufnahmen für Raucheisens »Lied-der-Welt«-Projekt der Reichsrundfunkgesellschaft, alle auf Deutsch gesungen und wenn »feindsprachig« meist ohne Nennung des Komponisten, die international weit gestreut besonders in von deutschen Truppen besetzte Gebiete gesendet werden. Elisabeths Schönheit, jugendlich frische Musikalität sowie offensichtliches schauspielerisches Talent erfreut sich auch bei Liederabenden und Wohltätigkeitskonzerten außerhalb Berlins und an der Ostfront zunehmender Beliebtheit.
Folgenreich ist 1942 vor allem die willkommene Einladung des verehrten Karl Böhm an die noch kriegsferne Wiener Staatsoper. Zwei Gastspiele kann sie dort wahrnehmen, dann wird sie nach Berlin zurückgepfiffen. Das vierte Kriegsjahr ist das bislang schlimmste. Für Elisabeth heißt es weitere intensive Lehrjahre konzentrierten Arbeitens, der Selbstbeherrschung nach Innen und Außen, unter widrigsten Umständen durchgeformte öffentliche Auftritte im Dienst der heiligen Kunst Musik.
Ein Sanatoriumsaufenthalt wegen Tuberkulose rettet sie für ein Jahr vor den Berliner Schrecken. 1944 endlich in Wien als Blondchen, Konstanze, Musette und Mimi, als Rosina, Gilda und Violetta. 1946 kommt es zur Begegnung mit dem Briten Walter Legge, einem erfahrenen Konzertveranstalter und hervorragenden Schallplattenproduzenten. Er ist in Wien auf der Suche nach weiteren erstklassigen SängerInnen und Dirigenten für seine EMI Opern- und Konzertprojekte. Von Elisabeths Lied-der-Welt-Sendungen hatten ihm schon viele Frontsoldaten vorgeschwärmt. Jetzt hörte er sie als Rosina und bietet ihr einen Vertrag an. Sie besteht auf einem korrekten Vorsingen. Zwei Stunden nimmt er sie an einem Wolf-Lied in die Mangel, quält sie Phrase für Phrase, bis auch Tonqualität und -farben stimmen; sie fordern sich detailversessen, wie in den nächsten 33 Jahren ihrer Zusammenarbeit – und Ehe.
Das Produkt dieser gemeinsamen Arbeit ist die Schwarzkopf, wie wir sie kennen: Klangzauberin, strahlend schöne und elegante, sensible Jahrhundertsängerin auf den Bühnen und in den Konzertsälen der Welt. Hinter der glänzenden Fassade war sie voller Angst, dass sie ihren Kollegen und Dirigenten nicht genügen könnte. Ihre Kostüme mussten trockengebügelt werden, so schwitzte sie.
Zahllose CD-, Video- und Film-Aufnahmen dokumentieren ihre souveräne, jedoch stets der genauesten werktreuen Erfassung und den nachgespürten Intentionen des Komponisten folgende Charakterisierung ihrer Rollen und ihre dienende, nie auftrumpfende formvollendete Bühnenpräsenz. Es war ein Singen von Bedeutung vermittelnden, tragenden, nie lediglich lauten Tönen, das Zusammenwirken von Sprache und Tönung im ungestörten Legato-Fluss – wichtiges Anliegen in ihrer späteren gesangspädagogischen Arbeit.
Sie habe nie für das Publikum gesungen, sondern es müsse darum gehen, im Singen einem Kunstwerk aus Sprache und Musik gerecht zu werden. Sie sänge nicht, um berühmt zu sein, sondern »um es gut zu machen«. Und dies kann nur mit Hilfe einer gesunden, makellosen Technik gelingen. Nicht eigentlich Ehrgeiz also, sondern allumfassende dienende Erfüllung einer Pflicht.
(Text von 2014)
Verfasserin: Swantje Koch-Kanz
Zitate
Der reine Sadismus!
(Herbert von Karajan über die Art, wie Walter Legge seine spätere Frau bei ihrem ersten Vorsingen triezte)
Marilyn Horne erzählte, dass Elisabeth Schwarzkopf bei einem Strandspaziergang mit Lotte Lehmann einmal sagte: »Weißt du, Lotte, wenn ich deine Platten höre, habe ich immer das Gefühl, dass du Singen so richtig genießt.« Lehman blieb sofort stehen und bestätigte: »Wieso, natürlich habe ich es genossen!« »Ich hab das niemals,« antwortete Schwarzkopf. »Nu ja, so klingt es«, erwiderte Lehmann im Weitergehn.
Eine mustergültige Atemführung, eine ungeheuere Genauigkeit beim Übersetzen des musikalischen Textes, eine besondere Bevorzugung der sprachlichen Genauigkeit in der Verbindung mit dem Gesang. Also die Kombination zwischen Wort und Ton, das macht ihr so schnell keiner nach, bis zum heutigen Tag. Und dabei von einer Stimmschönheit, von einer voluminösen, aber nie übertrieben aufwendigen Stimme, sondern das ist so selbstverständlich und so ganz normal einfach alles abgelaufen. Für mich eines der großen Vorbilder der weiblichen Sängergarde.
(Wolfgang Sawallisch, 2006)
In einer Passage seiner Erinnerungen hat er [Legge] beschrieben, wie er sie [Schwarzkopf] die Großen der Vergangenheit am Lautsprecher studieren ließ: Rosa Ponselle [11] mit ihrem sahnigen Timbre, Meta Seinemeyer, die als deutscher Sopran italienischer sang als viele Italienerinnen, Frida Leiders dramatische Spannung, Lotte Lehmanns allumarmende Großherzigkeit – das alles sollte im Singen seiner Frau zur Synthese kommen. […] An all ihren Aufnahmen, die sie selbst liebte, […] ist die bis in die letzte Faser durchgearbeitete Kunstanstrengung zu spüren, eine Anstrengung, die sich aber in mühelosen Wohllaut aufzulösen schien.
(Jens Malte Fischer, Süddeutsche Zeitung, 5./6. August 2006)
Wenn ich mir das heute überlege, was meine Stimme alles mitgemacht hat, auch an falschem Unterricht, an falschem Fach, falscher Stimmlage, die ich zu singen hatte, unglaublich!
Ich habe 453 Orchesterkonzerte gesungen, 984 Liederabende und 1223 Opern, also insgesamt 2660 Auftritte in den Jahren zwischen 1938 bis 1979. Ich habe Tagebuch geführt. Dazu kommen noch viel mehr Proben als Auftritte. Wir haben ja wie wahnsinnig geprobt, in Salzburg und Wien, zu schweigen von den Plattenaufnahmen!
»Vor genau 100 Jahren, am 9. Dezember 1915 um ca. 16.00 Uhr, wurde Elisabeth Schwarzkopf geboren. Ihr Vater Friedrich Schwarzkopf war bei der schwierigen Geburt dabei und hat später den folgenden Bericht verfasst […]:
Der 9. Dezember 1915 Nachmittag ca. 4h wurde unsere Elisabeth geboren, in Jarotschin, Breslauerstr. 7, im 2. Stock, in dem grossen Schlafzimmer, das nach der Strasse zu lag – Das Drama spielte sich auf des Messers Schneide ab: Die Hebamme war da – Polin – ich ebenfalls, weil sich L. sehr quälen musste und die HA meine Hilfe verlangte – alle Qualen, Anstrengungen u. Bemühungen der HA schienen umsonst zu sein; plötzlich aber sagte sie: Wir müssen Ihre Frau aufstellen – das ist das einzige, was ich noch machen kann! Gesagt, getan: einen Arm um meinen [Wort unleserlich] gelegt, den anderen um die Schultern der Mutter u. die HA kniete vor ihr, ein Entsetzens- und Erlösungsschrei gellte durch den Raum – aber das Neugeborene lag in den Händen der HA: ein Mädchen! L. war ohnmächtig ins Bett zurück gesunken – ich schrie ihr ins Ohr: Liesel, Dein Kind! – Sie schlug die Augen wieder auf: Sie suchten! Aber schon brachte die brave Helferin das gebadete Mädchen vor ihre Augen und L. berührte das kleine Köpfchen, das soviel Anstrengung und Schmerzen verursacht hatte. Mein Bataillonsarzt Dr. Cohn, den ich vorsorglich gebeten hatte, war inzwischen auch erschienen und konnte zu seiner Freude und zur Vervollständigung unseres Glückes feststellen, dass alles in bester Ordnung u. in besten Händen sei, und fuhr wieder nach Krotoschin zurück. Dort lag mein Bataillon. Nun kann u. muss ich ja erst berichten – es war ja Krieg! […]«
(Aus einem Newsletter der Schubertiade Schwarzenberg/Hohenems, Dez. 2015)
Links
Elisabeth Schwarzkopf - Da Capo - Interview with August Everding 1988. Video, 58:10 min.
Online verfügbar unter https://www.youtube.com/watch?v=65xnYA4-7iM, zuletzt geprüft am 04.12.2020.
Nachlass von Elisabeth Schwarzkopf.
nicht mehr online, frühere URL: http://www.sos-kinderdorf.at/sos-infos/sos-kinderdorf-nachrichten/auktion-elisabeth-schwarzkopf.
WebCite®-Archivfassung: http://www.webcitation.org/6db1YM2Hu.
AllMusic: Elisabeth Schwarzkopf | Music Biography, Streaming Radio and Discography.
Online verfügbar unter http://www.allmusic.com/artist/elisabeth-schwarzkopf-mn0000679947, zuletzt geprüft am 04.12.2020.
ARD (2011): Elisabeth Schwarzkopf: Porträt einer Sängerin. Dokumentation von Wolfgang Wunderlich. Deutschland, 2011.
Online verfügbar unter http://programm.ard.de/TV/arte/elisabeth-schwarzkopf—portraet-einer%20saengerin/eid_287246810857717, zuletzt geprüft am 04.12.2020.
Bayerischer Rundfunk (1988): Wortwechsel – Elisabeth Schwarzkopf. »Kunst muß aristokratisch sein« – Christa Schulze-Rohr (1932-2004) spricht mit der Sopranistin Elisabeth Schwarzkopf (1915-2006). Video, 47:09 min.
Online verfügbar unter https://www.youtube.com/watch?v=-DhGg58kZ1g, zuletzt geprüft am 04.12.2020.
Brachmann, Jan (2005): Der Sängerin Elisabeth Schwarzkopf zum 90. Geburtstag: Die Kopf-Stimme des Jahrhunderts. In: Berliner Zeitung, 09.12.2005.
Online verfügbar unter http://www.berliner-zeitung.de/archiv/der-saengerin-elisabeth-schwarzkopf-zum-90—geburtstag-die-kopf-stimme-des-jahrhunderts,10810590,10343640.html, zuletzt geprüft am 04.12.2020.
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D'heil, Stephanie: Elisabeth Schwarzkopf. Biografie.
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filmportal.de: Elisabeth Schwarzkopf.
Online verfügbar unter http://www.filmportal.de/person/elisabeth-schwarzkopf_533bfee303b749299d997c28fde7bba2, zuletzt geprüft am 04.12.2020.
Getty Images: Bilder, News, Fotos Elisabeth Schwarzkopf.
Online verfügbar unter https://www.gettyimages.de/fotos/elisabeth-schwarzkopf?family=editorial&phrase=elisabeth%20schwarzkopf&sort=mostpopular, zuletzt geprüft am 04.12.2020.
Hauptmann, Cornelius (2006): Schwarzkopf und Fischer-Dieskau. Ein anderer – sehr persönlicher – Nachruf zum Tode einer Ausnahmekünstlerin. Stuttgart, August 2006.
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onlinefilm.org: Die unerbittliche Kunst. Dokumentarfilm von Syrthos J. Dreher. Deutschland, 1988, 90:00 min.
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Scholz, Dieter David: Ich war nicht vom Leben verwöhnt. Zum Tode Elisabeth Schwarzkopfs. Nachruf, 4. Januar 2012.
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Spahn, Claus (2003): Porträt: Denk es, o Seele! Zum 100. Todestag von Hugo Wolf: Die legendäre Sopranistin Elisabeth Schwarzkopf und ihr Meisterkurs in Stuttgart.
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Weber, M. (2005): Feinfühlig auf Distanz. Am 9. Dezember wird die Sopranlegende Elisabeth Schwarzkopf 90 Jahre alt. Was macht ihre Größe aus? DIE ZEIT 08.12.2005 Nr. 50.
Online verfügbar unter http://www.zeit.de/2005/50/M-Schwarzkopf/komplettansicht, zuletzt geprüft am 04.12.2020.
Literatur & Quellen
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Legge, Walter; Schwarzkopf, Elisabeth (1982): Gehörtes, Ungehörtes, Memoiren. (=On and off the record) München. Noack-Hübner. ISBN 3-88453-018-6. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Liese, Kirsten (2007): Elisabeth Schwarzkopf. Vom Blumenmädchen zur Marschallin. Mit Fotos von Lilian Fayer. Wien. Molden. ISBN 3-85485-218-5. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Sanders, Alan; Steane, J. B. (1995): Elisabeth Schwarzkopf. A career on record. Portland, Oregon. Amadeus Press. ISBN 0-931340-99-3. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Schwarzkopf, Elisabeth (c 1982): On and off the record. A memoir of Walter Legge. New York. Charles Scribner's Sons. ISBN 0-684-17451-0. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Spahn, Claus (2006): Elisabeth Schwarzkopf. Leben und Musik der großen Sopranistin [Buch] ; Schwarzkopf singt Strauss ; Orchesterlieder, Szenen aus dem Rosenkavalier [CD]. Hamburg. Zeitverl. Bucerius. (DIE ZEIT-Klassik-Edition, 3) ISBN 3-476-02203-X. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Aufnahmen
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