Biographien Elisabeth Langgässer
geboren am 23. Februar 1899 in Alzey (Rheinhessen)
gestorben am 25. Juli 1950 in Karlsruhe
deutsche Schriftstellerin
125. Geburtstag am 23. Februar 2024
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Als Elisabeth Langgässsers Roman Das unauslöschliche Siegel im Herbst 1946, nach zehn Jahren Arbeit, erschien, war die Dichterin unbekannt.
Zehn Jahre vorher hatte man sie wegen ihrer jüdischen Herkunft von Vaterseite aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen; sie erhielt Publikationsverbot. Zwei bis dahin verlegte Gedichtbände waren kam wahrgenommen worden, ähnlich erging es den vier schmalen Prosabüchern, von denen lediglich Proserpina – Welt eines Kindes (1933) einen kurzen Erfolg hatte.
1946 änderte sich das schlagartig. Ihr neuer Roman um das Geschick des getauften Juden Lazarus Belfontaine brachte Elisabeth Langgässer in den Mittelpunkt der literarischen Diskussion. Ihr Roman galt neben Hermann Kasacks Stadt hinter dem Strom als Beispiel „großer, unter dem nationalsozialistischen Terror gestalteter Kunst“. Ihr Werk entsprach dem Hang eines Großteils ihrer LeserInnen, die Schuld für das Geschehene beim Schicksal zu suchen.
Elisabeth Langgässer kämpfte lange Zeit unter dreifacher Belastung um ihr Werk: Bereits 1930 gibt sie ihre feste Anstellung auf (ihre Arbeit als Lehrerin hatte sie ein Jahr vorher verloren aufgrund der vorehelichen Geburt der Tochter Cordelia) und geht das Risiko ein, als freie Schriftstellerin ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Es kommt zu Konflikten zwischen ihrer Mutterrolle und ihrem schriftstellerischen Ehrgeiz, d.h. dem Freiraum, den sie für ihre Arbeit benötigte:
Eins steht fest: man hat ein Kind – dann ist das ein vollkommen ausgefüllter Tag. Oder einen Beruf, dann muss man das Kind in andere Hände geben.
Weil die Tochter Cordelia einen jüdischen Vater hat, wird sie aus der Familie gerissen, zuerst nach Theresienstadt, dann nach Auschwitz deportiert. Sie überlebt. Erst 1946 erfährt Elisabeth Langgässer, dass die Tochter in Schweden lebt. Sie selbst lebt in einer „privilegierten Mischehe“, in der sie, die Halbjüdin, durch die Ehe mit dem „Arier“ Wilhelm Hoffmann, geschützt ist. Lange Zeit war sie politisch blind gewesen: als Elisabeth André, eine Freundin, erfährt, dass am 5. März 1933 die gesamte Langgässer-Familie, also Mutter, Tochter Elisabeth und Bruder Heinrich, Hitler gewählt hat, sagt sie entsetzt: „Ja, seid ihr denn von Sinnen. Nur die allergrößten Kälber wählen ihren Metzger selber.“ Geholfen hat es ihr nicht: 1944 wird Langgässer zu Fabrikarbeit dienstverpflichtet.
Elisabeth Langgässer – deutsche Jüdin katholischen Glaubens – hat das Jüdisch-Sein bestenfalls als Missverständnis, später dann als „Webfehler“ verstanden. So schreibt sie 1948 an den Schriftsteller Kurt Heinrich Hansen: Ich bin Halbjüdin (daher mein blutsmäßiges Wissen um die Antike und das ganz frühe Mittelalter) und war in der Nazizeit verboten. Ich, der die deutsche Sprache geheime Dinge in das Ohr sagt, wie ich glaube…“
(Text von 1998)
Verfasserin: Sulamith Sparre
Literatur & Quellen
Edvardson, Cordelia. 1989 [1984]. Gebranntes Kind sucht das Feuer [= Bränt barn söker sig till elden]. Aus d. Schwed. von Anna-Liese Kornitzky. München. dtv TB 115.
El–Akramy, Ursula. 1997. Wotans Rabe: Elisabeth Langgässer, ihre Tochter Cordelia und die Feuer von Auschwitz. Frankfurt/M. Neue Kritik.
Hetmann, Frederik. 1986. Schlafe, meine Rose: Die Lebensgeschichte der Elisabeth Langgässer. Beltz & Gelberg Biographie. Weinheim, Basel. Beltz.
Hilzinger, Sonja. 2009. Elisabeth Langgässer. Eine Biographie. Verlag für Berlin Brandenburg. Berlin.
Hoffmann, Elisabeth. 1993. “Jüdin-Deutsche-Katholikin. Fragen nach der Identität am Beispiel von Elisabeth Langgässer und Cordelia Edvardson”, in: Jutta Dick & Barbara Hahn. Hgg. Von einer Welt in die andere: Jüdinnen im 19. und 20. Jahrhundert. Wien. Christian Brandstätter. S. 286-296.
Hoffmann, Elisabeth. 1993. “Jüdin-Deutsche-Katholikin. Fragen nach der Identität am Beispiel von Elisabeth Langgässer und Cordelia Edvardson”, in: Jutta Dick & Barbara Hahn. Hgg. Von einer Welt in die andere: Jüdinnen im 19. und 20. Jahrhundert. Wien. Christian Brandstätter. S. 286-296.
Hoffmann, Elisabeth. Hg. 1990. Elisabeth Langgässer: Briefe 1924-1950. 2 Bde. Düsseldorf. Claassen.
Langgässer, Elisabeth. 1954. ...soviel berauschende Vergänglichkeit: Briefe 1926-1950. Hg. und Nachwort von Wilhelm Hoffmann. Düsseldorf. Claassen.
Müller, Karlheinz. 1990. Elisabeth Langgässer: Eine biographische Skizze. Hessische Beiträge zur deutschen Literatur. Darmstadt. Gesellschaft Hessischer Naturfreunde.
Serke, Jürgen. 1982. Frauen schreiben: Ein neues Kapitel deutschsprachiger Literatur. Frankfurt/M. Fischer TB 3721.
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