Biographien Dorothea Schneider und Christa-Maria Schneider
Dorothea Schneider geb. Ryssel
geboren am 18. November 1889 in Seifersdorf (Mściszów)
gestorben am 16. August 1946 in Potsdam
75. Todestag am 16. August 2021
Christa-Maria Schneider verh. Lyckhage
geboren am 5. Oktober 1920 in Poznań
gestorben am 21. Juni 2015
deutsche Judenretterinnen; als „Gerechte unter den Völkern“ ausgezeichnet
Biografie • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Dorothea Mathilde Hilda Schneider kam als zweites von fünf Kindern des protestantischen Pfarrers Gustav Ryssel und der Kaufmannstochter Anna geborene Heidrich in Seifersdorf (Mściszów) in Niederschlesien zur Welt. Von 1913 bis 1915 ließ sie sich zur Jugendpflegerin an der Sozialen Frauenschule der Inneren Mission in Berlin ausbilden. Anschließend arbeitete sie als Sekretärin im evangelischen Provinzialverband für die weibliche Jugend in der Provinz Posen. 1918 heiratete sie den Pfarrer Adolf Schneider. Wenige Wochen später kam es zum Aufstand in der Stadt und in der Provinz Posen, in dessen Folge große Teile der Provinz zum polnischen Staatsgebiet erklärt wurden. Viele Deutsche verließen Poznań oder wurden vertrieben, und so gehörten Dorothea und Adolf Schneider bald zur deutschen Minderheit. Nach der Heirat setzte Dorothea Schneider ihre Jugendarbeit fort, nun jedoch als Pfarrfrau. Am 5. Oktober 1920 kam ihre Tochter Christa-Maria zur Welt, die ab 1927 das deutschsprachige Lyzeum der Below-Knotheschen Schule in Poznań besuchte.
1928 starb Adolf Schneider. Dorothea Schneider nahm nun wieder ihre Arbeit im evangelischen Provinzialverband für die weibliche Jugend auf. In den Jahren darauf beschloss sie, Poznań zu verlassen, um ihrer Tochter eine gute Universitätsausbildung in Deutschland zu ermöglichen. Auch war es mühsam, regelmäßig die Aufenthaltsgenehmigung in Poznań für sich und die Tochter verlängern zu lassen. 1934 zog Dorothea Schneider mit ihrer Tochter nach Potsdam. Hier lebten bereits ihre Freundinnen Anna Maria und Magdalene Balan, die Töchter des früheren Posener Konsistorialpräsidenten Curt Balan.
Dorothea Schneider stand dem nationalsozialistischen Regime zunächst nicht ablehnend gegenüber. Nach dem Besuch einer Versammlung der Deutschen Christen war sie jedoch entsetzt über die dortige antijüdische und rassistische Propaganda. Durch Anna Maria Balan – Oberstudienrätin im Oberlyzeum auf Hermannswerder und Mitglied der Bekenntnisgemeinde an der Potsdamer Erlöserkirche – schloss sie sich der Bekennenden Kirche an. Christa-Maria Schneider legte 1939 ihr Abitur in Potsdam ab und studierte an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität (Humboldt Universität) Germanistik, Anglistik und Schwedisch. Dort engagierte sie sich auch in der evangelischen Studentengemeinde. Dorothea Schneider fand eine Stelle in der Dr. Lepsius Deutsche Orientmission in Potsdam. Sie trat der evangelischen Frauenhilfe der Erlösergemeinde bei und wurde später deren Vorsitzende.
Dorothea und Christa-Maria Schneider halfen zwischen Februar 1943 und März 1945 drei untergetauchten Jüdinnen: Margarete Latte, der Mutter des späteren Dirigenten des Berliner Barock-Orchesters Konrad Latte, Charlotte Paech, die zur Widerstandsgruppe jüdischer Kommunisten um Herbert Baum gehörte und Gertrud Leupold aus Potsdam. Die Frauen lebten über mehrere Wochen bei ihnen, bis sie in eine andere Unterkunft vermittelt werden konnten, um das Risiko der Entdeckung so gering wie möglich zu halten. Charlotte Paech und Gertrud Leupold haben überlebt. Margarete Latte und ihr Ehemann wurden im KZ Auschwitz ermordet. Sie hatte Anfang Oktober 1943 erfahren, dass ihr Sohn und ihr Ehemann verhaftet wurden und im jüdischen Sammellager in der Großen Hamburger Straße in Berlin auf ihre Deportation warteten. Daraufhin verließ Margarete Latte die Illegalität und folgte ihrer Familie ins Lager. Konrad Latte konnte vor der Deportation fliehen und überlebte mit Hilfe von Freunden und Bekannten.
Dorothea Schneider starb am 16. August 1946 an der so genannten Blutarmut und wurde auf dem Neuen Friedhof in Potsdam beigesetzt. Christa-Maria Schneider studierte nach dem Krieg Theologie in Berlin, Zürich, Basel und Lund. 1950 heiratete sie Knuth Lyckhage, der später Hauptpfarrer von Göteborg wurde. Im selben Jahr kam ihr Sohn Gunnar zur Welt. Christa-Maria Lyckhage arbeitete als Übersetzerin von theologischen und philosophischen Dissertationen sowie schwedischer Literatur ins Deutsche. Sie lebt in Göteborg.
1995 wurde im Potsdamer Stadtteil Kirchsteigfeld die Dorothea-Schneider-Straße eingeweiht. 2002 erhielten Mutter und Tochter durch die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem den Ehrentitel „Gerechte unter den Völkern“.
Verfasserin: Jeanette Toussaint
Links
http://anni-von-gottberg.de/ http://www.maerkischerverlag.de/php/a17main.php
Literatur & Quellen
Gutman, Israel/Daniel Fraenkel/Jacob Borut: Lexikon der Gerechten unter den Völkern: Deutsche und Österreicher, Band 1. Göttingen 2005, S. 244/245.
Kosmala, Beate: Zuflucht in Potsdam bei Christen der Bekennenden Kirche, in: Wolfgang Benz (Hg.): Überleben im Dritten Reich. Juden im Untergrund und ihre Helfer. München 2003, S. 113-130.
Schneider, Peter: „Und wenn wir nur eine Stunde gewinnen ...“ Wie ein jüdischer Musiker die Nazi-Jahre überlebte. Reinbek bei Hamburg 2002.
Toussaint, Jeanette: Ich bin für Potsdam das rote Tuch. Anni von Gottberg und die Bekennende Kirche. Wilhelmshorst 2011.
Sollten Sie RechteinhaberIn eines Bildes und mit der Verwendung auf dieser Seite nicht einverstanden sein, setzen Sie sich bitte mit Fembio in Verbindung.