© Reinhard Wojke
geboren am 5. April 1917 in Naumburg
gestorben am 9. Oktober 2019 in Hamburg
deutsche Autorin, Bildhauerin und Psychiatriekritikerin; Vorkämpferin für eine menschliche Psychiatrie
5. Todestag am 9. Oktober 2024
Biografie
Dorothea Buck, Stimme der Diskriminierten
Dorothea Buck, 1917 in Naumburg (Saale) geboren, ist Psychiatrie-Überlebende, Bildhauerin und Schriftstellerin und hatte fünf schizophrene Schübe von 1936 bis 1959. Der erste Schub 1936 brachte die psychisch auffällige 19-jährige Pfarrerstochter in die Anstalt Bethel/Bielefeld, wo sie nach dem NS-Erbgesundheitsgesetz zwangssterilisiert wurde. Heirat oder ihr Wunschberuf Kindergärtnerin waren ihr damit verboten. Künstlerin zu werden war erlaubt, also wurde sie nach dem Krieg in Hamburg an der Hamburger Kunsthochschule Bildhauerin, was ihr auch half, ihre „inneren“ Themen wie Mutterschaft und Geborgenheit mit ihren Skulpturen zu bearbeiten. 1969-82 wurde sie zusätzlich Lehrerin für Kunst und Werken an der Fachschule für Sozialpädagogik, was den Lebensunterhalt sicherte. Mit ihren unzähligen Aufsätzen, öffentlich gehaltenen Referaten, ihren Büchern, Broschüren und Stellungnahmen begann sie erst nach ihrer Verrentung. Erst dann war sie innerlich bereit und frei, ihre sie teils bloßstellenden und abwertenden Erlebnisse öffentlich zu machen. Heute werden Dorothea Buck Magisterarbeiten gewidmet, und eine eigene Internetseite hat sie auch, betreut von ihren psychiatrie-erfahrenen MitstreiterInnen. Sie ist mehrfach für ihr Lebenswerk geehrt und ausgezeichnet worden, erhielt 1997 für ihre Arbeit das Bundesverdienstkreuz und 2008 das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland.
1987 war sie Mitbegründerin des Bundes der Zwangssterilisierten und „Euthanasie“-Geschädigten.
Zusammen mit dem Hamburger Psychologen Thomas Bock erfand und initiierte Dorothea Buck 1989 das „Psychose-Seminar als trialogischen Erfahrungsaustausch“ (unter gleichberechtigter Beteiligung der Betroffenen, ihrer Angehörigen und der TherapeutInnen), mit bundesweit bis heute zirka 140 Ablegern, inzwischen auch in der Schweiz und in Österreich. Aus dem Psychose-Seminar ging 1992 der Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener e.V. (BPE e.V.) hervor, deren Ehrenvorsitzende die Mitbegründerin bis heute ist und dem sie auch heute noch zum Jahrestreffen Grußworte übermitteln lässt.
Ihre Skulptur „Mutter und Kind“ wurde ihr zu Ehren im Gedenkraum der Berliner Charité aufgestellt.
Seit 1996 ist sie Namensgeberin für das Dorothea-Buck Haus in Bottrop, das Wohnangebote für Menschen mit psychischer Erkrankung oder Suchterkrankung bietet.
Der 90-minütige Film von Alexandra Pohlmeier über Leben und Werk Dorothea Bucks - „Himmel und Mehr. Dorothea Buck auf der Spur“ - wurde bundesweit gezeigt, mit anschließenden Diskussionen.
Dorothea Buck erbte eine größere Summe Geld und gründete damit die Dorothea-Buck-Stiftung, um ihr Engagement für eine menschlichere Psychiatrie über ihr eigenes Wirken hinaus fortzusetzen. Mit dieser Stiftung unterstützt sie finanziell psychiatrie-erfahrene AntragstellerInnen, eine kostenpflichtige EX-IN-Ausbildung (Experienced Involvement) machen zu können, um mit ihrem Erfahrungswissen die psychiatrische Versorgung professionell zu unterstützen.
Dorothea Buck kämpft für eine menschenwürdige, gesprächsbereite Psychiatrie, ist selber immer gesprächsbereit gewesen, auch mit den Nachfolgern ihrer Peiniger. Teilhabe ist ihr wichtig, nicht Recht haben wollen um jeden Preis. Sie ist davon überzeugt, dass Psychosen ein Aufbruch des Unbewussten sind und für die Betroffenen sinnvolle und wichtige Erfahrungen und keine Stoffwechselerkrankung, wie die biologistische Psychiatrie suggeriert.
„Um geheilt zu werden, muss man verstehen und verarbeiten, was man erlebt hat“, so Dorothea Buck. Sie sagt, sie habe sich selbst heilen und ihre Psychose wieder in die eigene Persönlichkeit integrieren können.
Dorothea Buck ist im Sozialpsychiatrie-Betrieb die Ausnahmeerscheinung. Anne Fischer, die jüngere Schwester Dorothea Bucks, fasst die gesellschaftliche Wirkung ihrer Schwester Dorothea so zusammen: „Das liegt an der Wahrhaftigkeit ihrer Erkenntnis, ihrer kritischen Wachheit, ihrer Kampfkraft und ihrer Kreativität, und weil sie den Diskriminierten eine Stimme gibt.“ (Text von 2017)
Dorothea Buck starb im Alter von 102 Jahren am 9. Oktober 2019 in Hamburg.
Verfasserin: Brigitte Siebrasse
Links
Infos des Bundesverbands Psychiatrie-Erfahrener (BPE e.V.) über Dorothea Buck
Infos zum Film “Himmel und Mehr”
Nachruf des Bundesverbands Psychiatrie-Erfahrener (BPE e.V.)
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