geboren am 21. März 1714 in Halle
gestorben am 23. September 1762 in Berlin
Jugendfreundin Friedrichs II. von Preußen; Justizopfer
310. Geburtstag am 21. März 2024
Biografie • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Die Lebensdaten von Dorothea Elisabeth Ritter waren lange Zeit im Dunkeln. In der preußischen (meist glorifizierenden) Geschichtsschreibung des 18. und 19. Jahrhunderts sucht man ihren Namen vergeblich.
Dorothea Elisabeth (genannt Doris) Ritter wurde am 21. März 1714 in Halle geboren. Drei Tage später wurde sie in der Moritzkirche getauft. Da standen die Sterne für ihren künftigen Lebensweg noch günstig: immerhin waren keine Geringeren als der berühmte Theologe und Pädagoge August Hermann Francke und der Medizinprofessor und Universitätsrektor Friedrich Hoffmann ihre Taufpaten. Dabei war ihr Vater, Matthias Ritter, nur Theologiestudent bei Francke gewesen. Ein Jahr zuvor hatte sich der gebürtige Schwabe an der erst 1694 gegründeten halleschen Universität eingeschrieben.
Nach seinem Studium konnte Matthias Ritter jedoch trotz glänzenden Examens und trotz seiner Verbindungen keine feste Anstellung in Halle finden. So zog er mit seiner Familie (inzwischen war eine zweite Tochter geboren) 1720 nach Perleberg, wo er (wahrscheinlich mit Franckes Fürsprache) Konrektor einer höheren Lateinschule wurde. Seinen Kindern vermittelte Ritter neben einer soliden Schulbildung auch Musikunterricht. Die aufgeweckte Doris war besonders talentiert und erlernte das Klavierspiel.
1729 wartete auf Ritter eine neue Berufschance: er wurde Rektor der „deutschen Schule“ in Potsdam und gleichzeitig Seelsorger an der dortigen Nikolaikirche. So gelangte die Familie in unmittelbare Nähe des preußischen Königshofes. Hier regiert Friedrich Wilhelm I. (bekannt als „Soldatenkönig“), der sich oft als jähzorniger Vater gegenüber seinem feinsinnigen und künstlerisch begabten Sohn Friedrich, dem Kronprinzen und späteren Friedrich dem Großen, gebärdete. Er verprügelte ihn sogar vor den Augen des Hofstaates. Einziger Freund des Kronprinzen war der acht Jahre ältere Leutnant Hans Hermann von Katte, der in Halle vier Jahre lang das Pädagogium Franckes besucht hatte.
Irgendwann im Frühjahr 1730 entdeckte der junge Friedrich während eines Gottesdienstes in der Nikolaikirche die 16jährige Doris, die liebliche Sopranstimme ließ ihn aufmerksam werden. Wenig später begegneten sie sich bei einem Spaziergang am Havelufer. Friedrich soll - in Begleitung des Leutnants Johann Ludwig von Ingersleben - ihr schnurstracks gefolgt sein und an ihrem Elternhaus angeklopft haben.
Nach dieser ersten Begegnung verkehrte der nur zwei Jahre ältere Kronprinz fast ein halbes Jahr lang in dem Pfarrhaus. Sicher ohne Wissen seines Vaters, der diese Bekanntschaft mit einer Bürgerlichen niemals geduldet hätte. Neben der talentierten und gebildeten Doris fühlte sich Friedrich sicher auch von der Harmonie in der Familie Ritter angezogen. Daheim im Schloss war ihm ja Musik untersagt. Außerdem wurde er vom Vater so knapp bei Kasse gehalten, dass er seiner „Musikfreundin“ kaum Geschenke machen konnte. Ob Doris den Prinzen liebte oder ob sie nur seinen schmeichelnden Worten lauschte, ist geschichtlich nicht erwiesen. Tatsache ist nur, dass das Paar abends heimlich lustwandelte – jedoch immer in Begleitung des Leutnants.
Seit längerem trug sich Friedrich mit Fluchtgedanken, um sich der Fuchtel seines strengen Vaters zu entziehen. Eine Reise des Vaters an den Rhein wollte der Kronprinz zur Flucht nutzen, doch der dilettantische Plan schlug fehl. Friedrich Wilhelm war einem Herzinfarkt nahe und von blinder Wut gepackt. Der Sohn wurde unter Hausarrest gestellt und der König forderte für ihn sogar die Todesstrafe. Nur durch den Protest von europäischen Fürstenhäusern wurde der Prinzenmord in Festungshaft umgewandelt. Mitwisser Katte wurde dagegen auf ausdrücklichen Befehl des Königs vor den Augen Friedrichs hingerichtet.
Auch weitere Personen aus dem Umfeld des Kronprinzen wurden verhaftet, so Leutnant von Ingersleben und seine musikalische Freundin Doris Ritter. Die 16jährige wurde in eine Arrestzelle gesteckt und mehreren Verhören unterzogen. Außerdem musste sie eine demütigende ärztliche Untersuchung über sich ergehen lassen. Obwohl hierbei ihre Unschuld (sprich Jungfräulichkeit) bewiesen wurde, fällte Friedrich Wilhelm höchstpersönlich das Urteil: „Erstlich soll dieselbe vor dem Rathaus gepeitschet werden, hernach vor des Vaters Haus, und denn auf allen Ecken der Stadt.“ Halb totgeprügelt wurde sie danach in das Spinnhaus der Festung Spandau gebracht - nach dem Willen des Königs für lebenslänglich.
Ihr Vater wurde umgehend aus dem Schuldienst entlassen und die Familie verließ fluchtartig Potsdam. In Neubrandenburg fand sie schließlich eine neue Bleibe. Die Gnadengesuche des Vaters blieben lange Zeit erfolglos. Erst 1733 - der Kronprinz war inzwischen verheiratet - hatte sich der Zorn Friedrich Wilhelms soweit geglättet, dass er Doris Ritter wieder die Freiheit schenkte.
Sie ging zu ihrem Vater nach Neubrandenburg. Nach der erlittenen gesellschaftlichen Ächtung heiratete sie fünf Jahre später den Gewürzhändler Franz Schommer, der später in Berlin „Wagenkommissarius“ wurde und die Fiaker zu beaufsichtigen hatte. Insgesamt sechs Kinder hatte die Familie.
Trotz der Nähe zu Potsdam soll es keinen erneuten Kontakt zwischen Friedrich und Doris Ritter gegeben haben. Der Lithograph und Illustrator Franz Kollarz hat zwar solch eine Begegnung in einem Holzschnitt von 1879 dargestellt, was jedoch nur künstlerische Freiheit war. Es ist aber das einzige Bildnis von Doris Ritter, die übrigens nie eine Entschädigung für die drei Schmerzensjahre in der Festung Spandau erhielt. Am 23. September 1762 starb die gebürtige Hallenserin, die ihre Heimatstadt nie wiedergesehen hatte, und wurde auf dem gerade neu angelegten Dorotheenstädtischen Friedhof begraben. Ihr Grab sucht man allerdings vergebens, es musste als letzte Ruhestätte für andere bedeutendere und prominentere Persönlichkeiten Platz machen.
(Text von 2020)
Verfasserin: Manfred Orlick
Links
Wikipedia: Dorothea Ritter
Literatur & Quellen
Wilhelm Petsch: Doris Ritter. Westermanns Monatshefte, Band 27 (1870), S. 257–262
Michael Pantenius: Grausam bestrafte Herzensfreundin: Dorothea Elisabeth (Doris) Ritter (1714–1762), Jugendliebe des preußischen Königs Friedrich II. In: Gelehrte, Weltanschauer, auch Poeten … Literarische Porträts berühmter Hallenser. Mitteldeutscher Verlag, Halle 2006, S. 80–83
Anna Eunike Röhrig: Die heimliche Gefährtin Friedrichs von Preußen. Das Schicksal der Doris Ritter. Tauchaer Verlag, Taucha 2003,
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