(Delphine Claire Belriane Seyrig )
geboren am 10. April 1932 in Beirut
gestorben am 15. Oktober 1990 in Paris
französische Schauspielerin und Feministin
90. Geburtstag am 10. April 2022
Biografie • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Alain Resnais macht sie zur rätselhaften Muse seiner Werke, seit ihrem mysteriösen Erscheinen in Letztes Jahr in Marienbad (1961) oszilliert sie „zwischen Traumschönheit und Pinterscher Grausamkeit, ihr Glühen hinter einem unterkühlen Spiel verbergend und mit einer heiseren, immer erkältet wirkenden Stimme”. (Basler Zeitung) Luis Buñuel zeigt sie in Der diskrete Charme der Bourgeoisie (1972) als die kultivierte, laszive Bourgeois, und als Frau eines Schuhhändlers verführt sie in François Truffauts Film Geraubte Küsse (1968) den jugendlichen Jean-Pierre Léaud.
Sie hat mit den erfolgreichsten Regisseuren auf der Bühne und im Film gearbeitet, sie ist die Ikone der Nouvelle Vague und der Inbegriff der schönen Frau. „Wenn Sie nie in einem Film gesehen haben, wie soll man Ihnen da ihre Wirkung im Kino erklären? Wenn sie im Blickfeld der Kamera erscheint, dann gehen die Schatten der Garbo und der Clara Bow vorüber, und man sucht an ihrer Seite Cary Grant.“ Mit Marguerite Duras dreht Seyrig 1966 La Musica und spielt 1975 in India Song die Rolle der Anne-Marie Stretter. Wie sie mit ihrem roten Haar, im rückenfreien, schwarzen, tief dekolletierten Kleid die Treppe hinabschreitet und unglaublich sanfte Blicke auf den Vize-Konsul wirft, ist atemberaubend.
Im Libanon geboren, kannte sie das „Indien“, von dem Marguerite Duras sprach. „Der Weg für mich war einfach ... Ich erzählte mir meine Geschichte, die zu deiner passte“, erinnert sich Seyrig später in einem Gespräch mit Duras. Sie arbeitet inzwischen fast ausschließlich mit weiblichen Regisseuren. Sie ist Chantal Akermans „Jeanne Dielman“ und Ulrike Ottingers „Freak Orlando“ (1981) und „Johanna D’Arc of Mongolia“ (1989). Rollen, mit denen der Gender-Trouble-Diskurs der 90er Jahre vorweggenommen wurde. „Von Marienbad bis zu den Barrikaden ist es nicht mehr dieselbe Frau. Und wenn man sein eigenes Bild zerbricht, ist es schwer, es wieder zusammenzusetzen“, kommentiert der Regisseur Claude Régy, mit dem sie am Theater gearbeitet hat.
In den 70er Jahren hat sich Delphine Seyrig dem „Mouvement de libération des femmes „ angeschlossen. Man sieht sie auf Demonstrationen und in Fernsehstudios, wo sie sich lautstark und streitbar und plötzlich in einer ganz anderen Stimmlage für die Rechte der Frauen einsetzt. Mit Simone de Beauvoir begründet sie 1974 die „Frauenliga“ als Reaktion auf die Passivität der „Menschenrechtsliga“ in Frauenangelegenheiten, und sie ist Mitbegründerin des „Centre Audiovisuel Simone de Beauvoir“, des ersten audiovisuellen Archivs, das sich der Geschichte der Frauen widmet. Inzwischen arbeitet sie auch hinter der Kamera: In Sois belle et tais-toi (1977) befragt sie 24 Schauspielerinnen aus Hollywood und Paris, unter ihnen Jane Fonda, Shirley MacLaine und Romy Schneider zu ihrer Karriere. Ein Manifest gegen die männliche Definition weiblicher Schönheit. 1990 stirbt Delphine Seyrig mit 48 Jahren an Krebs.
(Text von 2006)
Verfasserin: Susanne Gretter
Links
McNulty, Callisto. 2018. Delphine et Carole. Insoumuses. France/Switzerland. Documentary, 90 min. Trailer (English Subs)
Online verfügbar:https://www.dailymotion.com/cdn/manifest/video/x722jll.m3u8?sec=o4XdIrYo3f0UxZEYqwl_ePjtpXJUHGYTQP7MySXkPwQWYb9KhmilKTS2Z5HCwsm0C0zVWwAOxHiEZz8Hme65ig (zuletzt geprüft am 19.02.2019)
Delphine Seyrig. Centre Audioviuel Simone de Beauvoir.
Online verfügbar: http://www.centre-simone-de-beauvoir.com/?s=Delphine+Seyrig (zuletzt geprüft am 19.02.2019)
Sullivan, Chloé. TV8, Nr. 48/2002. Über „Delphine Seyrig, portrait d'une comète“.
Online verfügbar: https://www.jacquelineveuve.ch/films/055/det_de.htm#top (zuletzt geprüft am 19.02.2019)
Filmographie: Delphine Seyrig (1932-1990).
Online verfügbar: https://www.imdb.com/name/nm0786891/ (zuletzt geprüft am 19.02.2019)
Degeorges, Marion. 23.05.2016. Delphine Seyrig sur les femmes. (zuletzt geprüft am 19.02.2019)
Grob, Norbert. 26.10.1990. Delphine Seyrig. In: Die Zeit Nr. 44/1990.
Online verfügbar: Die Zeit, Archiv. https://www.zeit.de/1990/44/delphine-seyrig (zuletzt geprüft am 19.02.2019)
Hallensleben, Silvia. 08.02.2019. Nicht mehr nur schön sein und den Mund halten. Frauen im Filmgeschäft: Die Schauspielerin und Filmemacherin Delphine Seyrig fragte schon 1976 danach. Eine Hommage im Forum. In: Der Tagesspiegel.
Online verfügbar: https://www.tagesspiegel.de/kultur/hommage-an-delphine-seyrig-im-berlinale-forum-nicht-mehr-nur-schoen-sein-und-den-mund-halten/23966884.html (zuletzt geprüft am 19.02.2019)
Oppel Max im Gespräch mit Gesa Ufer und Ulla Stöckl. 14.02.2019. Deutschlandfunk Kultur. Kompressor: Berlinale-Doku “Delphine et Carole”. Videoaktivistinnen im Guerilla-Style.
Online verfügbar: https://www.deutschlandfunkkultur.de/berlinale-doku-delphine-et-carole-videoaktivistinnen-im.2156.de.html?dram:article_id=441207 (zuletzt geprüft am 19.02.2019)
Lagier, Luc. Frankreich 2018. Jean-Stephane Michaux. Camera Lucida Productions. Blow up - Worum ging's bei Delphine Seyrig. Online verfügbar bis 01.02.2021: https://www.arte.tv/player/v3/index.php?json_url=https%3A%2F%2Fapi.arte.tv%2Fapi%2Fplayer%2Fv1%2Fconfig%2Fde%2F077140-007-A%3Fautostart%3D1%26lifeCycle%3D1&lang=de_DE (zuletzt geprüft am 19.02.2019)
beryozinka. 04.07.2010. Delphine Seyrig on feminism. 1974.
Literatur & Quellen
Adler, Laure. 2000. Marguerite Duras. Eine Biographie. Aus dem Franz. von Petra Willim. Frankfurt/M. Suhrkamp.
Brange, Mireille. 2018. Delphine Seyrig. Une vie. Paris. Nouveau Monde éditions.
Bernheim, Nicole Lise. 1981. Marguerite Duras tourne un film. Paris. Editions Albatros.
Duras, Marguerite. 1984. India Song. Aus d. Frz. von Sigrid von Massenbach. Berlin. Brinkmann & Bose.
Hartwig, Susanne. Stenzel, Hartmut. 2007. Einführung in die französische Literatur- und Kulturwissenschaft. Stuttgart, Weimar. Verlag J.B. Metzler.
Haupt, Sabine. Ruf, Oliver (Hg.) 2018. Projektion & Reflexion. Das Medium Film in Kunst und Literatur. Le cinéma dans l'art et la littérature. Bielefeld. transcript Verlag.
Sobek, Daniela. 2016. Delphine Seyrig (1932-1990). In: Träumende Gesichter. Auf den Spuren weiblicher Schauspielkunst. Stuttgart. WiSa.
Veuve, Jacqueline. 2000. Delphine Seyrig. Portrait d’une comète. DVD. artfilm.
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