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geboren am 4. September 1937 in Balmain, New South Wales (Australien)
australische Schwimmerin
85. Geburtstag am 4. September 2022
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Obwohl Dawn Fraser mittlerweile über 80 Jahre alt ist und ihre sportlichen Erfolge mehr als 50 Jahre zurückliegen, gehört sie noch immer zu den populärsten Persönlichkeiten Australiens. Es ist nicht übertrieben, sie zu den großen Sportlegenden der Welt zu zählen: Sie gewann bei drei aufeinanderfolgenden Olympischen Spielen eine Goldmedaille im 100 m Freistilschwimmen, stellte insgesamt 39 Weltrekorde auf und blieb als erste Frau über 100 m Freistil unter der „Schallgrenze“ von einer Minute. 1999 wurde sie vom Internationalen Olympischen Komitee zur „Wassersportlerin des Jahrhunderts“ gewählt. Doch ihr Leben besteht nicht nur aus Goldmedaillenglanz und Scheinwerferlicht.
Als jüngstes von acht Kindern wird Dawn Fraser in Balmain geboren – heute ein Stadtteil Sydneys für die gutsituierte Mittelschicht, damals ein ArbeiterInnenvorort mit Schwerindustrie, Werften und zahlreichen Fabriken. Auch Dawns Eltern gehören der ArbeiterInnenschicht an: Mutter Rose arbeitet als Näherin in einer Kleiderfabrik und wäscht und bügelt nebenbei für alleinstehende Arbeiter in der Nachbarschaft, Vater Kenneth ist Hafenarbeiter. Dawn hat eine schwächliche Konstitution und leidet an Asthma und chronischer Bronchitis.
Die Fraser-Kinder müssen früh zum Einkommen der Familie beitragen. Dawn hilft zunächst ihrem sieben Jahre älteren Bruder Donnie, der mit dem Pferdefuhrwerk Eisblöcke für Eisschränke ausliefert. Mit sieben Jahren kümmert sie sich um die Pferde des Gemeinderats und mistet die Ställe aus. Mit neun arbeitet sie als Laufmädchen für einen Buchmacher und sammelt Pferdewetten ein. Ihr Verhältnis zur Schule ist eher distanziert, bei den LehrerInnen gilt sie als wild, frech und faul.
Zu den preiswerten – und für Dawns Asthma günstigen – Freizeitvergnügen gehören die Besuche der Balmain Baths, ein Meerwasserschwimmbad im nahegelegenen Elkington Park, das seit 1964 Dawn Frasers Namen trägt. Das engste Verhältnis hat Dawn zu Donnie, der ihr mit vier Jahren das Schwimmen beibringt und ihr Trainer wird, als sich die Möglichkeit bietet, im dortigen Schwimmclub gegen Geld um die Wette zu schwimmen. Bereits mit zehn gewinnt sie alle Rennen. Hier entdeckt der Schwimmtrainer Harry Gallagher ihr Potenzial, und ein strapaziöses Schwimmtraining beginnt. Bis zum Ende ihrer Karriere wird Gallagher ihr Trainer bleiben.
Dawn ist 13 Jahre alt, als der geliebte Bruder an Leukämie stirbt. Sie ist völlig am Boden zerstört. Jedoch nimmt sie bald das Training wieder auf und schwimmt – um ihre Gefühle zu betäuben – zweimal täglich je drei Meilen. Donnie hatte ihr das Versprechen abgenommen, das Schwimmen fortzusetzen. Mit hartem Training könne sie ein Champion werden.
Doch ihr Leben ist nicht nur vom Schwimmen bestimmt. Mit 15 Jahren beendet sie die Schule und arbeitet zusammen mit ihrer Schwester Joyce in einer Kleiderfabrik. Am Wochenende kellnert sie im Riverview Hotel, dem Stamm-Pub der ArbeiterInnen von Balmain. Um halb fünf Uhr morgens verlässt sie das Haus für das Training im kalten Wasser, um halb acht hetzt sie zur Fabrik, nach Arbeitsschluss geht es wieder zum Schwimmen. Für den Beginn einer Sportkarriere ist sie fast schon zu alt, aber zu einem Zeitpunkt, an dem andere Mädchen allmählich die Lust verlieren, dreht sie erst auf. Bei ihrem ersten Wettkampf zur Jahreswende 1953/54 gewinnt sie die 220 Yards nur eine Zehntelsekunde unter dem australischen Rekord.
Ein Jahr später begleitet sie Harry Gallagher nach Adelaide, wo er einen neuen Job als Trainer gefunden hat. Neben dem Training arbeitet Dawn als Verkäuferin in einem Warenhaus. Bei den australischen Meisterschaften Anfang 1956 schwimmt sie die 110 Yards Freistil in neuer Weltrekordzeit von 64,5 Sekunden: eine Zehntelsekunde schneller als die Niederländerin Willemijntje „Willy“ den Ouden zwanzig Jahre zuvor. Vier Tage später bricht Dawn auch den 18 Jahre alten Weltrekord über 220 Yards. Die Olympischen Spiele in Melbourne, im eigenen Land, können kommen. Die Nachbarschaft in Balmain sammelt Reisegeld, damit die Eltern Fraser ihre Tochter in Melbourne schwimmen sehen können.
Schwere Asthmaanfälle kurz vor ihrem ersten Olympiastart können ihren Siegeszug nicht stoppen: Sie gewinnt die Goldmedaille über 100 m Freistil, die Silbermedaille über 400 m Freistil hinter ihrer Landsfrau Lorraine Crapp sowie die Goldmedaille mit der 4x100 m Freistilstaffel und erzielt zwei Weltrekorde. Die 200 m Freistil sind für Frauen zu jener Zeit noch nicht olympisch.
Die Sportnation Australien hat einen neuen Star. Das Publikum liebt „our Dawnie“, ganz im Gegensatz zu den Sportfunktionären. Diese kritisieren ihren Lebensstil – sie feiert gern Partys, trinkt Bier und raucht – und ihr aufsässiges, widerspenstiges Verhalten. Dawn Fraser ist keine, die Autoritäten folgsam respektiert („niemand sagt mir, was ich zu tun habe“). So beschwert sie sich darüber, dass statt Harry Gallagher ihr ein Trainer des australischen Schwimmverbands (ASU) vor die Nase gesetzt wird. Auch ist sie wütend über die Aussage des Sekretärs der ASU, Bill Berge Phillips, die MedaillengewinnerInnen von Melbourne seien allesamt zu alt, um auch noch bei den Spielen in Rom 1960 anzutreten. Sie selbst ist der Auffassung, ihren Zenit noch gar nicht erreicht zu haben.
Zurück in Adelaide setzt sie alles daran, Berge Phillips zu widerlegen: Sie trainiert härter als je zuvor. Sie bindet die Füße zusammen, um ihren Oberkörper und die Armmuskeln zu stärken, schwimmt acht Meilen pro Tag an sechseinhalb Tagen die Woche. „Nebenbei“ der Vollzeitjob im Warenhaus. Und tatsächlich, in Rom kann sie – inzwischen „Granny“ genannt – ihren Triumph wiederholen: Sie wird erneut Olympiasiegerin mit neuem olympischen Rekord über 100 m Freistil und gewinnt zweimal Silber, mit der 4x100 m Freistil- und der 4x100 m Lagenstaffel.
Trotzdem wird sie anschließend auf unbestimmte Zeit für Auslandseinsätze gesperrt. Ihr wird vorgeworfen, sie habe sich geweigert, im Vorlauf der Lagenstaffel Delphin zu schwimmen, dabei hatte sie die Erlaubnis, an diesem Tag frei zu nehmen. Ferner habe sie bei der Siegerinnenehrung den falschen Trainingsanzug getragen. Für Dawn Fraser ein Beweis, dass die Schwimmfunktionäre ihren „Goldfisch“ nun am liebsten los würden. Für die Öffentlichkeit ist und bleibt sie eine Heldin.
Das Folgejahr 1961 ist für sie kein gutes. Ihr Vater leidet an Lungenkrebs, sodass sie kurzerhand nach Sydney fährt, um sich mit ihrer Mutter die Pflege zu teilen. Im Oktober fährt sie zurück zum Training. Nach einer Party, bei der sie vom ungewohnten Wein völlig betrunken ist, findet sie sich vergewaltigt in einem Hotelzimmer wieder. Sie wird schwanger. Ihrer Familie kann sie davon nicht erzählen. Harry Gallagher besorgt ihr eine Adresse, wo sie abtreiben lassen kann. Zu Weihnachten, sie ist kaum aus der Klinik, ist sie noch einmal bei ihrem Vater. Er stirbt zwei Tage später.
Die ASU kann auf Dauer die Sperre nicht aufrecht erhalten: Im Oktober 1962 schwimmt Dawn Fraser in Melbourne bei den Ausscheidungen für die Commonwealth Games die 110 Yards in 59,9 Sekunden, was einer 100 m-Zeit von 59,6 Sekunden entspricht. Als erste Frau der Welt hat sie damit die Minutengrenze geknackt. Im Februar 1964 verbessert sie ihren Rekord zum elften Mal: 58,9 Sekunden. „Dawn Fraser schwimmt schneller als Tarzan“, lautet die Schlagzeile in den Zeitungen. Der spätere „Tarzan“-Darsteller Johnny Weissmuller (USA) hatte bei seinem Olympiasieg 1924 in Paris 59,0 Sekunden gebraucht. Erst 1972 gelingt es der australischen Schwimmerin Shane Gould, Dawns Rekord um vier Zehntel zu verbessern.
Damit gehört Dawn Fraser auch zum Aufgebot für die Olympischen Spiele 1964 in Tokio.
Und wieder kann sie glänzen: Zum dritten Mal gewinnt sie olympisches Gold über 100 m Freistil – die Zweitplatzierte Sharon Stouder (USA) ist elf Jahre jünger als sie –, zudem Silber mit der 4x100 m Freistilstaffel. Über 400 m Freistil verpasst sie die Bronzemedaille um vier Zehntelsekunden. Sie ist damit die erste SchwimmerIn, die dreimal in Folge in derselben Disziplin OlympiasiegerIn wird. Doch Olympia in Tokio hat für sie sowohl ein Vor- als auch ein Nachspiel.
Zunächst ist fraglich, ob sie überhaupt nach Tokio reisen kann, denn acht Monate vor den Olympischen Spielen ist sie in einen Autounfall verwickelt, als sie nachts auf einen unbeleuchteten Lkw auffährt. Sie selbst, ihre Schwester Rose sowie eine Freundin werden schwer verletzt, ihre Mutter stirbt. Das ist ein großer Schock; Dawn wirft sich vor, sie habe ihre eigene Mutter umgebracht. Sie selbst muss monatelang ein Stützkorsett tragen. Nur ihre starke Nackenmuskulatur hat sie vor einem gebrochenen Genick bewahrt. Das Schwimmen will sie nun aufgeben. Doch mehr als 3000 Briefe, dazu Blumen und Geschenke ihrer Fans können sie umstimmen.
Bei den Spielen in Tokio zeigen sich wieder Dawn Frasers Eigensinn und Renitenz, die ihre Konflikte mit den Funktionären nun kulminieren lassen: Wegen des engen Terminplans sollen die SchwimmerInnen nicht an der Eröffnungsfeier teilnehmen. Dawn und drei weitere Schwimmerinnen wollen sich aber Stimmung und Flair, den „olympischen Geist“, nicht entgehen lassen und gehen trotzdem mit. Dawn weigert sich, den offiziellen Badeanzug zu tragen, weil dieser so eng sei, dass sie kaum atmen könne. Und die Spitze des Eisbergs: Mit drei Mitgliedern des australischen Hockeyteams stiehlt sie eines Nachts in der Nähe des Kaiserpalastes olympische Flaggen als Souvenir – und wird erwischt. Die Kollegen können entkommen. Auf der Polizeiwache wird ihr zunächst nicht geglaubt, dass sie die berühmte und auch in Japan verehrte Dawn Fraser ist. Als sich dies als Tatsache herausstellt, lässt ihr der Polizeikommandant am nächsten Tag Flagge samt Blumenstrauß in einem Geschenkkarton überbringen. Die australischen Offiziellen sehen die Geschichte nicht so locker. Trotzdem darf sie bei der Abschlussfeier noch die australische Fahne ins Stadion tragen.
Im Februar 1965 – Dawn ist nach ihrer Heirat mit dem Buchmacher Gary Ware am 30. Januar noch auf Hochzeitsreise – wird durch die ASU ihre zehnjährige Sperre bekannt gegeben. Dawn erfährt davon aus der Presse. Ihr wird keine Begründung gegeben, keine Gelegenheit zur Anhörung und keine Berufungsmöglichkeit. Nur so kann anscheinend eine „unkontrollierbare“, unbequeme und kritische Athletin entfernt werden. Eine empörte Öffentlichkeit, Medien und sogar etliche PolitikerInnen bezeichnen dieses Vorgehen als Skandal. Bill Berge Phillips wirft ihr außerdem vor, während der Spiele die anderen Schwimmerinnen gegen den ASU-Trainer Gathercole aufgewiegelt zu haben und noch einige Dinge mehr, „die unaussprechlich sind“. Dawn klagt – gegen die Sperre und gegen Berge Phillips. Gegen Letzteren gewinnt sie und erhält mehrere Tausend Dollar Schadenersatz, doch die Sperre gegen sie wird erst 1968 aufgehoben. Aber nun ist sie bereits zu alt, um ihre Schwimmkarriere wieder aufzunehmen. Obwohl –: Während der Olympischen Spiele in Mexiko-Stadt wettet sie mit einem Journalisten, dass sie über 100 m Freistil noch immer 62 Sekunden unterbieten kann. Sie gewinnt die Wette: Ohne nennenswertes Training schafft sie die Strecke in 60,2 Sekunden. Bei den regulären Wettkämpfen hätte sie hiermit die Silbermedaille gewonnen.
Damit geht auf spektakuläre Weise eine beeindruckende Sportkarriere zu Ende. Neben ihren acht Olympiamedaillen hat Dawn Fraser sechs Gold- und zwei Silbermedaillen bei British Empire und Commonwealth Games errungen und 39 Weltrekorde (davon elf über 100 m Freistil) aufgestellt. Sie erfährt zahlreiche Ehrungen, in ihrer australischen Heimat und international. 1960 wird sie von Königin Elizabeth auf deren Yacht Britannia empfangen; 1964 zur „Australierin des Jahres“ gewählt und 1965 in die International Swimming Hall of Fame aufgenommen. 1967 wird sie für ihre Verdienste um den Sport zur Member of the Order of the British Empire (MBE) ernannt, 1998 zur Officer of the Order of Australia (AO). Im selben Jahr wird sie zur bedeutendsten australischen Sportlerin aller Zeiten gewählt und gehört als „Person, die Australien am besten symbolisiert und repräsentiert“, zu den „Lebenden Nationalschätzen Australiens“. 1999 wird sie vom Internationalen Olympischen Komitee in der Wiener Staatsoper als „Wassersportlerin des Jahrhunderts“ geehrt. Ihr männliches Pendant ist Mark Spitz. Zu den weiteren Ausgezeichneten gehören die rumänische Turnerin Nadia Comaneci sowie der Fußballer Pelé und der Boxer Muhammad Ali.
Nach ihrem Rücktritt vom Wettkampfsport arbeitet sie zunächst als Schwimmtrainerin für Kinder und als Promoterin für Bademode mit anschließenden Autogrammstunden. Dem Leistungssport bleibt sie weiterhin verbunden. Ihre Erfahrung und ihre Tipps werden von den jungen SchwimmerInnen geschätzt. Als sich 1980 die australische Regierung dazu entschließt, den USA beim Boykott der Olympischen Spiele in Moskau zu folgen, greift Dawn den australischen Premierminister Malcolm Fraser an, die Politik solle sich aus dem Sport heraushalten, und organisiert eine große Spendenkampagne, mit deren Erlös die SportlerInnen doch nach Moskau fahren können. Daraufhin wird sie vom sowjetischen Organisationskomitee als Ehrengast nach Moskau eingeladen. Dies ist bei Weitem nicht ihre einzige Einladung als Ehrengast: 1996 in Atlanta und 2000 in Sydney gehört sie sogar zu den FackelläuferInnen, die die olympische Flamme weitertragen. Die Spiele in Peking 2008 boykottiert sie wegen der dortigen Menschenrechtsverletzungen. Sie nutzt ihre Prominenz, Doping bei den AthletInnen und Korruption bei den Funktionären des IOC anzuprangern und sich für den Behindertensport einzusetzen, v.a. für RollstuhlfahrerInnen und Betroffene von Zerebralparese.
Privat verläuft Dawn Frasers Leben weniger erfolgreich. Sie lebt wieder im Elternhaus in Sydney. Die im Januar 1965 geschlossene Ehe mit Gary Ware, aus der die Tochter Dawn-Lorraine hervorgeht, hält nur 18 Monate und wird nach vier Jahren geschieden. Gary Ware ist ein Spieler – er verzockt Geld beim Kartenspiel und Pferderennen –, geht mit anderen Frauen aus, wobei er selbst krankhaft eifersüchtig ist, und trinkt zu viel. Oft wird er dann gewalttätig. Als er eines Tages betrunken nach Hause kommt und zu dem Baby will, vertritt ihm Dawn den Weg. Er greift ihr an die Kehle. Sie aber wehrt sich, indem sie das Milchfläschchen in ihrer Hand am Treppengeländer zerbricht und ihm den Scherben an den Hals hält. Sie wirft ihn aus dem Haus und zieht ihre Tochter allein auf.
Eine weitere Beziehung zerbricht, als eine andere Frau von Dawns Freund schwanger wird. Dawn versinkt in tiefe Depressionen und wird schwere Trinkerin. Der Wendepunkt tritt ein, als sie sich klar wird, was das für ihre kleine Tochter bedeutet, um die sich bisher hauptsächlich ihre Schwester Joyce kümmert. Dawn ist nun zwar noch häufig im Riverview Hotel bei den alten Freunden, arbeitet aber wieder als Schwimmtrainerin am Botany Pool. Als eines Tages ein polnischer Seemann im Riverview auftaucht und Getränke aufs Schiff bestellt, ist Dawn so hilfsbereit, die Auslieferung zu übernehmen. Kaum hat sie die Kisten in der Kajüte abgestellt, verschließt der Seemann die Tür, hält ihr ein Messer an den Hals und zwingt sie sich auszuziehen. Vier Stunden ist sie dem Kerl ausgeliefert, bis endlich die Polizei, alarmiert von Dawns besorgten Freunden, die Tür aufbricht.
Joy Cavill, die bereits während der Olympischen Spiele in Tokio einen Dokumentarfilm über Dawn Fraser gedreht hat, will nun auch einen Spielfilm über ihr Leben machen. Während der Arbeiten am Drehbuch Anfang der 70er Jahre kommen sich die Beiden näher, und es entwickelt sich eine Beziehung. Dawn fühlt sich geborgen und wohl mit Joy, aber niemand – weder ihre Familie noch die Gay Community von Sydney – darf davon wissen. Als der Film Dawn! 1979 Premiere hat, ist die Beziehung bereits beendet.
Auch beruflich kehrt keine Ruhe in Dawns Leben ein. Als 1974 ihr Vertrag mit dem Botany Pool nicht verlängert wird, arbeitet sie zunächst zwei Jahre für einen Hersteller von Swimming Pools und eröffnet anschließend mit ihrer neuen Lebenspartnerin ein Geschäft für Käsespezialitäten. Als ihr das Riverview Hotel zur Pacht angeboten wird, greift sie sofort zu. Das bedeutet einen 20-Stunden-Tag, und trotzdem kommt sie nicht aus den roten Zahlen heraus. Hieran zerbricht auch ihre Beziehung. Dann hat sie noch einen Unfall, als sie nach dem Aufwischen durch die geöffnete Kellerluke drei Meter tief fällt. Wieder bewahren sie ihre noch immer kräftigen Nackenmuskeln vor dem Genickbruch. Schließlich geht sie mit der Kneipe bankrott und muss einen Berg Schulden abbezahlen.
1988 wird Dawn Fraser als unabhängige Abgeordnete „ihres“ Wahlkreises Balmain ins Parlament von New South Wales gewählt. In ihren Reden und Anträgen vertritt sie ihre WählerInnen und ist jederzeit für diese zu sprechen. Aber sie versteht nicht oder will nicht verstehen, dass Politik auch Absprachen, Kompromisse und „Kungeleien“ bedeutet. Die Labour Party, der sie den Sitz abgenommen hatte, setzt sich dafür ein, dass der Wahlkreis neu zugeschnitten wird, sodass Dawns Engagement nach drei Jahren beendet ist.
Ihr anstrengendes Leben hinterlässt Spuren: 1996 erleidet sie zwei Herzinfarkte, zwei Jahre später wird Diabetes diagnostiziert. Aber ihr Leben wird trotzdem nicht ruhiger. Sie ist Schirmherrin verschiedener Behindertensportorganisationen, Präsidentin des lokalen Rugbyclubs Balmain Tigers, spielt ambitioniert Golf, kümmert sich um ihren 2003 geborenen Enkel Jackson, ist noch immer gefragter Gast für Interviews und in Fernsehshows und stets für eine Schlagzeile gut. So wird sie 2015 als „Rassistin“ beschimpft, da sie sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen in Australien ausspricht und den Tennisspielern Nick Kyrgios und Bernard Tomic empfiehlt, dorthin zu gehen, woher ihre Eltern kamen, nachdem diese sich in Wimbledon völlig daneben benommen hatten.
Australiens Liebling bleibt unberechenbar.
(Text von 2018)
Verfasserin: Christine Schmidt
Zitate
Seht euch doch diese Spitzenschwimmerinnen von heute an! Mit 14 oder 15 werden sie gejagt und gedrillt, mit 16 werden sie große Klasse, aber mit 18 haben sie die Nase voll und hören auf. Ich dagegen schwimme und siege auch noch mit 27 Jahren! (1964)
Ich bin keine Heilige Johanna im Schwimmerdress. (1965)
Viele Funktionäre und Betreuer wohnen in einem Elfenbeinturm, von den Sorgen und Nöten der Athleten haben sie nicht die geringste Ahnung. Wie soll die Sportjugend Vertrauen zum Willen der älteren Generation haben, wenn sie von oben herab arrogant und verständnislos behandelt wird? (1965)
Wenn du das höchste Niveau erreichen willst, musst du ehrgeizig sein, und ich war sehr, sehr ehrgeizig. (2001)
Du fährst nicht zu Olympia, um den Blazer zu tragen. Du fährst dahin, um zu gewinnen, und das bedeutet zu schwimmen, als ob dein Leben davon abhinge. (2001)
Ich habe keine einzige Minute lang meine Zeit im Parlament bedauert. Tatsächlich waren das drei der interessantesten Jahre meines Lebens. Das Problem war nur, als ich endlich verstand, wie alles funktioniert, war es schon vorbei. (2001)
Berge Phillips sagte hinter seinem lederbezogenen Schreibtisch, „du wirst nie für Australien schwimmen, weil du aus Balmain bist“. Und ich stand auf, schlug auf den Tisch und sagte, „das werde ich sehr wohl.“ Ich glaube, das war der Auslöser, dass ich immer gegen die Obrigkeit rebelliert habe. (2007)
Ich glaube, ich bin zweigleisig. Ich erfreue mich wirklich an der Gesellschaft einer Frau – sie gibt mir die Geborgenheit, die ich brauche. Da war nie Missbrauch, keine Gewalt – es war nur schön. (2014)
Ich finde nicht, dass wir unausgebildete Arbeiter reinlassen sollten. Ich finde, wir sollten uns um diejenigen kümmern, die schon hier sind. Ich meine, sehen Sie sich unsere Wasserreserven an! Wir haben keine. (2015)
Wir AustralierInnen lieben „unsere Dawn“. Ihr unglaublicher Erfolg allein hat schon dafür gesorgt. Aber sie gehörte auch zum „Pöbel“. Sie war schon ein bisschen eine Rowdy, die Autoritäten eine lange Nase drehte und nach Abenteuern suchte, wo immer sie sie finden konnte. (Ian Thorpe, fünffacher Olympiasieger im Schwimmen, 2008)
Links
Dawn Fraser : Olympic Gold Medallist : Official Site.
Online verfügbar unter http://www.dawnfraser.com.au/, zuletzt geprüft am 22.02.2018.
About Dawn Fraser.
Online verfügbar unter https://aboutdawnfraser.weebly.com/about.html, zuletzt geprüft am 22.02.2018.
AllDownUnder.com: Dawn Fraser, The Girl from Balmain.
Online verfügbar unter http://alldownunder.com/australian-aussies/dawn-fraser.htm, zuletzt geprüft am 22.02.2018.
WebCite®-Archivfassung: http://www.webcitation.org/6xPsv9Gl9.
Dawn Fraser: Viele Freunde. DER SPIEGEL 11/1965.
Online verfügbar unter http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46169743.html, zuletzt geprüft am 22.02.2018.
Dawn Fraser: Großmutter für Tokio. DER SPIEGEL 14/1964.
Online verfügbar unter http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46173405.html, zuletzt geprüft am 22.02.2018.
Halloran, Jessica (2014): ›Touch my baby and I’ll kill you‹. The Daily Telegraph, Nov 29, 2014.
Online verfügbar unter https://www.dailytelegraph.com.au/news/nsw/dawn-frasers-threat-to-violent-husband-touch-my-baby-and-ill-kill-you/news-story/312f09ed4252af4ce6e727da4b507c89?nk=bb0a340fbe18712855160957384225fb-1519285062, zuletzt geprüft am 22.02.2018.
WebCite®-Archivfassung: http://www.webcitation.org/6xPthGU4S.
IOC: Dawn Fraser – Olympic Swimming | Australia. Mit Galerie.
Online verfügbar unter https://www.olympic.org/dawn-fraser, zuletzt geprüft am 22.02.2018.
WebCite®-Archivfassung: http://www.webcitation.org/6xPsYoblj.
Lee, Sally (2015): Life of Dawn Fraser who's seen as Australia's greatest-ever Olympian. Mail online, 7 July 2015.
Online verfügbar unter http://www.dailymail.co.uk/news/article-3151730/Four-Olympic-Golds-career-ended-stole-flag-foray-politics-anti-immigration-views-life-Australia-s-greatest-Olympian-never-ventured-far-controversy.html, zuletzt geprüft am 22.02.2018.
Munzinger Biographie: Dawn Fraser. Artikelzugang kostenpflichtig!
Online verfügbar unter https://www.munzinger.de/search/go/document.jsp?id=01000001149, zuletzt geprüft am 22.02.2018.
National Library of Australia: Fraser, Dawn (1937-) - People and organisations.
Online verfügbar unter https://trove.nla.gov.au/people/472833?c=people, zuletzt geprüft am 22.02.2018.
Who is Dawn Fraser? Everything You Need to Know.
Online verfügbar unter https://www.thefamouspeople.com/profiles/dawn-fraser-1200.php, zuletzt geprüft am 22.02.2018.
WebCite®-Archivfassung: http://www.webcitation.org/6xPrzAxEA.
Literatur & Quellen
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Fraser, Dawn (2013): What I learned along the way. Chatswood, N.S.W. New Holland. ISBN 9781742574776.
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Fraser, Dawn; Gordon, Harry (1965): Gold medal girl. The confessions of an Olympic champion. Auch unter dem Titel: Below the surface. Melbourne. Lansdowne Press.
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Fraser, Dawn; Murdoch, Lesley Howard (1991): Our Dawn. A pictorial biography. Birchgrove N.S.W. Sally Milner Publishing. ISBN 1863510451.
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Gordon, Harry; Fraser, Dawn (1979): Dawn Fraser. Melbourne. Circus Books. ISBN 0868260347.
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Jackson, Ian; Jackson, Ian S. (2001): Dawn Fraser. Rev. Ookleigh Vic. Cambridge University Press. (Livewire real lives) ISBN 0521776317.
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Kamper, Erich; Soucek, Herbert (1991): Olympische Heroen. Portraits und Anekdoten von 1896 bis heute. Darin: Dawn Fraser. S. 190–192. Erkrath. Spiridon-Verl. (Edition Spiridon) ISBN 3922011209.
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Sedunary, Anthony (1996): Dawn Fraser. Australian swimming legend. Port Melbourne Vic. Reed Library-Cardigan Street. (Makers and shakers) ISBN 1863917136.
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