Biographien Charlotte von Schiller
(Charlotte Louise Antoinette von Schiller, geb. von Lengefeld)
geboren am 22. November 1766
gestorben am 9. Juli 1826
deutsche Schriftstellerin, Ehefrau des Dichters Friedrich von Schiller, Schwester der Schriftstellerin Caroline von Wolzogen
255. Geburtstag am 22. November 2021
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Lange wurde sie als etwas biedere Mustergattin des berühmten Dichters abgetan. Aber zunehmend tritt Charlotte von Schiller aus den Schatten ihres Mannes und ihrer bekannteren Schwester heraus, um selbst als begabte, kreative Frau anerkannt zu werden. Und obgleich ein Großteil des heutigen Interesses an den beiden Schwestern sich auf das romantische Dreieck mit dem leidenschaftlichen Dichter konzentriert (wie z.B. 2014 im Film Die geliebten Schwestern von Dominik Graf), widmet sich die Forschung doch auch ihrer schriftstellerischen Tätigkeit (Gaby Pailer, Charlotte Schiller: Leben und Schreiben im klassischen Weimar, 2009). Als passionierte Leserin deutscher und fremder Literaturen war sie auch ein typisches Beispiel für viele intellektuelle Frauen, adlige wie bürgerliche, im Deutschland des späten 18. Jahrhunderts.
Charlotte war die jüngere Tochter von Carl Christoph von Lengefeld, Oberforstmeister am Hof von Schwarzburg-Rudolstadt, und Luise von Wurmb. »Lotte« und Schwester Caroline (1763-1847) bekamen eine für Mädchen ungewöhnlich gute Ausbildung, lasen gern und spielten draußen; besonders Lotte erkundete gern die Landschaft um ihr Gut nahe der schläfrigen Residenzstadt.
1775 starb der Vater, und Mutter und Töchter fanden sich bald in finanzieller Not. Pflichtbewusst rettete die 16-jährige Caroline die Familie durch eine von der Mutter arrangierte Verlobung mit dem wohlhabenden Rudolstädter Regierungsrat von Beulwitz, den sie zwei Jahre später heiratete, ohne ihn zu lieben. Die »Chère mère« nahm eine Stellung als Hofdame und Erzieherin am Rudolstädter Hof an und erhoffte für Charlotte eine ähnliche Position am nahegelegenen Hof von Sachsen-Weimar, wo deren Patin, Goethes langjährige Geliebte Charlotte von Stein, Hofdame war.
Charlotte fand das Hofleben eher langweilig und verbrachte ihre Zeit lieber am Schreibtisch. Ihr Briefwechsel mit Knebel, einem älteren Verehrer am Weimarer Hof, zeigt sie als hochintelligente junge Frau mit selbständigem Geist and klugen Ansichten. Sie las und kommentierte griechische und römische Klassiker in Übersetzung, biographische und geographische Berichte, Schriften über alte und neuere Geschichte sowie Romane und Gedichte ihrer Zeit.
Charlotte und Caroline erfuhren im Dezember 1787 eine unerwartete Wendung ihres Lebens, als der feurige junge Dichter Friedrich Schiller zusammen mit ihrem Vetter, Schillers Schulfreund Wilhelm von Wolzogen, überraschend in Rudolstadt auftauchte. Von den geistreichen Schwestern sofort angezogen, verliebte Schiller sich bald in beide, die ebenfalls von ihm begeistert waren. Vom Frühling bis zum Herbst 1788 verbrachten sie eine glückliche Zeit zusammen, und ein Jahr später hatte Caroline die Idee, Schiller sollte Charlotte heiraten. So könnten alle immer vereint bleiben – mochten vor allem Schiller und Caroline gedacht haben. In einem bemerkenswerten Brief versucht Schiller, die zweifelnde Charlotte zu überzeugen, dass seine Liebe zu Caroline ihr nichts von seiner Liebe nehme; die ältere Schwester, schreibt er, habe zwar
mehr Empfindungen in mir zur Sprache gebracht als Du meine Lotte – aber ich wünschte nicht um alles, … daß Du anders wärest als Du bist. Was Caroline vor Dir voraus hat, mußt Du von mir empfangen; Deine Seele muß sich in meiner Liebe entfalten, und mein Geschöpf mußt Du seyn… (zit. in Pailer 73)
Wie Pygmalion will er eine Frau, die er selbst formen kann. Tatsächlich sollten Charlottes absolute Hingabe an ihren Mann und sein Wohlergehen, ihr ruhiges Temperament und ihre praktischen Fähigkeiten sie zu einer viel geeigneteren Partnerin werden lassen als die leidenschaftliche und fordernde Caroline hätte sein können.
Trotz Schillers bürgerlichen Status’ und seiner mageren finanziellen Aussichten heiratete ihn Charlotte am 22. Februar 1790. Die beiden wohnten zuerst in gemieteten Zimmern in Jena, wo der Bräutigam nun eine (praktisch unbesoldete) Stellung als außerordentlicher Professor für Philosophie und Geschichte innehatte. Die frischgebackene Ehefrau konnte verhindern, dass auch Caroline ein Zimmer im Haus erhielt. 1793 gebar Charlotte ihr erstes Kind, Karl. Sie sollten noch einen Sohn und zwei Töchter bekommen: Ernst (1796), Caroline (1799) and Emilie (1804). Schwester Carolines Ehe mit Beulwitz wurde 1794 geschieden, sie heiratete ihren Vetter von Wolzogen und eröffnete in Weimar einen Salon.
1794 begann Schillers fruchtbare literarische Freundschaft mit Goethe; fünf Jahre später zogen er und Charlotte nach Weimar. Trotz ihrer Beanspruchung durch Haushalt und Kinder, trotz ihrer eigenen und Schillers schwerer Krankheiten hatte Charlotte als intellektuelle Partnerin und Sekretärin ihres Mannes einen wichtigen Anteil an seinem Werk. Sie schrieb auch selbst und übersetzte Erzählungen, die dann – anonym – in seinen und anderen Zeitschriften erschienen.
Nach 14 Jahren ständiger Krankheiten starb 1805 der erst 45-jährige Dichter. Charlottes Leben nach seinem Tod drehte sich um die Erziehung und Förderung ihrer Kinder, um die Pflege von Schillers Vermächtnis und seine Feier als großer Dichter. Sie unterhielt enge Beziehungen zur Hofgesellschaft und mit literarischen Persönlichkeiten wie Goethe, schrieb aber auch selbst und blieb immer interessiert an neueren literarischen Entwicklungen. Charlotte Schiller starb 1826 an den Folgen einer Augenoperation.
Verfasserin: Joey Horsley
Zitate
Denn ich muß gestehen, daß Ihr, Humboldts, Göthe und meine Frau die einzigen Menschen sind, an die ich mich gern erinnre wenn ich dichte und die mich dafür belohnen können, denn das Publicum, so wie es ist, nimmt einem alle Freude.
(Schiller an seinen Freund Körner, zit. in Pailer 98).
Links
Das Schillerhaus in Rudolstadt: Charlotte von Lengefeld. Online verfügbar unter http://www.schillerhaus-rudolstadt.de/cms/website.php?id=/de/museum/rundgang/charlotte_von_lengefeld.htm, abgerufen am 23.06.2016.
Deutsche Nationalbibliothek: Schiller, Charlotte von. Publikationen. Online verfügbar unter https://portal.dnb.de/opac.htm?method=simpleSearch&query=118754971, abgerufen am 23.06.2016.
Friedrich Schiller Archiv: Schiller-Briefe an Charlotte von Lengefeld. Online verfügbar unter http://www.friedrich-schiller-archiv.de/briefe/briefe-an-charlotte-von-lengefeld/, abgerufen am 23.06.2016.
Hage, Volker: Liebhaber Schiller: Der Mann, dem eine Schwester nicht genug war. Aus: Vom Feuerkopf zum Klassiker. Online verfügbar unter http://www.spiegel.de/kultur/literatur/liebhaber-schiller-der-mann-dem-eine-schwester-nicht-genug-war-a-660390.html, abgerufen am 23.06.2016. WebCite®-Archivfassung: http://www.webcitation.org/6iV4lakDU
IMDb: Die geliebten Schwestern (2014). Spielfilm (2014). Online verfügbar unter http://www.imdb.com/title/tt2790236/?ref_=fn_al_tt_1, abgerufen am 24.06.2016.
Rodovid DE: Charlotte Luise Antoinette von Lengefeld (Schiller) b. 22 November 1766 −. Eintrag im Stammbaum-Wiki. Online verfügbar unter http://de.rodovid.org/wk/Person:274196, abgerufen am 23.06.2016.
Schlönbach, Arnold (1855): Schiller’s Frau. In: Die Gartenlaube, Heft 19–20, S. 245–248; 263–265Wikisource. Online verfügbar unter https://de.wikisource.org/wiki/Schiller%E2%80%99s_Frau, abgerufen am 23.06.2016.
Thueringen-Lese: Charlotte Luise Antoinette von Lengefeld, verheiratete von Schiller. Online verfügbar unter http://www.thueringen-lese.de/index.php?article_id=475, abgerufen am 24.06.2016. WebCite®-Archivfassung: http://www.webcitation.org/6iV4bBUFt
Literatur & Quellen
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Werner, Charlotte Marlo (2004): Friedrich Schiller und seine Leidenschaften. Düsseldorf. Droste. ISBN 3-7700-1164-3. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Wychgram, Jakob (2016): Charlotte von Schiller. Paderborn. Salzwasser Verlag. ISBN 978-3-8460-1598-8. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Zobeltitz, Hanns von (2012): Charlotte von Schiller. 1., Nachdruck des Originals von 1907. Paderborn. outlook Verlag. ISBN 9783864038235. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
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