(Baroness Catherine Margaret Ashton of Upholland)
geboren am 20. März 1956 in Upholland, Lancashire, England
britische Labourpolitikerin, erste »EU-Außenministerin«
65. Geburtstag am 20. März 2021
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen • Bildquellen
Biografie
»Ich bin kein wandelndes Ego, aber verhandeln kann ich.« So beschrieb sich Catherine Ashton, als sie 2009 zur ersten EU-Außenbeauftragten ernannt wurde. Dieses hohe politische Amt war ihr nicht in die Wiege gelegt worden. Aufgewachsen in dem Dorf Upholland als Tochter eines aus einer Bergarbeiterfamilie stammenden Bauingenieurs, war sie die erste Frau in ihrer Familie, die studierte.
Frühe politische Erfahrungen machte sie in der britischen Friedensbewegung gleich nach ihrem Soziologiestudium in London. Zwei Jahre lang organisierte sie die Protestmärsche und Aktionen der Kampagne für nukleare Abrüstung (CND), die den Abzug der US-amerikanischen Atomraketen und den Austritt Großbritanniens aus der NATO forderte. Danach wurde sie zur Schatzmeisterin und Vizepräsidentin der Organisation gewählt. Dieses Engagement für die Friedensbewegung brachte ihr später den Beinamen »Baroness of the barricades« und heftige Kritik von konservativer Seite ein, die sie in die Nähe der kommunistischen Partei stellte und alte, nie belegte Gerüchte wieder aufwärmte, wonach der CND von der Sowjetunion finanziell unterstützt worden sei.
In den 1980er Jahren arbeitete Ashton überwiegend im sozialpolitischen Bereich. So war sie von 1983 bis 1989 Direktorin der neugegründeten Organisation »Business in the Community«, die das soziale Engagement von Unternehmen in einer Zeit der Massenarbeitslosigkeit und Rassenunruhen förderte.
1988 heiratete sie den Journalisten und heutigen Präsidenten des Online-Umfrageinstituts YouGov Peter Kellner, der drei Kinder in die Ehe brachte. Ihr gemeinsamer Sohn Robert Peter wurde 1989, die Tochter Rebecca Clare 1992 geboren. Während ihre Kinder klein waren, war sie vor allem freiberuflich als politische Beraterin tätig. Von 1998 bis 2001 leitete sie die Gesundheitsbehörde der Grafschaft Hertfordshire sowie den Trägerverein der Schule ihrer Kinder. Schon seit dieser Zeit verband sie und ihren Mann eine Freundschaft mit den Blairs.
1999 wurde Ashton von Premierminister Tony Blair in den Adelsstand auf Lebenszeit erhoben und Mitglied des Oberhauses. Von 2001 bis 2006 war sie parlamentarische Staatssekretärin, u.a. im Bildungsministerium, wo sie sich sehr erfolgreich um das Sure Start Programm für sozial benachteiligte Kinder kümmerte. Zu ihren Aufgaben im Justizministerium gehörten neben Menschenrechts- und Gleichstellungsfragen auch schon Kontakte zur EU.
Ihre Arbeit fand von den unterschiedlichsten Seiten offizielle Anerkennung. So wurde sie 2005 nicht nur zur Ministerin des Jahres, sondern auch zum Oberhausmitglied des Jahres gekürt. 2006 wählte Stonewall, die britische Lesben- und Schwulenorganisation, sie für ihren Einsatz für Antidiskriminierungsgesetzgebung zur Politikerin des Jahres.
Auch Gordon Brown, Blairs Rivale und Nachfolger, schätzte sie und ernannte sie 2007 zur Lordpräsidentin des Privy Council. Als Vorsitzende des Oberhauses war sie Mitglied in seinem Kabinett, und es gehörte zu ihren Aufgaben, die Gesetze der Labour-Regierung durch das Oberhaus zu bringen, was ihr sogar bei dem heftig umstrittenen Lissabonner Vertrag gelang. Damit leistete sie einen wichtigen Beitrag zur Ratifizierung des EU-Reformvertrages.
Ein Jahr später wurde sie dann zur EU-Außenhandelskommissarin ernannt. In kürzester Zeit arbeitete sie sich ein und erreichte schnell ein besseres Verhältnis zu dem wichtigen Handelspartner USA. Auch gelang ihr endlich die Unterzeichnung des Freihandelsabkommens mit Südkorea, in dem der Abbau von 97 Prozent der Zölle innerhalb von fünf Jahren und damit der Wegfall von 1,6 Milliarden Euro Einfuhrzöllen für europäische Waren beschlossen wurde.
Ihre Ernennung zu dem mit dem Lissabonner Vertrag neugeschaffenen und hoch dotierten Posten der Hohen Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik im November 2009 kam überraschend. Ashton gilt als eher zurückhaltend und ist keine charismatische Politikerin. Auch brachte sie nicht so viel außenpolitische Erfahrung mit.
Besonders zu Anfang musste sie sich heftiger, oft auch gehässiger Kritik erwehren. »Aschenputtel mit Jetlag«, wie der Spiegel titelte, ist eine milde, wenn auch typische Variante. Immer wieder geht es dabei um ihre Kompetenz und die Tatsache, dass sie eine Frau ist. Sie scheint mit dieser Kritik gelassen umzugehen. Die Frage, wie sie sich bei der Sitzung des Rates der EU-Außenminister als einzige Frau unter 27 Männern gefühlt habe, kommentierte sie mit »What does it matter. I was in charge.« (Das ist unwichtig. Ich hatte ja den Vorsitz.)
Die Aufgabe der EU-Außenbeauftragten ist komplex und wurde bisher von drei verschiedenen Personen wahrgenommen. So ist sie gleichzeitig die Außenkommissarin und Vizepräsidentin der Kommission sowie die Vorsitzende des Rates der EU-Außenminister. Dem Ziel, dass die EU »mit einer Stimme« in der Außenpolitik sprechen solle, stehen die oft divergierenden Sonderinteressen der einzelnen EU-Staaten entgegen. Von Konkurrenzgerangel belastet sind auch der Aufbau und die Leitung des ausgeweiteten diplomatischen Dienstes der EU. Dazu kommt, dass Ashton pro Jahr über 500.000 Flugkilometer zurücklegen muss, ohne dass ihr ein eigenes Flugzeug zur Verfügung gestellt wird.
Ashton setzt bei ihrer schwierigen Arbeit auf »stille Diplomatie«. Hochintelligent und zäh, ist sie eine meisterhafte Vermittlerin, was zu Erfolgen z.B. bei den Verhandlungen mit Serbien um den Kosovo oder auch bei der Durchsetzung des EU-Sonderbeobachterstatus bei der UN geführt hat. Ihr Verhältnis zu der US-Außenministerin Hillary Clinton scheint ausgesprochen persönlich und gut zu sein. In einem Interview von 2010 sprechen beide nicht nur von ständiger enger Zusammenarbeit, sondern sogar von einer gewissen Arbeitsteilung.
2011 hat sich Ashton besonders in der Frage des palästinensischen Staates und der Demokratiebewegungen in Tunesien, Ägypten und Libyen engagiert. In einem Kommentar für den Guardian erklärte sie, dass es keine demokratischen Grundrechte ohne Frauenrechte geben könne. So hat sie, als sie das neue Verbindungsbüro der EU in Bengasi eröffnete, auch eine Rede zur Unterstützung der Frauenrechte beim libyschen »Women’s Rights Forum« gehalten. Bei der Veranstaltung »Frauen und politische Teilnahme« im Rahmen der UN Vollversammlung am im September 2011 betonte sie, wie wichtig es sei, dass Frauen anderen Frauen den Weg ebnen und ihnen helfen, die Karriereleiter hochzusteigen. Ihr eigenes Kabinett ist mehr als paritätisch zugunsten von Frauen besetzt.
Verfasserin: Gabriele Koch
Zitate
When I talk about quiet diplomacy, this does not necessarily mean that I myself am very quiet, my interest is in outcomes. Sometimes loudness doesn't work.
(Ashton, January 2010, Quelle)
Die harsche Missbilligung der europäischen Außenbeauftragten hält einer objektiven Betrachtung allerdings nicht stand. Mal wird Ashton vorgeworfen, reaktiv zu handeln und somit immer zu spät zu kommen; wenn sie dagegen aktive Initiative zeigt, unterstellt man ihr Geheimdiplomatie. […] Erfolge wie die koordinierte Hilfe für Haiti, die Vermittlung zwischen Serbien und dem Kosovo oder die Einrichtung des Europäischen Auswärtigen Dienstes […] werden in ihrer Bilanz von den Beobachtern gern unterschlagen. Misserfolge werden oft zu Unrecht der Hohen Vertreterin angelastet. […] Insgesamt sind die derzeitigen Probleme weniger ein in der Personalie Catherine Ashtons liegendes als ein strukturelles Problem, das in der Konstruktion der neuen Position begründet ist. Im kräftezehrenden Spagat zwischen zwei Institutionen und immer angewiesen auf die Unterstützung durch die Mitgliedsstaaten kann der erhoffte Mehrwert des ›Hohen Vertreters 2.0‹ sich schnell in Luft auflösen…
(Carolin Rüger. »Standpunkt: Catherine Ashton kann nur mit Europas Regierungen stark sein.« 27.06.2011. Quelle)
Literatur & Quellen
Müller-Brandeck-Bocquet, Gisela und Rüger, Carolin (Hg.) (2011): The High Representative for the EU Foreign and Security Policy – review and prospects. Baden-Baden. Nomos-Verl. (Staatlichkeit und Governance in Transformation, 1) ISBN 978-3-8329-6002-5. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Ashton, Catherine: Women are essential to democracy. In regions beset by war and revolutionary change, women's rights must be safeguarded for the good of the many. guardian.co.uk, 23.04.2011. (Link aufrufen)
Davie, Edward (2007): Baroness of the barricades. In: The House Magazine, 1233, 15.10.2007. (Link aufrufen)
European External Action Service: Catherine Ashton – Vice President of the European Commission. Profile, Hearing, Declaration of interests, My team, Mandate, Media Gallery. Mit Links zu weiterführenden Informationsseiten. (Link aufrufen)
Fuchs, Cornelia (2009): EU-Außenministerin: Europas neue starke Frau. stern.de, 20.11.2009. (Link aufrufen)
Mavaddat, Fariba: Catherine Ashton – time to put pressure on Syria. Interview. Euronews, 02.11.2011. (Link aufrufen)
Mayr, Walter (2010): Aschenputtel mit Jetlag. Der Spiegel 10/2010, 08.03.2010. (Link aufrufen)
Revel, Alice (2009): Catherine Ashton… In a Nutshell. Running in Heels, 22.11.2009. (Link aufrufen)
Rüger, Carolin (2011): Standpunkt: Catherine Ashton kann nur mit Europas Regierungen stark sein. (Zu) hohe Erwartungen an die Hohe Vertreterin? EurActiv.de, 27.06.2011. (Link aufrufen)
Schult, Christoph (2011): Wahlen in wenigen Wochen. Die Hohe Vertreterin der EU für Außenpolitik, Catherine Ashton, 54, über den Rücktritt von Präsident Mubarak und die Kritik an ihrer Amtsführung. Der Spiegel 7/2011, 14.02.2011. (Link aufrufen)
The EU After Lisbon. Charting the EU Course. A Conversation with Baroness Catherine Ashton (2011). In: The Fletcher Forum of World Affairs, vol. 35:1, Winter 2011, S. 5-9. (Link aufrufen)
Wikipedia (engl.): Catherine Ashton. Umfangreicher als Eintrag in der deutschen Wikipedia. (Link aufrufen)
Winter, M. (2010): EU-Außenbeauftragten Ashton – Einsame Kämpferin in Brüssel. sueddeutsche.de, 03.03.2010. (Link aufrufen)
Bildquellen
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