geboren am 3. September 1938 in London
britische Dramatikerin
85. Geburtstag am 3. September 2023
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
1983 – drei Stücke von Caryl Churchill laufen gleichzeitig an drei New Yorker Theatern – eine Sensation.
Churchill schreibt schon seit 20 Jahren Radio- und Fernsehstücke, als ihr 1979 mit Cloud Nine (deutsch: Siebter Himmel) der Durchbruch im Theater gelingt. Das Stück - über koloniale und sexuelle Unterdrückung und den Zusammenhang zwischen beiden - wird vom Publikum begeistert aufgenommen und von den Kritikern bemäkelt. In den USA avanciert Churchill zur gefeierten Dramatikerin; in London tut man sich zunächst etwas schwer mit ihr.
Churchill wächst im Lake District auf, später emigriert die Familie nach Kanada. Sie kehrt nach England zurück, um in Oxford an der Lady Margaret Hall, dem ersten College, das Frauen zum Studium zuließ, Englisch zu studieren, schreibt gleichzeitig Stücke für studentische Theatergruppen und gewinnt 1958 ihren ersten Preis. Seit 1961 ist sie mit einem Rechtsanwalt verheiratet und hat mit ihm drei Söhne.
Cloud Nine entsteht, wie andere Stücke, in Zusammenarbeit mit der Theatergruppe „Joint Stock“. Der Text entwickelt sich innerhalb eines Workshops, in dem sich die Teilnehmerinnen (u. a. auch die Hausmeisterin des Probenraumes) über ihre sexuellen Erfahrungen austauschen. Churchill schreibt das Stück während der Proben und sogar noch während der ersten Vorstellungen mehrfach um. Durch diese Nähe und Direktheit sind ihre Charaktere vielschichtig und faszinierend. Sie beschäftigt sich mit historischen Themen und vermischt sie mit Aktuellem, wobei ihre Stücke aus vielen losen Szenen zu bestehen scheinen. Durch diese unkonventionelle Dramaturgie wirken die von ihr verarbeiteten politischen und sozialen Themen authentisch. Sie bringt Wünsche und Sehnsüchte auf die Bühne, besonders von solchen Menschen, die nicht in der Lage sind, sich ihre Sehnsüchte zu erfüllen, weil sie an sozialen und politischen Strukturen scheitern. Und natürlich sind die meisten davon Frauen.
In Top Girls (ihrem im deutschsprachigen Raum erfolgreichsten Stück), nur weiblich besetzt, feiert die Hauptfigur mit fünf historischen Frauen während eines Abendessens ihre Beförderung zur Direktorin. Es geht um die zwei Seiten des Erfolgs:
Ich wollte ein Stück schreiben über die Schwierigkeiten von Frauen, erfolgreich zu sein und gleichzeitig über die Fragwürdigkeit dieses Erfolges in einer Gesellschaft, in der Leute, die es nicht schaffen, abgeschrieben werden.
Churchill sieht einen Feminismus, bei dem es darum geht, dass Frauen ebenso viele Führungspositionen besetzen wie Männer, kritisch. Muss sich der Feminismus an männlichen Werten orientieren? Wieso muss man Menschen kategorisieren?
Churchills Stücke sind weiblich im Sinne von anders. Sie sind emotional, ohne sentimental, sensibel, ohne innerlich zu sein; indem Churchill Frauen ganz selbstverständlich als Thema setzt, macht sie klar, dass dieses Thema so selbstverständlich nicht ist.
(Renate Klett in Theater heute).
2002 schreibt sie ihr Stück A Number über das menschliche Klonen und gewinnt damit den „Evening Standard Award for Best New Play“. A Number wird unter dem Titel Die Kopien 2003 in Deutschland uraufgeführt und vom Deutschlandradio als Hörspiel bearbeitet. Churchill zieht das Thema weg von Kommissionen und Ethik-Räten auf die Ebene eines Familiendramas: Ein junger Mann erfährt bei einer Untersuchung im Krankenhaus, dass er nicht – wie bisher angenommen – der einzige Sohn seines Vaters ist, sondern einer von verschiedenen Klonen. Der Vater war mit seinem Sohn nicht zufrieden. Um ein besseres „Ergebnis“ zu erzielen, ließ er eine Klon-Kopie herstellen. Nun stehen sich Vater und Sohn in einem Generationenkonflikt gegenüber.
In den letzten Jahren wandte Churchill sich dem Bereich Musik und Tanz zu und arbeitete mit MusikerInnen und ChoreographInnen zusammen, z. B. mit der Siobhan Dance Company und mit BBC Proms, dem großen klassischen Musikfestival, das jährlich in der Albert Hall statt findet.
Verfasserin: Karin Müller
Literatur & Quellen
Klett, Renate. 1984. “Autorenporträt: Caryl Churchill”, Theater heute 1984/1. Zürich. Orell Füssli+Friedrich Verlag AG
https://literature.britishcouncil.org/writer/caryl-churchill
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