geboren am 16. März 1750 in Hannover
gestorben am 9. Januar 1848 in Hannover
deutsche Astronomin
175. Todestag am 9. Januar 2023
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Caroline Lucretia Herschel war die erste Frau, die in der Astronomie volle Anerkennung fand. Sie wuchs als einziges Mädchen von fünf überlebenden Kindern des Militärmusikers Isaak Herschel und seiner Frau Anna Ilse Herschel in Hannover auf. Der Vater war bestrebt, seinen Kindern eine musikalische Grundausbildung zu geben. Aber im Hause Herschel wurde nicht nur viel musiziert, sondern auch philosophiert und Astronomie betrieben.
Caroline in ihren Erinnerungen: “Mein Vater war ein großer Bewunderer der Astronomie und besaß einige Kenntnisse in der Wissenschaft. Ich erinnere mich, daß er mich in einer kalten Nacht auf die Straße führte, um mich mit einigen unserer schönsten Sternbilder bekannt zu machen, nachdem wir vorher einen Kometen, der eben sichtbar war, beobachtet hatten.” Einige Stunden täglich besuchte sie zusammen mit ihren Brüdern die Garnisonsschule, so daß sie das Lesen und Schreiben erlernen konnte – damals für ein Mädchen aus dem Bürgertum keine Selbstverständlichkeit. Viele Stunden des Tages verbrachte sie jedoch gegen ihren Willen mit Stricken, Sticken und allerlei Haushaltstätigkeiten. Die Mutter meinte, daß sie ein “roher Klotz sein und bleiben sollte, allerdings aber ein nützlicher”.
Der Gedanke, daß sie – nach dem Willen ihrer Mutter – zur Weißnäherin ausgebildet werden sollte und ihr eine Zukunft als bloße Haushaltskraft bevorstände, war ihr unerträglich. Sie wollte ein Leben führen, das auch geistige Anforderungen an sie stellte. Daher hielt sie sich an den Wunsch des Vaters, der für sie, wie für ihre vier Brüder, eine musikalischen Ausbildung, in ihrem Fall zur Konzertsängerin, vorsah.
22jährig folgte sie ihrem zwölf Jahre älteren Bruder Friedrich Wilhelm Herschel, der als Organist und Konzertleiter im vornehmen Bath tätig war, nach England. Er brauchte sie als Haushälterin, wollte ihr aber auch Gelegenheit geben, der häuslichen Enge zu entfliehen, sich musikalisch weiterzubilden und als Solistin in seinen Konzerten mitzuwirken. Schon bald stieg sie zur ersten Sängerin auf, übernahm Leitungsfunktionen im Chor und bekam Angebote, auch in anderen Städten aufzutreten. Dies lehnte sie allerdings ab, da sie nur unter der Leitung ihres geliebten und verehrten Bruders auftreten wollte. Sicherlich hätte sie musikalisch eine große Karriere vor sich gehabt, wenn sie nicht der Passion ihres Bruders für die Astronomie gefolgt wäre. Zweifellos eine ungewöhnliche Familie, diese Herschels aus Hannover, in denen große Begabungen, ja Doppelbegabungen (Musik und Astronomie) anscheinend die Regel waren: Bruder Alexander, ebenfalls Musiker, wirkte auch als Astronom in Wilhelms Familienbetrieb zur Erforschung des Himmels.
Caroline widmete sich nun neben der Haushaltsführung und ihren Auftritten als Sängerin auch noch der Astronomie; zum Beispiel half sie Wilhelm beim Anfertigen von Spiegelfernrohren. Ihre Hauptaufgabe bestand darin, die Spiegel zu polieren und zu schleifen – eine Arbeit, bei der es auf absolute Genauigkeit ankommt. Neben den praktischen Tätigkeiten befaßte sie sich aber auch mit astronomischer Theorie. Sie erlernte die Algebra, Formeln für Berechnungen und Reduktionen als Grundlage für das Beobachten und Durchmustern des Himmels.
Der große Einschnitt für Caroline Herschel kam 1781, im Entdeckungsjahr des Planeten Uranus, den ihr Bruder eher zufällig bei einer Himmelsdurchmusterung fand. Diese Entdeckung führte dazu, daß er über die Landesgrenzen hinaus bekannt wurde. Neben zahlreichen Ehrungen bekam er eine Stelle als Königlicher Hofastronom in Windsor angeboten, die er dankbar annahm. Nun konnte er sich ganz seiner wahren Leidenschaft widmen.
Für Caroline hingegen bedeutete die Entdeckung des Uranus eine erneute Wende in ihrem Leben. Sie stand vor der Wahl, als Sängerin in Bath ihre erfolgreiche Karriere fortzusetzen oder aber ihrem Bruder als wissenschaftliche Assistentin zu “dienen”. Sie entschied sich für letzteres und bekam vom Hof eine Anstellung als Gehilfin ihres Bruders mit einem Gehalt von 50 Pfund im Jahr – das erste Gehalt, das je eine Frau für wissenschaftliche Tätigkeit bezog. Nun begann Caroline mit der eigenen Erforschung des Sternenhimmels, und zwar widmete sie sich der Kometensuche. In den Jahren von 1786 bis 1797 entdeckte sie acht solcher Schweifsterne. Nächtelang blieb sie mit ihrem Bruder auf Beobachtungsposten, notierte die Sternpositionen, die er ihr vom anderen Ende des von ihnen selbst gebauten riesigen Fernrohrs zurief, wertete die nächtlichen Aufzeichnungen aus und rechnete sie nach, schrieb Abhandlungen für die Philosophical Transactions, entdeckte vierzehn Nebel, berechnete Hunderte von ihnen und begann einen Katalog für Sternhaufen und Nebelflecke anzufertigen. Des weiteren verfaßte sie einen Ergänzungskatalog zu Flamsteeds Atlas, der 561 Sterne umfaßte, sowie ein Gesamtregister dazu.
Für diese Arbeit wurde ihr allerhöchste Anerkennung u.a. von Gauß und Encke gezollt. Trotzdem blieb sie die (übermäßig?) bescheidene Frau, die sie immer gewesen war. Ihre Biographin Renate Feyl bemerkt dazu: “Bis an das Ende ihres Lebens versucht sie jeglichen Hinweis auf eine eigene Leistung lediglich als das Verdienst ihres berühmten Bruders herauszustellen. … Sie wagt zu wissen, will aber dieses Wagnis nicht öffentlich eingestehen. Fortgesetzt betont sie, wie nichtsnutzig, wie unfähig, wie untauglich sie sei. Dies ist ihre lebenslängliche Demutsgeste und Entschuldigung dafür, daß sie sich erkühnt, leise, aber nachhaltig gegen die Gewalt von Gewohnheiten anzugehen und sich auf ihre Weise zu nehmen, was einem menschlichen Wesen zusteht: das Recht auf Erkenntnis.”
1822 – nach vielen Jahren unermüdlicher Arbeit - folgte ein weiterer Einbruch in ihrem Leben: ihr geliebter Bruder starb. Nun hielt sie nichts mehr in England. Wenige Wochen nach seinem Tod zog Caroline Herschel wieder in ihre Heimatstadt Hannover, die sie fast fünfzig Jahre zuvor als junge Frau verlassen hatte. Die bedeutendsten Gelehrten suchten sie in ihrem einfachen Haus in der Marktstraße auf, um sie ihrer Gunst und Wertschätzung zu versichern. Selbst zum Königlichen Hof hatte sie Kontakt. Zahlreiche Auszeichnungen wurden ihr verliehen – 1828 u.a. die goldene Medaille der Royal Astronomical Society, zu deren Ehrenmitglied sie 1835 ernannt wurde. Sie war die erste Frau, der Anerkennungen dieser Art zuteil wurden. Anlaß dazu war ihr sogenannter Zonenkatalog, den sie zum Andenken an ihren Bruder erstellt hatte. Er enthielt die reduzierten Beobachtungen sämtlicher von Wilhelm Herschel entdeckten Nebel und Sternhaufen – eigentlich eine schier unschaffbare Aufgabe! 1838 ernannte die Königliche Irische Akademie der Wissenschaften in Dublin die 88jährige Caroline Herschel zu ihrem Mitglied. 1846 erhielt sie im Alter von 96 Jahren im Auftrag des Königs von Preußen die goldene Medaille der Preußischen Akademie der Wissenschaften.
Noch an ihrem 97. Geburtstag empfing sie den Besuch des Kronprinzenpaares, unterhielt sich einige Stunden lebhaft mit ihnen und sang ihnen abschließend ein Lied vor, das ihr Bruder siebzig Jahre zuvor komponiert hatte.
Keiner der von ihr entdeckten Kometen wurde nach ihr benannt, aber ein Mondkrater: Caroline Herschel.
(Text von 1997. Aktualisiert von Luise F. Pusch)
Verfasserin: Julie Schröder
Literatur & Quellen
Buttmann, Günther. 1961. Wilhelm Herschel: Leben und Werk. Große Naturforscher, Band 24. Stuttgart. Wissenschaftl. Verlagsges.
Feyl, Renate. 1991. “Caroline Herschel (1750-1848): Aufbruch in die nicht gewollte Selbständigkeit”, in: Schroeder, Hiltrud. Hg. 1991. Sophie & Co.: Bedeutende Frauen Hannovers. Hannover. Fackelträger. S. 45-56.
Helle, Christiane. 2000. Die Sternguckerin: Leben und Werk der Astronomin Caroline Herschel. Ein Feature mit Hannelore Hoger und anderen SprecherInnen. 1 CD. Audio Verlag, Dav.
Herschel, Caroline. 1877. Memoiren und Briefwechsel 1750-1848. Hg. Frau John Herschel. Berlin.
Mädler, Dr. J. H. von. 1873. Geschichte der Himmelskunde. Braunschweig. Westermann.
Moore, Patrick. 1988. Caroline Herschel: Reflected Glory. Bath. Ralph Allen.
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