(geb. Wiener)
geboren am 9. August 1907 in Kattowitz (heute Katowice, Polen)
gestorben am 8. Mai 1990 in Berlin
deutsche Schriftstellerin (Nationalpreis der DDR 1949)
115. Geburtstag am 9. August 2022
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Eine originelle Dichterin, eine Meisterin der komischen Kurzprosa und eine starke, unbequeme Frau mit (un)ausgesprochen feministischen Ambitionen.
Sie stammte aus einer jüdischen Familie in Oberschlesien. Ihre Mutter hatte nach dem frühen Tod ihres Mannes, eines Kaufmanns, schwer arbeiten müssen, um die beiden Töchter großzuziehen.
Berta stand bald auf eigenen Füßen. Die ausgebildete Stenotypistin zog 1925 nach Berlin, wo sie die Marxistische Arbeiterschule (MASCH) besuchte. 1930 trat sie in die KPD ein. Sie schrieb für die linke Presse, z.B. die Rote Fahne und die Linkskurve, und wurde Mitglied des Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftsteller (BPRS). Während der Wirtschaftskrise lebte sie von Sozialhilfe.
1935 wurde sie verhaftet und 1936 angeklagt, weil bekannt geworden war, daß sie antifaschistische Gedichte verfasst hatte. Sie kam mit einer Gefängnisstrafe von zweieinhalb Jahren davon. Ihre Haftzeit verbüßte sie in Moabit und in der Barnimstraße. - Da ihr „arischer“ Mann ablehnte, sich von ihr scheiden zu lassen, blieb sie am Leben. Mutter und Schwester waren bereits 1934 nach Palästina emigriert.
Nach dem Krieg, ab Juni 1945, konnte Berta Waterstradt auf Empfehlung des späteren Kulturministers Johannes R. Becher beim Berliner Rundfunk arbeiten. 1953 kündigte sie und wurde freie Autorin. Für den Rundfunk schrieb sie zunächst Kabarettszenen, dann Hörbilder und Hörspiele. Ihr provokativer Essay “Sind wir nicht alle Opfer des Faschismus?” sorgte für heftige Diskussionen. Großen Erfolg hatte ihr Hörspiel Während der Stromsperre über das Leben einer deutschen Arbeiterfrau. Daraus wurde die Vorlage für den berühmten DEFA- Film Die Buntkarierten (1949) von Kurt Maetzig. Für das Drehbuch erhielt sie als erste Schriftstellerin der neu gegründeten DDR den Nationalpreis (2. Klasse). Das war der Höhepunkt ihrer beruflichen Anerkennung.
Sie arbeitete weiter für die DEFA; es entstanden Filme wie Besondere Kennzeichen: keine und Ehesache Lorenz mit dem jungen Regisseur Joachim Kunert. Daneben schrieb sie Theaterstücke, u.a. Die Männer sind alle Verbrecher.
Von 1956 bis zu ihrem 80. Geburtstag, zu dem sie sich vorsichtshalber selbst gratulierte, war sie für die populäre, von Hilde Eisler geleitete Zeitschrift Das Magazin tätig. Sie steuerte kurze Geschichten bei und reimte Mini-Reisereportagen, die von der Zeichnerin Elizabeth Shaw illustriert wurden. „Wahrscheinlich sind diese beliebten Reportagen von zwei Frauen ganz einmalig“, meinte die aus Irland stammende Künstlerin in ihren Erinnerungen.
Berta Waterstradt, die u.a. mit den Schriftstellerinnen Anna Seghers, Elfriede Brüning und Renate Holland-Moritz befreundet war, erregte mit ihren eigenwilligen Ansichten und ihrer direkten Art oft Anstoß.
In den 80er Jahren wurde es ruhiger um sie. 1985 krönte sie ihr nicht sehr umfangreiches Werk mit einem Bändchen autobiographischer Texte unter dem Titel Blick zurück und wundre dich.
Anfang Mai 1990, nach der „Wende“, wurde die 82jährige in ihrer Berliner Wohnung in einer Blutlache aufgefunden. Die Todesursache ist nicht bekannt. “Nochmal steh ich sie nicht durch, die Jagd auf Juden und Rote”, hatte sie Freunden gesagt.
In Berlin-Adlershof, wo sie wohnte, trägt heute eine Straße ihren Namen. Ihr Grab befindet sich auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee.
Verfasserin: Cristina Fischer
Zitate
Mein Mann hatte eine Frau geheiratet, die weder Aussteuer noch Mitgift in die Ehe einbrachte, nur einen widerspenstigen Charakter. Sie war keine Musterhausfrau, saß ab und zu im Knast, und nicht arisch war sie auch.
(Berta Waterstradt: Blick zurück und wundre dich)
Berta, hundertprozentig irdisch, kein metaphysisches Irisieren, nichts Wundersames, geschweige denn Wunderliches, kommt und erscheint zu manchen Zeiten als verkleinerte Ausgabe der längst verschwundenen Tyche der Stadt: Berolina, Berta und Berlin erweisen sich als Synonyme: Nüchternheit und Lebenstüchtigkeit; der Wille, sich niemals unterkriegen zu lassen; eine gesunde Chuzpe, unverfrorener Witz, vereint mit Empfindungsfähigkeit, Tucholskysche Legierung von Herz mit Schnauze: Typ der typischen Berlinerin klassischer Provenienz (aus Katowice, natürlich)...
(Günter Kunert: We like Berta)
Nie ist mir eine wie Berta Waterstradt begegnet. Wenn andere feierlich wurden, kriegte sie das Kichern. Wo andere ängstlich schwiegen, meldete sie sich scharfzüngig und nicht immer diplomatisch zu Wort. Sie haßte Fanatiker und war ihrerseits eine Fanatikerin der Gerechtigkeit.
(Renate Holland-Moritz: Die tote Else lebt)
Berta, ihrer Natur nach eine radikale Demokratin, wußte immer zu loben, daß es in der DDR, im Gegensatz zur BRD, keine Chance für alte oder neue Nazis gab. Trotzdem stand sie ihrer Wahlheimat und speziell der teilweise staatsdoktrinären Dummheit äußerst kritisch gegenüber, woraus sie nie und nirgendwo einen Hehl machte.
(Renate Holland-Moritz)
Ohne Titel
Kommt der Tod auf leisen Sohlen,
mich zu holen, mich zu holen,
sag ich ihm, na schön, mein Lieber!
Und dann bin ich schon hinüber.
Doch im Himmel, lichtumflossen,
seh ich alle die Genossen,
die, wie soll ich´s schonend sagen,
schon in ihren Erdentagen,
also ohne Engelsschwingen,
mir so auf die Nerven gingen.
Und so ruf ich unverhohlen:
Soll mich doch der Teufel holen!
Doch des Satans Kaderchef
Rezitiert aus dem Effeff,
eingehüllt in Schwefelwrasen,
unsre altbekannten Phrasen.
Darum bitt ich, sehr marode:
Nur kein Leben nach dem Tode!
Nicht in Schwarz, in Gold, in Rot.
Klappe zu und Berta tot.(Berta Waterstradt)
Literatur & Quellen
Berta Waterstradt. 1985. Blick zurück und wundre dich: Aus meinen zerstreuten Werken. Berlin. Eulenspiegel Verlag.
Brüning, Elfriede. 2004. Gefährtinnen. Porträts vergessener Frauen. Berlin. Dietz.
DVD Die Buntkarierten in: Kurt Maetzig - Die DEFA-Film-Edition (4 DVDs). Icestorm Berlin 2006.
Frauenmosaik. Frauenbiographien aus dem Berliner Stadtbezirk Treptow-Köpenick. trafo verlag Berlin 2001 (Darin: Waltraud Schade: Berta Waterstradt (1907–1990), Schriftstellerin)
Holland-Moritz, Renate. 2000. Die tote Else lebt. Berlin. Eulenspiegel Verlag.
Shaw, Elizabeth. 2000. Wie ich nach Berlin kam: „Irish Berlin“. Berlin. Aufbau TB.
Neuauflage:
Shaw, Elizabeth (2013): Wie ich nach Berlin kam. Eine Irin in der geteilten Stadt. Erw. Neuaufl. Unter Mitarbeit von Wolfgang de Bruyn. Berlin. vbb, Verl. für Berlin-Brandenburg. ISBN 9783942476577.
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