(Anna Klementine Elsbeth Hedwig (Anni) von Selchow, gesch. Normann, verh. von Gottberg)
geboren am 7. Mai 1885 in Karolinenthal (Żelazkowo)
gestorben am 9. Juli 1958 in Hamburg
Mitglied im Brandenburgischen Provinzialbruderrat der Bekennenden Kirche
65. Todestag am 9. Juli 2023
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen • Bildquellen
Biografie
Im Mai 1934 gründete sich die Bekennende Kirche in Deutschland, um sich der Gleichschaltung der evangelischen Kirchen durch den nationalsozialistischen Staat zu widersetzen. Die Geschichte der daran beteiligten Frauen ist durch die Schicksale von prominenten Mitgliedern wie Martin Niemöller und Dietrich Bonhoeffer weitestgehend in Vergessenheit geraten. Zudem wurden Frauen auch in der Bekennenden Kirche durch die evangelische Kirchenpolitik ausgegrenzt, so dass sie keine exponierten Stellen besetzen konnten und kaum Spuren in den historischen Quellen hinterlassen haben. Eine dieser fast vergessenen Frauen ist Anni von Gottberg. Sie hat sich in der Bekennenden Kirche in Potsdam engagiert und wurde 1935 als theologische Laiin und einzige Frau in den Brandenburgischen Provinzialbruderrat der Bekennenden Kirche aufgenommen.
Der Geburtsort von Anna Klementine Elsbeth Hedwig – sie selbst nannte sich später Anni – liegt im heutigen Polen. Das väterliche Gut Karolinenthal (Żelazkowo) gehörte zum Landkreis Lauenburg in Pommern. Sie war das vierte Kind des königlichen Leutnants Friedrich von Selchow und seiner Ehefrau, der Gutstochter Hedwig geborene Kratz.
1893 zog die Familie nach Berlin. Hier absolvierten die drei Geschwister – eine Schwester war bereits verstorben – eine höhere Schulausbildung. Danach trennten sich ihre Wege. Bogislav von Selchow wurde Fregattenkapitän und gehörte später zu den rechten Kräften, die die Weimarer Republik bekämpften. Nach 1933 erlangte er als Schriftsteller und Dichter Ruhm und Ehrungen für seine antisemitischen und rassistischen Schriften. Ehrengard von Selchow wurde Lehrerin. Anni von Selchow heiratete 1910 Hasso von Normann und brachte 1917 ihren Sohn Sigurd zur Welt.
Die Ehe wurde 1922 geschieden. Anni von Normann ging zurück zu ihrer inzwischen verwitweten Mutter und zog später nach Potsdam. Hier lebte ihr Cousin Wolf von Gottberg, den sie 1926 heiratete.
Nach der Gründung der Bekennenden Kirche beteiligte sich Anni von Gottberg maßgeblich an der Sammlung und Organisation der Bekenntnisgemeinden in Potsdam. Sie war sowohl Mitglied im Bruderrat der Friedens-Erlösergemeinde als auch im Kreisbruderrat der Bekennenden Kirche.
Im Dezember 1935 wurde Anni von Gottberg in den Brandenburgischen Provinzialbruderrat der Bekennenden Kirche berufen. Sie war – neben der Geschäftsführerin des Bruderrates in Pommern, Stephanie von Mackensen – die einzige Frau auf dieser Ebene der Bruderräte.
Senta Maria Klatt, Sekretärin in der Geschäftsstelle der Bekennenden Kirche Brandenburg, resümierte später:
„(...) es gab keine Frauen, die vergleichbare Aufgaben ausführten oder Positionen einnahmen wie Kurt Scharf und Erich Andler oder Otto Dibelius. Ich habe – nach Barmen 1934 – doch alle Bekenntnissynoden mitgemacht, ob in Brandenburg oder in der deutschen Gesamtkirche. Und so weit ich mich entsinnen kann, sind auf diesen Synoden außer Frau von Mackensen und Frau von Gottberg niemals Frauen hervorgetreten. Zwar hatten wir in den Gemeinden damals schon Vikarinnen – heute Pastorinnen oder Pfarrerinnen. Aber im Grunde begann die Rolle der Frau in der Bekennenden Kirche auf der Ebene der Zuarbeiter: der Mägde.“
Anni von Gottberg wandte sich gegen jegliche Zusammenarbeit der Bekennenden Kirche mit der nationalsozialistischen Reichskirche. Ihre klare und kompromisslose Haltung führte zu Auseinandersetzungen mit Mitgliedern und Pfarrern der Bekennenden Kirche sowie zur Verfolgung durch die Gestapo.
Nach dem Ende des Krieges beteiligte sie sich am Aufbau einer neuen evangelischen Kirche. Sie leitete die Geschäftsstelle der noch nicht aufgelösten Bekennenden Kirche in Potsdam. Darüber hinaus war sie Mitglied im Kirchenrat der Potsdamer Friedensgemeinde sowie im Kreiskirchenrat.
1954 erkrankte Anni von Gottberg an Krebs und legte ihre kirchlichen Ämter nieder. Sie ließ sich operieren und zog 1955 zu ihrem Sohn und seiner Familie nach Hamburg. Dort starb sie am 9. Juli 1958. Sechs Wochen später wurde sie auf dem Bornstedter Friedhof in Potsdam beigesetzt. Bis zuletzt hatte sich Anni von Gottberg mit religiösen Fragen auseinandergesetzt. In ihrem Nachlass fand die Familie zahlreiche eigene theologische Ausarbeitungen.
Im Gedenken an sie wurde 1995 im Potsdamer Stadtteil Kirchsteigfeld die Anni-von-Gottberg-Straße eingeweiht.
Verfasserin: Jeanette Toussaint
Zitate
In Potsdam sieht man doch in erster Linie auf den Rang und wenn man wagt anders wie diese hohen Herrschaften zu denken und noch dazu eine Frau gegen die Männer redet, dann ist man doch unmöglich.
(1936 in einem Brief an Albrecht Schönherr, den späteren Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg)
Ja, den ›Unfrieden‹ bringe ich in Potsdam, der ist vielen unbequem, Menschen können mich aber nicht verletzen, ich will ja nur meinen Weg im Gehorsam gehen – weiter nichts.
(1936 in einem Brief an Albrecht Schönherr)
Links
http://www.maerkischerverlag.de/php/a17main.php
Literatur & Quellen
Schönherr, Albrecht: “Potsdam und Anni von Gottberg. Erinnerungen aus der Zeit des Kirchenkampfes der Bekennenden Kirche”, in: Manfred Richter (Hg.): Bornstedt. Friedhof und Kirche. Spuren aus der preußischen und Potsdamer Geschichte. Berlin 1993, S. 106-112.
See, Wolfgang & Rudolf Weckerling: Frauen im Kirchenkampf. Beispiele aus der Bekennenden Kirche Berlin-Brandenburg 1933 bis 1945. Berlin 1984, S. 14.
Toussaint, Jeanette: Ich bin für Potsdam das rote Tuch. Anni von Gottberg und die Bekennende Kirche. Wilhelmshorst 2011.
Bildquellen
http://www.maerkischerverlag.de/php/a17main.php
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