(Anna Wimschneider geb. Traunspurger)
geboren am 16. Juni 1919 in Weng, Gemeinde Postmünster
gestorben am 1. Januar 1993 in Pfarrkirchen
deutsche Schriftstellerin und Bäuerin
105. Geburtstag am 16. Juni 2024
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
War Anna Wimschneider eine »berühmte Frau«? Sicher nicht in des Wortes gewöhnlicher Bedeutung. Sie hat Berühmtheit niemals angestrebt: sie hat »nur« gelebt, und zwar in einer Zeit, in der das Leben alles andere als leicht war. Als sie schließlich ihre Geschichte aufschrieb, wollte sie lediglich ihren Töchtern ein schriftliches Vermächtnis hinterlassen. Aber dann publizierte ein Verlag ihre Lebenserinnerungen unter dem Titel Herbstmilch, und der anschließend gedrehte Film gleichen Namens wurde ein großer Erfolg.
Anna Wimschneider hat es allerdings ganz besonders schwer gehabt: Als sie acht Jahre alt ist, stirbt ihre Mutter. Das bedeutet für Anna, dass sie – nachdem die Suche des Vaters nach »längerlebigen« Haushälterinnen ebenso vergeblich blieb wie die nach einer geeigneten »Hochzeiterin« – schon als Kind alle anfallenden Hausarbeiten übernehmen muss, und zwar für eine zehnköpfige, fast nur aus männlichen Mitgliedern bestehende Familie (Vater, Großvater, sechs Brüder, eine jüngere Schwester. Unter der Anleitung einer Nachbarin lernt Anna kochen, Brot backen, putzen, waschen, nähen und flicken und übt diese Tätigkeiten bald selbständig aus. Zum Kochen braucht sie anfangs einen Schemel, um in die Töpfe auf dem großen Herd schauen zu können. Die Berge der auszubessernden Kleidungsstücke werden nie kleiner, und wenn alle anderen schon zu Bett gegangen sind, hört man Annas Nähmaschine noch bis in die Nacht rattern. Außerdem hilft Anna beim Kühemelken und Futtereinbringen sowie bei der Heuernte. In die Schule kommt sie immer zu spät, weil sie die kleineren Geschwister versorgen muss, bevor sie das Haus verlässt.
Als Anna Wimschneider im Alter von 20 Jahren heiratet, steht der zweite Weltkrieg vor der Tür. Kurz nach der Hochzeit wird Albert, ihr Mann, eingezogen. Im Mai 1944 wird er durch einen Halsschuss schwer verwundet, so dass auch auf dem Hof, in den sie eingeheiratet hat, alle Arbeit Anna aufgebürdet bleibt. Zunehmend macht ihr auch die Pflege der alten Leute zu schaffen.
Anna Wimschneider, die neben ihrer Arbeit noch drei Töchter aufgezogen hat, hat sich den Gegebenheiten ihres Lebens gestellt und die aus ihnen erwachsenden erheblichen Schwierigkeiten bewältigt. Ist sie nicht schon allein dadurch ein Vorbild gewesen?
(Text von 1998)
Zitate
Herbstmilch ist eine saure Milch, zu der man fast jeden Tag wieder etwas gestöckelte Milch dazuschüttet. Dann rührt man um, nimmt einen Liter heraus, verquirlt sie mit etwas Mehl in einem Liter kochenden Wasser und rührt sie dann mit saurem Rahm an.
(Anna Wimschneider)
Es ist schon ein hartes Leben, musste gleich elf Tage nach unserer Hochzeit Krieg ausbrechen! Wo ich die ganze Männerarbeit alleine machen musste. […] Von den Alten konnte keins mehr arbeiten. Sie brauchten meine Hilfe.
(Anna Wimschneider)
Wenn ich noch einmal zur Welt käme, eine Bäuerin würde ich nicht mehr werden.
(Anna Wimschneider)
Sie hatte ihrer Geschichte nichts hinzuzufügen, mehr war da nicht zu sagen, Leben & Werk eins. Anna Wimschneider wußte nichts von Kunst und Literatur, zum Lesen war sie zu ungeduldig, den Besuchern gab sie eingemachtes Obst mit und führte sie, statt in eine Bibliothek, voller Stolz an ihre dritte Tiefkühltruhe. »Herbstmilch«,ihr ganzes Leben, das in acht Jahren zweimillionenmal verkauft wurde, wird nie in den Frieden der Literaturgeschichte heimfinden; dafür ist es zu wahr. »Friß nicht soviel«, muß sich ihr Bruder sagen lassen, »es bleibt ja nichts mehr für die Sau.« Ja, so war das einmal, vor langer, langer Zeit, vor wenigen Jahren noch und hier gleich um die Ecke.
(aus dem Nachruf in der »Zeit«, 8.1.1993)
Links
Deutsche Nationalbibliothek: Wimschneider, Anna. Publikationen.
Online verfügbar unter http://d-nb.info/gnd/118769200, zuletzt geprüft am 30.12.2017.
IMDb: Anna Wimschneider. Filme.
Online verfügbar unter http://www.imdb.com/name/nm0934505/, zuletzt geprüft am 30.12.2017.
Literaturportal Bayern (2017): Autorinnen & Autoren. Anna Wimschneider.
Online verfügbar unter https://www.literaturportal-bayern.de/autorinnen-autoren?task=lpbauthor.default&pnd=118769200, zuletzt geprüft am 30.12.2017.
WebCite®-Archivfassung: http://www.webcitation.org/6w60TZQk5
Nerger, Klaus (2016): schriftsteller 113 – Anna Wimschneider. Grabstätte.
Online verfügbar unter http://knerger.de/html/wimschneschriftsteller_113.html, zuletzt geprüft am 30.12.2017.
Petrzik, Christian (2017): »Wos hot denn die da gschriebn?«. Ein Gespräch mit Carola Wimschneider über ihre Mutter Anna und »Herbstmilch«. Blogbeitrag, 09.11.2017, 14:57 Uhr. Literaturportal Bayern.
Online verfügbar unter https://www.literaturportal-bayern.de/blog?task=lpbblog.default&id=1573, zuletzt geprüft am 30.12.2017.
WebCite®-Archivfassung: http://www.webcitation.org/6w61FJDBW
Literatur & Quellen
Vilsmaier, Joseph (1990): Die Verfilmung des Lebens der Anna Wimschneider. Eine Dokumentation über den Film ›Herbstmilch‹ ; Regisseur, Hauptdarsteller und Teammitglieder erzählen. Orig.-Ausg. Frankfurt/M., Berlin. Ullstein. (Ullstein-Buch, 20473) ISBN 3-548-20473-2.
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Vilsmaier, Joseph (2015): Herbstmilch. Spielfilm nach dem Erfolgsroman von Anna Wimschneider mit Dana Vávrová und Werner Stocker. DVD-Video. Berlin. Studiocanal. (Arthaus Close-Up)
(Amazon-Suche)
Wimschneider, Anna (1984): Herbstmilch. Lebenserinnerungen einer Bäuerin ; mit 50 Bildern aus ihrem Leben. Überarb. von Katrin Meschkowski. 41. Aufl., 1544. - 1573. Tsd., (3. Aufl., 51. - 81. Tsd. dieser Ausg.), Neuausg. München. Piper. 1989. ISBN 3-492-03365-2.
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Wimschneider, Anna (2007): Herbstmilch. Lebenserinnerungen einer Bäuerin ; ungekürzte Lesung. 4 CD (238 min). Gelesen von Maria Singer. Ungekürzte Lesung. Schwäbisch Hall. Steinbach Sprechende Bücher. ISBN 9783886984855.
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Wimschneider, Anna (1991): »Ich bin halt eine vom alten Schlag«. Geschichten vom bäuerlichen Leben einst und jetzt. Zusammengestellt von Katharina Meschkowski unter Mitarbeit von Albert Wimschneider, mit 31 Farb- und 61 Schwarzweißfotos von Bettina Böhmer. [1. - 49. Tsd.]. München u.a. Piper. ISBN 3-492-03393-8.
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