Biographien Anna Ladurner Hofer
geboren am 27. Juli 1765 in Algund bei Meran
gestorben am 6. Dezember 1836 in St. Leonhard in Passeier
Gastwirtin und Gattin des Tiroler Freiheitskämpfers Andreas Hofer
185. Todestag am 6. Dezember 2021
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Sie ist die Frau eines Nationalhelden, Mutter von sieben Kindern, sie hat das von ihm mit Schulden übernommene Gasthaus erhalten und saniert während der langen Jahre seiner Abwesenheit; sie hat dem Kaiser wenige Monate nach der Erschießung des Gatten eine Rente und den Adelstitel abgetrotzt. Auf ihrem Grabstein – der erst Jahrzehnte nach ihrem Tod errichtet wurde, anlässlich der 100. Wiederkehr der Freiheitskämpfe der Tiroler am Berg Isel bei Innsbruck (1809) – ist sie als Ledige verzeichnet: „Anna Ladurner, Andreas Hofers Weib“. Auf den Titel „Edle von Hofer“ hatte man verzichtet - es heißt, weil sie umstritten war in dem Tal, in das sie als Fremde geheiratet hatte.
Wenn die Geschichtsrezeptionvon 1809 zwei Frauentypen ortet, hier die kämpferische Frau, die zu Mistgabel und Kaliber greift, dort die einfühlsame mütterliche, so ist Anna Ladurner Hofer irgendwo in der Mitte einzuordnen:
Sie ist keine Katharina Lanz, die 1797 mit der Mistgabel auf der Friedhofsmauer von Spinges stehend die Franzosen zurückwarf und Vorbild für viele Frauen wurde. Sie ist nicht das Thinner Gretele, das mit anderen beherzten Mädchen Latzfons verteidigte. Sie war nie im Kampfe an seiner Seite, so wie Anna Zorn, Elisabeth Pichler und Marie Hofer und andere Frauen, die Andreas Hofer und seinen Männern mit Heuwagen Deckung boten. Sie ist keine Giuseppina Negrelli aus Primör, die – 18jährig - in Männerkleidern kämpfte und einen feindlichen Soldaten in den Inn warf. Sie befindet sich auf der anonymisierten Seite des Heldentums.
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Es gibt nicht viele schriftliche Zeugnisse zu Anna Ladurner. Über Geburt, Heirat und Tod berichten die Matrikelbücher in den Pfarreien, jenes zu ihrer Geburt befindet sich in Algund bei Meran. Wie damals üblich, wurde sie am selben Tag noch getauft, am 27. Juli 1765. „Am 27. Tag ist Anna, eheliche Tochter der ehrbaren Ehegatten Peter Ladurner, 'Rinner' in Mitterplars und Bauer beim Zenz, und Maria Tschölin getauft worden, vom ehrwürdigen Herrn Christian Kofler, wobei Francisca Tschölin das Kind gehalten hat.“
Anna war das vierte von elf Kindern, ihr Vater entstammte einem angesehenen Zweig der Ladurner mit eigenem Familienwappen, einer Familie von Wein- und Obstbauern.
Über ihre Kindheit und Jugend weiß man nichts, sie wird gewesen sein wie eine Kindheit und Jugend damals war, man lebte zusammen in einer großen Hausgemeinschaft, das Leben war vom Glauben und viel Arbeit geprägt. Angesichts von Krankheiten, Seuchen, ungewollten Schwangerschaften und Kriegsnöten spielte einerseits die Volksfrömmigkeit mit den verschiedensten religiösen Praktiken eine große Rolle, andererseits hatten zwischen 1718 und der Jahrhundertwende in Tirol an die 1200 Volksmissionen stattgefunden: Dadurch wurde eine religiöse Grundhaltung wie sonst wohl nirgends im Habsburgerreich verankert. Ganz in diesem Sinne rief der Kapuzinerpater Joachim Haspinger 1806 zum Widerstand gegen die von der Bayrischen Verwaltung angeordnete Pockenimpfung auf, obwohl fast ein Drittel der Kinder an den gefürchteten Blattern starb. Es stehe den Menschen nicht zu, sich auf diese Weise in Gottes Plan einzumischen.
Dass Anna Ladurner sehr fromm war, ist mehrmals bezeugt, das hatte sie mit dem Gatten gemeinsam; es hat ihr in ihrem nicht einfachen Leben oft geholfen.
Wo sie ihn kennenlernte, ist nicht bekannt. Möglicherweise war Andreas Hofer als Pferde- und Weinhändler an den Hof ihres Vaters gekommen. Oder aber sie waren sich auf einem Kirchweihfest begegnet und er hatte ihr beim Robeln [Raufen] imponiert. Der Heimatforscher und Schriftsteller Beda Weber schreibt, dass Hofer beim Robeln den Sieg über die größten Bauern davontrug, und dass die Beziehung zwischen ihnen innig war.
Sie war eine verständige treue Frau von wenig Worten, aber desto tieferem Gefühle. Mit der größten Zärtlichkeit hing sie an ihrem Manne. Ihr stilles Wesen galt' Vielen für Stolz, Andern für Schwermut, war aber keines aus beiden. Das stille ernsthafte Gebahren ist ein Erbteil ihres Hauses bis auf den heutigen Tag.
Das zweite schriftlich überlieferte Ereignis in Anna Ladurners Leben ist jedenfalls das der Vermählung. Über sie ist nachzulesen in den Matrikelbüchern in St. Leonhard, wo Anna Ladurner und Andreas Nikolaus Hofer am 21. Juli 1789 Hochzeit feierten. Die Braut war 24, der Bräutigam 21, beide waren also verhältnismäßig jung.
Drei Jahre lang blieb die Ehe kinderlos, wofür Anna damals wohl belächelt wurde: 1792 wird schließlich Maria Gertraud geboren; sie überlebt das Säuglingsalter nicht. Das zweite Kind ist der einzige Sohn, Johann Stephan wird er getauft, es folgen wie die Orgelpfeifen noch fünf Töchter, Maria Kreszenz, Rosa Anna, Anna Gertraud, Gertraud Juliana und Kreszenz Margareth. Die letzte wird 1808 geboren, mitten in die Kriegswirren hinein, auch sie stirbt – wie die erste – im Kleinkindalter.
Als Wirtin hatte Anna Ladurner von Beginn an eine besondere Stellung; dass sie ihrem Mann mehr war als nur die Mutter der Kinder bezeugen seine Briefe, die er ihr aus der Ferne schreibt. Er berichtet auch über den Fortgang der Kämpfe, sendet ihr Botschaften, die sie geheim weiterleiten soll. Als er – als hochdekorierter Oberkommandant Tirols - in Innsbruck residiert, bleibt sie zu Hause, mit den Kindern, dem Hof, der Arbeit. Auch viel später, als er in der Innsbrucker Hofkirche mit Pomp und Ehren ein zweites Mal beigesetzt wird, bleibt sie den Feierlichkeiten fern.
Als er bei der vierten Berg Isel-Schlacht geschlagen wird und die feindlichen Franzosen über das Passeiertal ins Land eindringen, schickt Andreas Hofer im Dezember 1809 Frau und Kinder in ein Versteck am Schneeberg, er selbst flieht auf die 1400 Meter hoch gelegene Mähderhütte der Pfandleralm oberhalb von St. Martin in Passeier. Um den 24. Dezember aber bringt Anna Ladurner die Töchter zu Bekannten und folgt ihm – bewusst und selbstbewusst - mit ihrem Sohn Johann auf die Hütte: Es ist überliefert, dass die Zeit oben eine Zeit der Entbehrungen war, Feuer konnten sie kaum machen, damit die Feinde unten im Tal nicht aufmerksam würden, zu essen gab es fast nichts, es wurde fast ausschließlich gebetet. Als er verraten und am 28. Jänner um 4 Uhr früh gefangen genommen wird, geht sie – gefesselt – mit ihm hinab ins Tal. Ob sie Schuhe anziehen durfte, weiß man nicht; später sollte sie sich mehrmals die Füße ärztlich behandeln lassen, der fünfzehnjährige Sohn verliert einige Zehen und kann sein Lebtag nur mehr humpeln.
Am 30. Jänner wird Anna im Kerker St. Afra in Bozen freigelassen, nachdem sich Bozner Frauen für sie eingesetzt haben. Sie darf zum geplünderten Sandhof zurückkehren, den Zivil- und Militärbehörden wird Order gegeben, sie vor Misshandlungen zu schützen. Sohn Johann kommt ins Militärhospital, Andreas Hofer wird am 20. Februar in Mantua erschossen.
Als kurz darauf das Konkursverfahren für den Sandhof eröffnet wird, packt sie die Koffer und fährt kurzentschlossen zum Kaiser Franz I. nach Wien.
Sie kam am 22. Juli 1810 abends mit einem Paß aus Bozen in Wien an und stieg unter dem Inkognito Anna Ladurnerin bei einem Landmann in Wien Josefstadt Nr. 47 ab. Über ihre Ankunft rapportierte schon am 24. Juli der Polizeioberkommissar Strobel und bemerkt hiezu, dass Anna Hofer in Wien zunächst ihre - von der Gefangennahme?- schadhaften Füße pflegen und dann um eine Audienz beim Kaiser bittlich werden wolle
.
Der Historiker Granichstaedten-Czerva beschreibt ausführlich ihren Besuch in Wien. Was vor allem missfiel war die Tatsache, dass sie ungeniert die Passeierer Tracht trug und mit ihrer Zottelmütze entsprechend Aufsehen erregte. Das konnte für Kaiser Franz I., der drei Monate zuvor seine Tochter Marie Louise mit Napoleon verheiratet hatte, peinlich werden. Denn Bonaparte persönlich hatte den Befehl erteilt, den Aufständischen Andreas Hofer zu erschießen.
Bei der dritten Audienz am 2. September 1810 scheint sie bekommen zu haben, was sie verlangte, schon fünf Tage später reiste sie ab. 2000 Gulden in Bankozetteln und 800 Gulden gab er ihr, und die Aussicht auf eine Leibrente, 500 Gulden jährlich für sie, je 200 für die Töchter. Auch das Adelsdiplom wurde ihr versprochen – freilich bekamen sie es erst einige Jahre später, 1818, als Napoleon besiegt war und verbannt: Edle von Hofer.
Fortan lebte sie auf dem Sandhof, der 1816 schuldenfrei war: Für jedes vom Feind verbrannte Haus gab es 50, für jede Familie, deren Ernährer gefallen war, 30 Gulden, recherchierte der Autor Franz Tumler. Sie hatte vom Kaiser das zigfache erhalten.
Wegen Veruntreuung finanzieller Mittel muss sich Anna Ladurner später vor Gericht verantworten, das Einvernehmungsprotokoll ist – neben Geburts-, Heirats- und Todeseintrag und dem Protokoll der Geheimpolizei in Wien - das einzige nicht literarische Dokument zu ihrem Leben. Mit Zetteln kann sie belegen, dass Geld-Kisten teils falsch verteilt, teils untergestellt worden sind. Sie unterzeichnet mit einem Kreuzchen - ob sie lesen und schreiben konnte, weiß man nicht.
Schon im November 1810 besucht der bayrische Kronprinz Ludwig den Sandhof und bittet sie, von ihrem verstorbenen Mann zu erzählen. Immer mehr Touristen und Reiseschriftsteller kommen, um Gegenstände zu sehen, die ihm gehörten; sie selbst soll stets zurückgezogen gelebt, niemals mit den Heldentaten des Mannes geprahlt haben.
Gegen Ende ihres Lebens waren innerhalb von vier Jahren alle vier Töchter gestorben, von den sieben Kindern überlebte sie einzig der Sohn. Das „Fräulein Anna von Hofer“ steht im Sterbebuch von St. Leonhard als letzter Eintrag direkt oberhalb der Mutter, sie war 34, die Mutter 72; nur acht Tage nach der Tochter starb Anna Ladurner am Nikolaustag im Jahre 1836. Den Sandhof – so bestimmte sie es in ihrem Testament – sollte die Enkelin Anna Erb gegen 9000 Gulden Ablösung übernehmen. Auch einen Stiftbrief hinterließ sie, jedes Jahr sollte am 30. November eine Messe gehalten werden für ihr Seelenheil und das ihres Mannes.
Verfasserin: Astrid Kofler
Literatur & Quellen
Meighörner, Jeannine. 2008. “Anna Ladurner. Andreas Hofers Frau”, in: Auer, Konstantia & Manfred Scheuer. Starke Frauen in der Kirche Tirols: Das Stille ist kräftiger als das Laute. Tiroler Verlags- u. Druckerei-Service. S. 34 - 45
Meighörner, Jeannine. 2009. Starkmut: Das Leben der Anna Hofer. Innsbruck. Edition Löwenzahn.
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