(Angie Elbertha Debo, PhD.)
geboren am 30. Januar 1890 in Beattie, Kansas
gestorben am 21. Februar 1988 in Enid, Oklahoma
US-amerikanische Historikerin und Autorin, Verfasserin von neun Büchern über die Geschichte der US-amerikanischen IndianerInnen und des amerikanischen Westens
135. Geburtstag am 30. Januar 2025
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
“Ich habe die Geschichte misshandelt, indem ich die Wahrheit gesagt habe.”
Und das hat sie tatsächlich getan. Als Angie Elbertha Debo gegen Ende ihrer Karriere diese Worte sprach, bezog sie sich auf die zahlreichen Bücher und die vielen Artikel, die sie über amerikanische IndianerInnen geschrieben oder herausgegeben hatte und in denen sie sich mit der schweren, oft kriminellen Misshandlung von Indianern durch US-amerikanische Institutionen und die Regierung auseinandersetzte - ein Thema, um das frühere Historiker meist “herumgeschlichen” waren. Indem sie untersuchte, was wirklich mit den IndianerInnen geschah und über sie aus ihrer Sicht schrieb, trug Debo wesentlich dazu bei, die “neue indianische Geschichte” auf den Weg zu bringen.
Angie wurde am 30. Januar 1890 in der Nähe von Beattie, Kansas, geboren. Zehn Jahre später reiste sie mit ihren Eltern und ihrem jüngeren Bruder Edwin in einem Planwagen in die Stadt Marshall im damaligen Oklahoma-Territorium. Die Familie kam ein Jahrzehnt nach der Landnahme von 1889 an, bei der ein Großteil des Landes für weiße SiedlerInnen geöffnet wurde. Die Debos kauften eine Farm, aber das Land erwies sich als unfruchtbar, und die Familie war arm. Angie war schon immer sehr lernbegierig und wollte unbedingt die High School besuchen. Als sie die Grundschule beendete, gab es in Marshall jedoch noch keine High School. Einige Jahre später wurde eine gebaut, die sie ein Jahr lang besuchte, dann aber abbrechen musste, um ihre Familie finanziell zu unterstützen. Mit sechzehn Jahren legte sie das Lehrerinnenexamen ab und unterrichtete danach mehrere Jahre lang an ländlichen Schulen. Im Alter von dreiundzwanzig Jahren schloss sie schließlich 1913 die High School ab.
Nach zwei weiteren Jahren als Lehrerin schrieb sich Angie an der Universität von Oklahoma ein und erwarb 1918 einen Bachelor-Abschluss. Während ihres Studiums wurde einer ihrer Professoren, Edward Everett Dale, ihr lebenslanger Mentor und enger Freund, auch wenn sie nicht die gleiche Auffassung von der amerikanischen Geschichte hatten. Dale, der bei dem bedeutenden Historiker Frederick Jackson Turner studiert hatte, übernahm dessen “Grenzlandthese”, die die fortschreitende Besiedlung des Westens durch die Weißen als herausragendes Merkmal der Geschichte des jungen Landes hervorhob. Angie hatte eine andere Perspektive: Sie wollte die Geschichte aus der Sicht der Menschen studieren, die bereits dort waren - der amerikanischen IndianerInnen. Die Historikerin Ellen Fitzpatrick schreibt, dass “die Historiker traditionell die Geschichte der amerikanischen UreinwohnerInnen weitgehend übersahen”. Aber Angie übernahm von Dale eine Wertschätzung des amerikanischen Westens als gültiges Studienobjekt sowie eine Verpflichtung zur Genauigkeit in der historischen Forschung.
Nach weiterer Lehrtätigkeit schrieb sich Angie an der Universität von Chicago für ein Aufbaustudium ein. Sie wollte sich auf Geschichte konzentrieren, aber dieses Fach war für Frauen nicht zugänglich. Also entschied sie sich für internationale Beziehungen und erwarb 1924 einen Master-Abschluss. Ihre Magisterarbeit, die sie gemeinsam mit einem ihrer Professoren - dem Historiker J. Fred Rippy, einem Experten für Imperialismus in Lateinamerika - verfasste, wurde 1924 von der University of Oklahoma Press unter dem Titel The Historical Background of the American Policy of Isolation veröffentlicht. Ihre Arbeit an diesem Buch prägte ihr Verständnis von Amerikas Haltung gegenüber den IndianerInnen als dem “wahren Imperialismus” des Landes.
Trotz ihrer Buchveröffentlichung und ihres Master-Abschlusses war die Tatsache, dass Angie eine Frau war, bei der Stellensuche erneut von Nachteil für sie. Als sie noch in Chicago war, erhielt die Geschichtsabteilung Anfragen von dreißig Colleges und Universitäten, die Geschichtslehrer einstellen wollten. Angie erinnerte sich später: “Neunundzwanzig von ihnen sagten, sie würden unter keinen Umständen eine Frau einstellen. Eine von ihnen ... würde eine Frau nehmen, wenn sie keinen Mann bekommen könnten.” Im Jahr 1924 erhielt sie eine Stelle in der Geschichtsabteilung des West Texas State Teachers College. Allerdings erhielt sie dort keine Stelle als Dozentin, sondern unterrichtete an einer dem College angegliederten High School. Nachdem sie wiederholt bei Beförderungen übergangen worden war, beschloss sie 1930, an die Universität von Oklahoma zurückzukehren, um erneut bei Dale zu studieren.
Angie schrieb ihre Doktorarbeit über die Choctaw-Indianer, einen der “Fünf zivilisierten Stämme”, die Anfang des 19. Jahrhunderts gezwungen worden waren, aus ihrer Heimat im Südosten nach Ost-Oklahoma zu ziehen, um Platz für weiße Siedler zu schaffen. Debos Methode war einzigartig: Während andere Indianerhistoriker vor allem Militärgeschichte auf der Grundlage von Erinnerungen von Soldaten und Regierungsberichten über die Indianerpolitik des Bundes verfasst hatten, zog Angie archivierte Stammesunterlagen, unveröffentlichte Quellen und anthropologische Arbeiten heran. Eines ihrer Hauptthemen war das Unrecht gegen die Choctaws durch die Zuteilungspolitik der Regierung. Der Dawes Act von 1887 hatte die Vermessung von Indianerland und dessen Aufteilung in Zuteilungen für einzelne Indianer angeordnet, um die Indianer an die herrschende Gesellschaft zu anzupassen. Senator Henry Dawes aus Massachusetts, der Autor des Gesetzes, lobte zwar einige Aspekte der indianischen Kultur, kritisierte sie aber dennoch, weil “es an Egoismus fehlt, der der Zivilisation zugrunde liegt. Solange dieses Volk nicht bereit ist, sein Land aufzugeben und es unter seinen Bürgern aufzuteilen, so dass jeder das Land besitzen kann, das er bewirtschaftet, wird es nicht mehr viele Fortschritte machen.”
Die Zuteilung bedeutete für die Choctaws und andere IndianerInnenstämme einen großen Verlust an Land und Ressourcen. Debos Dissertation mit dem Titel The Rise and Fall of the Choctaw Republic (Aufstieg und Fall der Choctaw-Republik) wurde 1934 von der University of Oklahoma Press in einer vom Verleger Joseph Brandt begründeten Reihe, der Civilization of the American Indian Series, als Buch veröffentlicht. Debo war nicht nur die erste promovierte Frau an der Fakultät der West Texas State University, sondern ihr Buch über die Choctaws wurde auch mit dem John H. Dunning Award der American Historical Association ausgezeichnet. Möglicherweise aus diesen Gründen sowie wegen der Abneigung eines anderen (männlichen) Fakultätsmitglieds entließ ihre Hochschule sie 1934.
Nunmehr arbeitslos, kehrte Angie in ihr Elternhaus in Marshall zurück und begann, die Geschichte der “Fünf zivilisierten Stämme” zu erforschen. Neben den Choctaws waren dies die Chickasaws, Cherokees, Creeks und Seminolen. Diese Stämme hatten nach ihrer Umsiedlung nach Ost-Oklahoma zwar viele Merkmale der weißen Kultur übernommen und sich “zivilisiert”, aber sie hatten ihre eigenen Regierungen und Gerichte eingerichtet und bewirtschafteten gemeinschaftliches Land. Doch der Curtis Act von 1898, ein Zusatz zum Dawes Act, trieb das Ziel der Assimilierung weiter voran: Die Indianer wurden gezwungen, nicht nur ihr Gemeindeland, sondern auch ihre Gerichte und im wesentlichen auch ihre Lebensweise aufzugeben. Im Jahr 1927 führte die Regierung eine umfassende Untersuchung über die Lebensbedingungen der amerikanischen IndianerInnen durch, darunter auch derjenigen in Oklahoma. Der Bericht, der so genannte Meriam Report, wurde im folgenden Jahr veröffentlicht. Er dokumentierte miserable Sozial-, Gesundheits- und Bildungseinrichtungen und stellte fest, dass die Politik der Assimilierung der Indianer an die vorherrschende Kultur möglicherweise nicht der beste Weg sei, um das “Indianerproblem” zu lösen.
Zwischen 1934 und 1936 erforschte Angie, zum Teil finanziert durch ein Stipendium, die oft sehr bestürzende Geschichte der fünf Stämme. Dale verschaffte ihr Zugang zu Regierungsdokumenten, die im Keller des Innenministeriums in Washington, D.C., aufbewahrt wurden. Sie fand heraus, dass so genannte “Grafters” (Ganoven) die IndianerInnen auf vielfältige Weise ausnutzten, insbesondere diejenigen, auf deren Land Öl gefunden wurde. Es gab Fälle von Entführungen, Morden und Entführungen von potenziell wohlhabenden Kindern, um deren Vormund zu werden und Zugang zu deren Land und Reichtum zu erhalten. Debo erklärte später, dass sie, als sie mit diesem Projekt begann, nicht gewusst hatte, worauf sie sich einließ - dass Ost-Oklahoma und Oklahoma überhaupt von einer kriminellen Organisation beherrscht wurde, die die Indianer um ihr Land betrügen wollte”. Rückblickend sagte Debo, dass die Durchführung dieser Forschungsarbeit eine der schlimmsten Erfahrungen ihres Lebens war. Sie erinnert sich: “Alles, was ich anfasste, schien schleimig zu sein ... Ich ging durch eine Art dunklen Korridor, weil ich hauptsächlich in Kellern [von Gerichtsgebäuden] arbeitete, an Material, das noch nie zuvor benutzt worden war. [Und] ich hatte einfach Angst. Ich nahm eine Zeitung in die Hand, und auf der Titelseite standen die Namen der Leute, die ihre Macht und ihren Ruhm durch den Raub an den Indianern erlangt hatten, und auch das war kriminell. Und wenn ich mir die Gesellschaftsseite anschaute, waren da ihre Frauen und die anderen Frauen ihrer Familie, und es schien einfach eine schreckliche Erfahrung zu sein.”
Doch Debo blieb hartnäckig und dokumentierte solche Verbrechen, wie ihre Biografin Shirley Leckie feststellte, “mit allen dramatischen, vernichtenden Details”. Sie begann das Vorwort mit diesen Worten: “Jedes Schulkind weiß, dass von der Besiedlung Jamestowns bis in die 1870er Jahre der Krieg gegen die Indianer eine ständige Begleiterscheinung der amerikanischen Pionierzeit war, aber die zweite Phase der Enteignung der IndianerInnen ist nicht so romantisch und allgemein bekannt. Auf das Zeitalter der militärischen Eroberung folgte das Zeitalter der wirtschaftlichen Absorption, als die Flinte des Grenzgängers durch den Gesetzeserlass und das Gerichtsurteil des legalen Ausbeuters und die Pacht, die Hypothek und die Besitzurkunde des Landhais abgelöst wurde.” In ihrem Text ließ sie häufig Indianer zu Wort kommen, indem sie lange Passagen aus Aussagen von Indianern zitierte, die sie vor Zuteilungsausschüssen und bei Untersuchungen des Kongresses gemacht hatten. In einem solchen Fall zitierte sie einen Creek-Mann, Eufaula Harjo, der sich auf den ursprünglichen Vertrag bezog, den die amerikanische Regierung mit dem Stamm geschlossen hatte: “Wir Vollblutindianer lebten früher östlich des Mississippi und schlossen einen Vertrag mit dem weißen Mann. Dieser Vertrag wurde 1832 am 24. März geschlossen….Dieses Land wurde uns für immer gegeben, solange Gras wachsen und Wasser fließen sollte. Es wurde uns gegeben und die Regierung der Vereinigten Staaten hat das Land ohne die Zustimmung der Indianer aufgeteilt. Die Indianer wussten nichts davon, bis das Land aufgeteilt wurde, und das geschah ohne ihre Zustimmung.”
Debo reichte ihr Manuskript 1936 bei der University of Oklahoma Press ein. Wegen des potenziell “anstößigen” Charakters von Teilen des Inhalts - einige der von ihr beschuldigten Personen waren noch am Leben, einige sogar in der staatlichen Legislative, und sie hatte Namen genannt - fürchtete der Verlag jedoch Verleumdungsklagen. Man sorgte sich, dass die Veröffentlichung den Verlag gefährden und reiche Unterstützer der Universität verärgern könnte. Außerdem wusste Angie, was Kate Barnard passiert war, die sie bewunderte: Barnard, die erste Direktorin des Oklahoma Department of Charities and Corrections, hatte versucht, indianische Waisenkinder vor korrupten Vormündern zu schützen, und dadurch die Finanzierung ihrer Abteilung verloren. Die Meinung eines Befürworters von Debos Manuskript im Verlag, Direktor Joseph Brandt, reichte nicht; das Manuskript wurde abgelehnt.
Im folgenden Jahr wechselte Brandt jedoch zur Princeton University Press, die - nachdem sie möglicherweise justiziables Material entfernt hatte - 1940 And Still the Waters Run: the Betrayal of the Five Civilized Tribes veröffentlichte. Debo war vorsichtig optimistisch in Bezug auf ein solches Ergebnis gewesen, als sie mit einem Augenzwinkern bemerkte: “Die Princeton Press ist nicht von den Politikern in Oklahoma abhängig, wenn es um die Bereitstellung von Mitteln geht.” Vier Jahrzehnte später, im Jahr 1984, hatte sich die Einstellung geändert - die University of Oklahoma Press veröffentlichte endlich eine Taschenbuchausgabe des Buches. Brandt war stolz darauf, sowohl Debos Buch über die Choctaws als auch ihr Buch über die Fünf zivilisierten Stämme veröffentlicht zu haben. Er sagte voraus, dass die AmerikanerInnen erkennen würden, dass das letztgenannte Buch “zu den bedeutendsten Geschichtswerken gehört, die in diesem Land veröffentlicht wurden”, aber erst, wenn sie verstanden hätten, dass “die IndianerInnen für unser Wissen über uns selbst genauso wichtig sind wie die griechische oder römische Zivilisation”. Die Bedeutung des Buches sowie einiger ihrer anderen Bücher über IndianerInnen wird auch dadurch belegt, dass die darin enthaltenen wissenschaftlichen Erkenntnisse in Gerichtsverfahren zur Unterstützung der Rechte der IndianerInnen als Beweismittel verwendet wurden. Debo sagte später, dieses Buch sei ihr wichtigstes Werk.
Debo hoffte, dass Dale sie angesichts ihrer wachsenden Zahl von Veröffentlichungen und Zeugnissen als Dozentin an der Universität von Oklahoma einstellen würde, aber auch hier setzte sich der Sexismus durch - er stellte sie nicht ein, nicht einmal als Vertretung, obwohl er männliche Professoren einstellte, die nicht besser qualifiziert waren als sie. Zwischen 1934 und 1947 hatte Debo keine feste Anstellung, aber sie hatte einige Arbeit. Gelegentlich unterrichtete sie auch an der High School. 1940 bewarb sie sich um eine Stelle beim Federal Writers Project in Oklahoma und wurde dessen Leiterin. Das Projekt wurde zur Unterstützung von SchriftstellerInnen während der Depression gegründet und war Teil der Works Progress Administration (WPA). Debo schrieb einen Beitrag für den WPA Guide to 1930s Oklahoma, der im folgenden Jahr veröffentlicht wurde. Im Jahr 1947 erhielt sie schließlich eine Stelle als Kuratorin der kartographischen Abteilung an der Bibliothek der Oklahoma A & M (Agricultural & Mechanical) University.
Ironischerweise lehnte Debo, obwohl die Universität ihr schließlich einige Stellen anbot, diese ab - sie wollte stattdessen schreiben. Sie schrieb noch mehrere Bücher über IndianerInnen und gab andere heraus. Dazu gehörten eine Geschichte der Creek-IndianerInnen, eine allgemeine Geschichte der IndianerInnen in den Vereinigten Staaten und Geronimo: The Man, His Time, His Place, eine Biografie des großen Apachenführers, in der sie seinem Image als wilder, rücksichtsloser Krieger ein nachdenkliches und mitfühlendes Verständnis für den Mann und seine vielen Schwierigkeiten entgegensetzte. Sie interviewte auch einige der “VollblutindianerInnen”, die in abgelegenen Teilen Oklahomas lebten, und veröffentlichte 1951 auf der Grundlage dieser Feldforschung eine Broschüre, in der sie deren Lebensbedingungen beklagte: The Five Civilized Tribes of Oklahoma: a Report on Social and Economic Conditions. Vielleicht paradoxerweise war Debo trotz ihrer äußerst kritischen Haltung gegenüber der Behandlung der IndianerInnen durch den Staat auch eine große Bewunderin des Pioniergeistes und der Stärke des Volkes von Oklahoma. Diese positive Einstellung spiegelte sich in zwei Büchern wider, die sie über die Geschichte Oklahomas schrieb, sowie in einem Roman, Prairie City, der auf dem Leben in Marshall und anderen nahe gelegenen Städten basiert.
Als sie sich ihren Siebzigern näherte, unternahm Debo viele internationale Reisen. Sie besuchte England und mehrere europäische Länder, gefolgt von Russland, das sie schon lange hatte sehen wollte. Diese Erfahrungen sowie Reisen nach Mexiko und Zentralafrika erweiterten ihren Blick auf die Rassenbeziehungen und die Bürgerrechte in ihrem eigenen Land. In ihren späteren Jahren wurde Angie zu einer Aktivistin, die sich für die Rechte indigener Völker und ähnliche Anliegen einsetzte. Sie stand dem Indian Relocation Act von 1956 kritisch gegenüber. Dieses Gesetz war Teil der Politik der “Indian Termination”, mit der die amerikanischen UreinwohnerInnen, die in oder in der Nähe von Indianerreservaten lebten, ermutigt wurden, in städtische Gebiete umzusiedeln. Angeblich sollten dadurch bessere Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen werden, doch Debo vermutete, dass es sich um einen weiteren Versuch handelte, die Kontrolle über das Land der Indianer zu erlangen. Sie begann, alljährlich Weihnachtsbriefe an ihre FreundInnen zu verschicken, in denen sie sie aufforderte, an Kongressabgeordnete und SenatorInnen zu schreiben, um bestimmte Anliegen zu unterstützen. Die Zahl der EmpfängerInnen im ganzen Land wuchs und wurde zu ihrem AktivistInnen-“Netzwerk”. In regelmäßigen Rundbriefen unterstützte Debo Maßnahmen für zahlreiche indigene Stämme, wie Land- und Wasserrechte für die UreinwohnerInnen Alaskas und für die Stämme der Havasupai und Pima in Arizona.
In anderen Bereichen war Angie gegen den Vietnamkrieg und unterstützte nachdrücklich die American Civil Liberties Union (ACLU), um die Rechte von Kriegsgegnern zu schützen. Eine feministische Professorin an der Oklahoma State University, Gloria Valencia-Weber, erinnerte in ihrer Laudatio auf Debo daran, dass “sie die ACLU an Universitäten oder in anderen Einrichtungen vertrat, um das Recht auf Schutz durch den ersten Verfassungszusatz für alle zu verteidigen, unabhängig von ihrer Botschaft ..... Sie verstieß gegen viele Erwartungen ihrer WidersacherInnen. Ich denke, dass sie vielleicht einen schmuddeligen, langhaarigen, bärtigen Hippie-Typ erwartet hatten, und da kam diese wunderbare Frau mit einem großmütterlichen Aussehen, unglaublichem Wissen, hervorragenden Referenzen und einem Sinn für Humor. Ihre GegnerInnen wussten einfach nicht, wie sie mit einer so kenntnisreichen und würdevollen Höllenhündin umgehen sollten.” Andererseits war Debo nicht mit den Taktiken einiger militanterer Indianerrechtsgruppen wie der American Indian Movement (AIM) einverstanden. Sie beteiligte sich auch nicht an der feministischen Bewegung an sich, sondern war ihre eigene Feministin.
Die meisten von Debos FreundInneen, KollegInnen und GegnerInnen waren von ihrer Charakterstärke beeindruckt. In ihrer Arbeit galt sie als “Einzelkämpferin”, sehr unabhängig und willensstark. Gleichzeitig hatte sie einen ausgeprägten Sinn für die Gemeinschaft und war stets großzügig gegen ihre NachbarInnen oder KollegInnen. Ein Bewunderer bemerkte, dass sie “die Leidenden tröstete und die Wohlhabenden plagte” (comforted the afflicted and afflicted the comfortable). Debo hat nie geheiratet, obwohl sie als junge Frau zahlreiche Verehrer hatte. Sie akzeptierte, dass es in der Zeit, in der sie lebte, unmöglich gewesen wäre, Ehe und Kinder mit dem Beruf zu vereinbaren, den sie sich vorstellte. Wie Rachel Carson stand sie ihrer Mutter sehr nahe; Angie und Lina Debo verließen sich bis zu Linas Tod im Jahr 1954 auf ihre gegenseitige emotionale und sonstige Unterstützung. Ihr ganzes Leben lang fühlte sich Debo in ihrer Heimatstadt Marshall verwurzelt und war ihr zugetan, was Valencia-Weber zu der Feststellung veranlasste, dass sie “eine lebenslange Liebesbeziehung zu Marshall und seinen Menschen” hatte.
Mitte der 1970er Jahre begann sich Debos Gesundheit zu verschlechtern. Sie bekam Osteoporose und wurde langsam taub. 1976 stellte man bei ihr Dickdarmkrebs fest. Sie wurde operiert und erholte sich gut (wobei sie ihren FreundInnen mit dem für sie typischen Witz mitteilte, sie habe nun ein Semikolon, ein Teil ihres Dickdarms (engl.: colon) sei entfernt worden). Auch ihre Augen wurden immer schwächer. Für ihre Recherchen und Interviews war Debo durch ganz Oklahoma und noch weiter gefahren; ihr letztes Auto, das sie zwanzig Jahre lang genutzt hatte, wurde immer unzuverlässiger. FreundInnen drängten sie, ein neues Auto zu kaufen, was sie ablehnte; dann sollte sie aufhören zu fahren, was sie ebenfalls ablehnte, aber schließlich gab sie nach. Als FreundInnen sie zu Treffen fahren wollten, ermahnte sie sie, lieber sichere FahrerInnen aufzutreiben, denn “ich bin noch nicht mit Geronimo fertig. Ich werde nichts Gefährliches tun, bis ich das Buch beendet habe.”
Im Laufe der Jahre erntete Debo immer mehr Anerkennung für ihre Arbeit. Ab 1950 erhielt sie viele Auszeichnungen und Ehrungen. Im Jahr 1958 würdigte Marshall sie mit einem Angie Debo Recognition Day. Im Jahr 1950 wurde sie in die Oklahoma Hall of Fame und - viel später - 1984 in die Oklahoma Women's Hall of Fame aufgenommen. Sie erhielt die Ehrendoktorwürde der Wake Forest University und der Phillips University sowie Auszeichnungen von mehreren historischen Vereinigungen. 1985 gab der Staat Oklahoma bei dem Künstler Charles Banks Wilson ein offizielles Porträt von Debo in Auftrag, das in der Rotunde des Oklahoma State Capitol in Oklahoma City neben Porträts zweier der beliebtesten Söhne Oklahomas, Will Rogers und Jim Thorpe, aufgestellt wurde. 1987 erhielt sie den Award for Scholarly Distinction der American Historical Association, der ihr von Gouverneur Henry Bellmon in einer Zeremonie im Januar 1988 in Marshall überreicht wurde, einen Monat bevor sie starb.
Die Historikerin Ellen Fitzpatrick hat sich zu Debos Beitrag zur Schaffung einer “neuen indianischen Geschichte” geäußert, in der die IndianerInnen im Mittelpunkt stehen. “Tatsächlich”, schreibt sie, “bot Debo eine umgekehrte Turner-These an - eine These, die das Vordringen der Grenze mit dem Schwinden demokratischer Werte und dem Aufkommen eines destruktiven amerikanischen Charakters verband.” Fitzpatrick erinnert uns auch an die Umstände, unter denen Debo arbeitete: “Fast ihr ganzes Leben lang als Historikerin der verschiedenen Privilegien beraubt, die eine akademische Ernennung mit sich gebracht hätte, arbeitete Debo fast sechzig Jahre lang in schmerzlicher Isolation unter entmutigenden Umständen daran, aufzuzeigen, wie die amerikanischen UreinwohnerInnen ihre eigene Geschichte erlebten und gestalteten.”
Mit dem Aufkommen der Frauen- und Bürgerrechtsbewegung in den 1960er und 70er Jahren begannen Wissenschaftlerinnen, das Leben herausragender Frauen eingehend zu untersuchen. Valencia-Weber und eine Kollegin, Glenna Matthews, interviewten Debo. Daraus erwuchs das Interesse, einen Film über ihr Leben zu drehen. Das Ergebnis war “Indians, Outlaws and Angie Debo”, in dem die damals 98-jährige Debo ihre Geschichte erzählte. Leider starb sie, bevor der Film veröffentlicht wurde. Am Ende des Films sagte Debo, dass es eine besondere Eigenschaft gab, die in ihrem Leben den Unterschied ausmachte - “und das war Tatkraft (drive)”. Auf ihrem Grabstein steht: “Historikerin, entdecke die Wahrheit und veröffentliche sie.” Das hat sie getan und mehr. Valencia-Weber stellte fest, dass Angie Debo “gleich mehrere Lebensleistungen - als Wissenschaftlerin, als Kämpferin für Menschenrechte und als verantwortungsbewusstes Mitglied der Gemeinschaft, die das Leben vieler Menschen bereichert hat - in sich vereinte. Sie hat die Welt eindeutig besser hinterlassen, als sie sie betreten hat.”
Verfasserin: Dorian Brooks
Literatur & Quellen
Abrash, Barbara, “Case Study: Indians, Outlaws and Angie Debo,” Center for Media and Social Impact, http://cmsimpact.org/resource/case-study-indians-outlaws-and-angie-debo/
Fitzpatrick, Ellen, History’s Memory: Writing America’s Past, 1880 – 1980 (Cambridge, MA: Harvard University Press, 2004).
Foreman, Grant, Indian Removal: the Emigration of the Five Civilized Tribes (Norman, OK: University of Oklahoma Press, 1932), Foreword by Angie Debo.
Leckie, Shirley A., Angie Debo, Pioneering Historian (Norman, OK: University of Oklahoma Press, 2000).
Limerick, Patricia Nelson, “Land, Justice, and Angie Debo: Telling the Truth To – and About – Your Neighbors,” Great Plains Quarterly, Vol. 21, No. 4 (Fall 2001), pp. 261-273, http://www.jstor.org/stable/23532948?seq=1#page_scan_tab_contents
Schrems, Suzanne H. and Cynthia J. Wolff, “Politics and Libel: Angie Debo and the Publication of And Still The Waters Run,” Western Historical Quarterly, Vol. 22, No. 2 (May, 1991), pp. 184-203 http://www.jstor.org/stable/969205
Valencia-Weber, Gloria, “Eulogy: A Perspective on the Life of Angie Debo,” 1988 http://info.library.okstate.edu/c.php?g=151950&p=999447
Bücher von Angie Debo
The Historical Background of the American Policy of Isolation, by J. Fred Rippy & Angie Debo (Northampton, Mass.: Smith College Studies in History, 1924).
The Rise and Fall of the Choctaw Republic (Norman: University of Oklahoma Press, 1934, 2nd edition, 1961), ISBN 0-585-19818-7.
And Still the Waters Run: The Betrayal of the Five Civilized Tribes (Princeton: Princeton University Press, 1940; new edition, Norman: University of Oklahoma Press, 1984), ISBN 0-691-04615-8.
The Road to Disappearance: A History of the Creek Indians (Norman: University of Oklahoma Press, 1941; new edition, 1979), ISBN 0-8061-1532-7.
Tulsa: From Creek Town to Oil Capital (Norman: University of Oklahoma Press, 1943).
Prairie City: The Story of an American Community (New York: Knopf, 1944; new edition, Tulsa: Council Oak Books, 1986; new edition, Norman: University Press of Oklahoma, 1998), ISBN 0-8061-2066-5 (a novel).
Oklahoma: Foot-Loose and Fancy-Free. Norman: University of Oklahoma Press, 1949; new edition, 1987, ISBN 0-8061-2066-5.
The Five Civilized Tribes of Oklahoma: A Report on Social and Economic Conditions (Philadelphia: Indian Rights Association, 1951).
A History of the Indians of the United States (Norman: University of Oklahoma Press, 1970), ISBN 0-8061-1888-1, (new edition, 2013), available online at Googlebooks.
Geronimo: The Man, His Time, His Place (Norman: University of Oklahoma Press, 1976/1982), ISBN 0-8061-1828-8, almost all available online at Googlebooks.
Sollten Sie RechteinhaberIn eines Bildes und mit der Verwendung auf dieser Seite nicht einverstanden sein, setzen Sie sich bitte mit Fembio in Verbindung.