(Angela Yvonne Davis, Angela Y. Davis, Angela Cecilia Davis)
geboren am 26. Januar 1944 in Birmingham, Alabama
US-amerikanische Aktivistin, BürgerInnenrechtlerin, Feministin, politische Philosophin und Autorin
80. Geburtstag am 26. Januar 2024
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Seit sie 1970 zum erstenmal durch ihre Verhaftung und den anschließenden Prozeß wegen Verschwörung, Kidnapping und Mordes öffentliches Aufsehen erregte, hat die radikale politische Aktivistin und Intellektuelle Angela Davis sich für viele Anliegen engagiert: BürgerInnen- und Frauenrechte, Armutsbekämpfung und Weltfrieden, Reform des amerikanischen Gesundheitswesens und des Gefängnissystems. Damals war die Kämpferin für die Rechte von Gefangenen in einen Fall verwickelt, der sie für 16 Monate ins Gefängnis brachte und weltweit bekannt machte. Die “Free-Angela”-Bewegung wurde zum internationalen Symbol für den Mißbrauch der Justizmacht gegenüber Minderheiten. Davis wurde 1972 freigesprochen und kann inzwischen auf eine lange Karriere als Professorin und weltweit gefragte Vortragsrednerin zurückblicken, die im Interesse der sozial und politisch Unterdrückten revolutionäre Veränderung fordert.
Ihre Leidenschaft für soziale Reformen wurzelt in ihrer Kindheit in Birmingham, Alabama - eine schwierige Zeit für Schwarze in den amerikanischen Südstaaten. Als ältestes Kind von Eltern, die beide studiert hatten, wuchs Angela Davis in einem rassengetrenntem Stadtteil auf, wo Bombenanschläge des Ku Klux Klan, einer gewalttätigen rassistischen Organisation, so häufig waren, daß er “Dynamite Hill” genannt wurde. (Im selben Stadtteil wuchsen auch Condoleezza Rice und Alma Johnson, die spätere Frau von Colin Powell, auf.) Davis’ Großmutter vermittelte ihr ein starkes Bewußtsein ihrer Identität als Afroamerikanerin, und mit der unerschrockenen, politisch engagierten Mutter nahm sie in Birmingham an verschiedenen BürgerInnenrechtsveranstaltungen und –demonstrationen teil. Als Angela eine integrierte SchülerInnenorganisation mit Weissen und Schwarzen gründen wollte, wurde die Gruppe von der Polizei zuerst drangsaliert, dann aufgelöst.
1956 bekam Davis ein Stipendium für eine fortschrittliche Privatschule in New York und erlebte zum ersten Mal eine integriertere Gesellschaft. Sie kam dort auch mit dem Sozialismus und dem Kommunismus in Berührung und schloß sich einer marxistisch-leninistischen Gruppe an. Später studierte sie (wieder mit Hilfe eines Stipendums) als eine der wenigen Schwarzen an der Brandeis-Universität in Massachusetts und machte 1965 ihren Abschluß in französischer Literatur magna cum laude. Hier lernte sie auch den Politikphilosophen Herbert Marcuse kennen, der sie als seine begabteste Schülerin überhaupt bezeichnete.
1963-64 studierte Davis Philosophie an der Sorbonne, wo ihre Ideen zur radikalen politischen Veränderung sich durch den Kontakt mit Studierenden aus afrikanischen Kolonien weiter entwickelten. Der Bombenanschlag auf eine Kirche in Birmingham, bei dem vier Mädchen starben, die ihr persönlich bekannt waren, radikalisierte sie weiter. Davis setzte 1965-67 ihr Studium der politischen Philosophie in Frankfurt fort und kehrte 1967 in die USA zurück, um sich aktiv in der Bürgerrechtsbewegung zu engagieren. An der Universität von Kalifornien in San Diego machte sie bei Marcuse ihren Magister in Philosophie. 1969 begann sie als Assistant Professorin an der UCLA zu lehren. 1970 hatte sie fast alle Voraussetzungen für die Promotion erfüllt, als ihr politischer Aktivismus sie dramatisch in die Öffentlichkeit katapultierte.
Als Studentin in San Diego hatte sich Davis der SNCC (Student Nonviolent Coordinating Committee) und den Black Panthers angeschlossen. Da ihr aber der Chauvinismus dieser männerdominierten Organisationen nicht gefiel, engagierte sie sich lieber als Mitglied des Che-Lumumba-Clubs, einer schwarzen Fraktion der Kommunistischen Partei in Los Angeles. Wegen dieser KP-Zugehörigkeit wurde sie trotz ihrer hohen Bewertung als objektive und beliebte Professorin 1969 vom kalifornischen Universitätsaufsichtsrat und von Gouverneur Ronald Reagan gefeuert. Ein Gerichtsbeschluß setzte sie zwar nach Protesten von Studierenden, Lehrpersonal und Verwaltung ihrer Uni wieder ein, aber ihr Vertrag wurde im nächsten Jahr vom Staat nicht verlängert. Die vorgeschobenen Gründe: ihre unabgeschlossene Dissertation und ihr radikales Engagement für die “Soledad Brothers”.
Sie engagierte sich damals für drei Gefangene im Soledad-Gefängnis, die eine marxistische Gruppe unter den Gefangenen organisieren wollten und die von den Wächtern oft mißhandelt wurden. Davis fing an, Proteste zu organisieren, Geld für ihre Verteidigung zu sammeln, und für ihre Freilassung öffentliche Reden zu halten. Sie hatte deswegen schon Morddrohungen bekommen und sich daher zum Schutz Schußwaffen gekauft. Diese Waffen wurden 1970 von dem Bruder eines der Gefangenen in einem dramatischen Befreiungsversuch aus einem Gerichtssaal eingesetzt, wobei ein Richter und andere ums Leben kamen. Als Besitzerin der Waffen in den Fall verwickelt, floh Davis und kam auf die FBI-Liste der “10 Most Wanted” VerbrecherInnen. Als sie in New York gefunden wurde, kam sie für über ein Jahr in Untersuchungshaft; währenddessen bildete sich eine riesige “Free-Angela”-Bewegung, die weltweit gegen den Machtmißbrauch des Justizsystems protestierte. Sie erregte internationales Aufsehen, vor allem in der Sowjetunion, aber auch als Pop-Ikone: John Lennon und Yoko Ono sowie die Rolling Stones und Franz Josef Degenhardt widmeten ihr Songs. Davis verstand sich als politische Gefangene und empfand ihre Zeit hinter Gittern als entscheidend für die Entwicklung ihrer politischen Einstellung. “Ich begann, die Realitäten im heutigen Kampf der Schwarzen auf viel konkretere Weise zu verstehen”.
1972 sprach das Gericht sie in allen Punkten der Anklage frei. Sie begann sofort eine Vortragstournee durch die USA, sprach und schrieb über BürgerInnenrechte, Gefängnisreform und soziale Gerechtigkeit.
Davis kandidierte als Kommunistin 1980 und 1984 für das Amt der Vize-Präsidentin der USA, dadurch hob sie den Bekanntheitsgrad der Kommunistischen Partei unter der afroamerikanischen Bevölkerung. Die Verbindung mit der Partei beeinträchtigte ihre akademische Laufbahn noch einige Jahre nach dem Freispruch, aber ab 1979 unterrichtete sie an der San Francisco State University, und seit 1992 ist sie Professorin für History of Consciousness an der University of California in Santa Cruz. Sie ist Ehrendoktorin der Lenin-Universität (UdssR) und der Universität Leipzig und hat 1979 den Lenin-Friedenspreis der Sowjetunion bekommen. Davis gründete die National Alliance Against Racist and Political Oppression (Nationaler Verband gegen rassistische und politische Unterdrückung), eine Weiterentwicklung der “Free-Angela”-Bewegung. Seit Mitte der 80er ist sie Mitglied im National Political Congress of Black Women und sitzt im Vorstand des National Black Women’s Health Project. 1997 hat sie sich als Lesbe geoutet. 1991 trat sie aus der kommunistischen Partei aus und ist jetzt Vorstandsmitglied der Committees of Correspondence for Democracy and Socialism, einer sozialdemokratischen Organisation.
Davis hat zahlreiche Aufsätze und mehrere Bücher veröffentlicht, darunter ihre Autobiographie (1974, revidierte Ausgabe 1990 = Mein Herz wollte Freiheit: Eine Autobiographie, 1975), Bücher über Frauen und Feminismus und über radikale Gefängnisreform (eigentlich ist sie für die Abschaffung von Gefängnissen). Besonders interessant für die Geschichte und Analyse der Frauenbewegung: Women, Race and Class (1982 = Rassismus und Sexismus: Schwarze Frauen und Klassenkampf in den USA), Women, Culture and Politics (1989) und Blues Legacies and Black Feminism: Gertrude “Ma” Rainey, Bessie Smith and Billie Holiday (1998). Neuere Bücher sind Are Prisons Obsolete? (2003 = Eine Gesellschaft ohne Gefängnisse? Der gefängnisindustrielle Komplex der USA, 2004) und Abolition Democracy – Beyond Empire, Prisons, and Torture, 2005).
National wie international ist Angela Davis eine gefragte Rednerin: ob in Sachen Frauenrechte, Frieden und Abrüstung, Arbeitsbedingungen, Gesundheitswesen oder Abschaffung von Gefängnissen, immer betont Davis die Notwendigkeit sozialen Wandels, und der, glaubt sie, ist nur durch eine politisch basierte Koalitionsbildung möglich, die über die Rassenunterschiede hinausgeht und Unterschiede auch in den Bereichen Klasse, Gender, Kultur und sexuelle Orientierung einbezieht. “Wir müssen berücksichtigen, daß all diese Institutionen und Gesinnungen miteinander verwachsen sind.”
(Eine Reihe von Originalzitate von Angela Davis finden Sie in der engl. Version).
(Übersetzung aus dem Engl. von Joey Horsley und Luise F. Pusch)
Verfasserin: Katherine E. Horsley
Literatur & Quellen
Davis, Angela. 1975. Mein Herz wollte Freiheit: eine Autobiographie. Aus d. am. Engl. von Walter Hasenclever. München. dtv (1990: An Autobiography. 2. revidierte engl. Ausgabe. New York. International Publishers)
Davis, Angela. 1982. Rassismus und Sexismus: schwarze Frauen und Klassenkampf in den USA. Aus d. am. Engl. von Erika Stöppler. Berlin. Elefanten (= Women, Race & Class, 1981)
Davis, Angela. 2004. Eine Gesellschaft ohne Gefängnisse? Der gefängnisindustrielle Komplex der USA. Aus d. am. Engl. von Michael Schiffmann
Davis, Angela. 1989. Women, Culture, & Politics. New York. Random House.
Davis, Angela. 1998. The Angela Y. Davis Reader. Hg Joy James. Cambridge, MA. Blackwell.
Davis, Angela. 1998. Blues Legacies and Black Feminism: Gertrude “Ma” Rainey, Bessie Smith, and Billie Holiday. New York. Pantheon
Davis, Angela. 2005. Abolition Democracy: Beyond Empire, Prisons, and Torture. (Interviews mit Angela Davis). New York: Seven Stories Press
“Angela Davis.” 2008. Wikipedia.
Frontline Interview mit Angela Davis. 1998. “The Two Nations of Black America.” Interview abgehalten 1997. http://www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/shows/race/interviews/davis.html
Younge, Gary. 8.11.2007. “’We used to think there was a black community’” (Interview mit und Kommentar über Angela Davis.) The Guardian.
“Angela Davis.” 2002. Contemporary Authors Online, Gale. Reproduced in Biography Resource Center. Farmington Hills, Mich: Gale 2008.
“Angela Davis.” 1993. Contemporary Black Biography, Volume 5. Gale Research. Reproduced in Biography Resource Center. Farmington Hills, Mich: Gale 2008.
“Angela Davis.” 1998. Encyclopedia of World Biography, 2nd ed. 17 Vols. Gale Research. Reproduced in Biography Resource Center. Farmington Hills, Mich: Gale 2008.
Angela (Yvonne) Davis.” 1996. Feminist Writers. St. James Press. Reproduced in Biography Resource Center. Farmington Hills, Mich: Gale 2008.
“Angela Davis.” 1998. Newsmakers 1998, Issue 3. Gale Group. Reproduced in Biography Resource Center. Farmington Hills, Mich: Gale 2008.
“Angela Davis.” 1992. Notable Black American Women, Book 1. Gale Research. Reproduced in Biography Resource Center. Farmington Hills, Mich.
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