By may! from New York City - IMG_1159, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=18231060
geboren am 27. April 1941 in Saint-Louis (Senegal)
80. Geburtstag am 27. April 2021
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Bei Besuchen in Europa wurde die senegalesische Schriftstellerin immer wieder gefragt, warum sie sich nicht vorrangig der Probleme der Frauen in ihrem Land annehme. Und immer wieder erklärte Aminata Sow Fall, sie sei keine Feministin. Ihre muslimische Familie habe sie auf ihrem beruflichen Weg unterstützt. Ihr Mann, mit dem sie vier Kinder hat, mische sich nicht in ihre Angelegenheiten ein.
Die relative Selbstständigkeit der senegalesischen Frauen geht auf vorislamische matrilineare Strukturen zurück, die auch in der Kolonialzeit nicht ganz verschwunden sind.
Aminata Sow Fall wuchs unter privilegierten Bedingungen auf: in einer angesehenen Familie in Saint-Louis, deren Einwohner die französische Staatsbürgerschaft hatten. Ihr Vater war ein hoher Beamter in der Kolonialverwaltung, der großen Wert auf eine gute Ausbildung seiner Tochter legte. Aminata besuchte die Koranschule, die französische Grundschule und das Gymnasium. Nach dem Abitur in Dakar studierte sie Romanistik an der Sorbonne in Paris, kehrte dann in ihre Heimat zurück und unterrichte dort bis 1979 am Gymnasium. In dieser Zeit war sie Mitarbeiterin der staatlichen Kommission zur Reform des Französischunterrichts, schrieb selbst ein Schulbuch für den Literaturunterricht sowie - während eines Mutterschaftsurlaubes - ihren ersten Roman, der 1976 in Dakar erschien und als erstes französischsprachiges literarisches Werk einer subsaharischen Autorin gilt: „Die wundersame Verwandlung des Bakar Diop“, in dem sie senegalesische Verschwendungssucht aufs Korn nimmt. Später leitete sie eine ministeriale Behörde für literarisches und intellektuelles Eigentum und wurde Direktorin des Zentrums zur Erforschung der mündlichen Überlieferung. 1979 gründete sie einen Verlag in Dakar: die Editions Khoudia, sowie in den folgenden Jahren verschiedene Zentren zur Belebung des kulturellen Austausches und zur Unterstützung schriftstellerischer Arbeit - auch in Hinblick auf die Freiheit des Wortes.
Ihr zweiter Roman, „Der Streik der Bettler“ (1979) war ein großer Erfolg. Er stand auf der Auswahlliste zum Prix Goncourt, bekam dann den „Großen Literaturpreis Schwarzafrikas“ und wurde in einer Bühnenfassung in Dakar und auch außerhalb Senegals gezeigt. Er zeigt, dass die Gesellschaft auf ihre Armen angewiesen ist, um harmonischen Ausgleich sowohl durch muslimische Barmherzigkeit als auch traditionelle Opferzeremonien herzustellen.
Aminata Sow Fall schreibt über die gesellschaftlichen Konflikte und die Herausforderungen, denen sich ein moderner Staat mit einer starken Tradition und einer kolonialen Vergangenheit stellen muss. Vom Bettler bis zum Staatschef (in „Der Sonnenpräsident“) kommt jede soziale Schicht in ihren Romanen zu Wort, oft in langen Dialogen, wie sie der afrikanischen mündlichen Überlieferung entsprechen.
In ihrem noch nicht ins Deutsche übersetzten Roman „Douceurs du bercail“ ist eine Frau Protagonistin eines modernen Dramas mit utopischen Zügen: Asta Diop wird trotz gültiger Papiere aus Frankreich ausgewiesen, gründet nach ihrer erzwungenen Rückkehr mit anderen gescheiterten Emigranten eine Kooperative, die die Prinzipien der Solidarität und des Widerstandes gegen die neuen Ausbeuter in alltägliches Leben umsetzen soll.
Aminata Sow Fall ist weltweit bekannt; ihre Romane wurden in viele Sprachen übersetzt; zu den zahlreichen Auszeichnungen, mit denen sie gewürdigt wurde, gehören auch US-amerikanische Ehrendoktortitel.
(Text von 2017)
Verfasserin: Almut Seiler-Dietrich
Literatur & Quellen
Deutsche Übersetzungen:
Die wundersame Verwandlung des Bakar Diop. Übersetzt von Cornelia Panzacchi. Göttingen: Lamuv, 1998. (=Le Revenant, 1976)
Der Streik der Bettler oder der menschliche Abfall. Übersetzt von Caroline Gutberlet. Frankfurt a.M.: Lembeck 1991, Taschenbuchausgabe Göttingen: Lamuv 1997. (=La Grève des Bàttu ou Les déchets humains, 1979 und 2001)
Bühnenadaptation: Uraufführung am Théâtre Sorano in Dakar am 1.4.1985. Verfilmt von Oumar Cissoko.
Die Rückkehr der Trommeln. Übersetzt von Cornelia Panzacchi. München, Wien: Kappa, 2001. (=L'appel des arènes, 1982)
Der Sonnenpräsident. Übersetzt von Cornelia Panzacchi. Göttingen: Lamuv 1997. (=L'ex-père de la nation, 1987)
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