Biographien Amelie (Melli) Beese-Boutard
(Amelie Hedwig Beese verh. Boutard)
geboren am 13.September 1886 in Laubegast bei Dresden
gestorben am 22. Dezember 1925 in Berlin
deutsche Flugpionierin
95. Todestag am 22. Dezember 2020
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Ihr Traum war es, mit einem Boot in den blauen Himmel zu fliegen. Schließlich lag das Flugboot, das sie konstruiert hatte, zum Abheben bereit. Doch der erste Weltkrieg begann…
In Laubegast bei Dresden als Amelie Hedwig Beese geboren, wird sie von ihren aufgeschlossenen wohlhabenden Eltern unterstützt, als sie sich 1906 für ein Studium der Bildhauerei an der Königlichen Akademie in Stockholm entscheidet. Ihre bildhauerischen Arbeiten erreichen große Anerkennung, aber ihre Leidenschaft gilt dem Hochseesegeln und dem Wunsch, frei zu sein wie ein Vogel. Fasziniert verfolgt sie die Nachrichten von den ersten Flugversuchen in der Welt.
1910 nach Dresden zurückgekehrt, gibt Melli Beese die Bildhauerei auf. Sie wendet sich dem Schiffsbau und der Flugwissenschaft zu. Ihr Vater, ein Architekt, finanziert die Flugausbildung, die sie im selben Jahr auf dem ersten deutschen Motorflugplatz in Johannisthal (südöstliches Berlin) beginnt. Es wird eine Ausbildung voller Widerstände: allein schon einen Fluglehrer zu finden! Schließlich nimmt sie Robert Thelen als erste Schülerin an. Da nur bei absoluter Windstille geflogen wird, ist Geduld angesagt, besonders für sie, die bei den Übungsflügen gar nicht oder als Letzte berücksichtigt wird. Nicht so sehr eine Bruchlandung, bei der sie mit einer langwierigen Fußverletzung davonkommt, erschwert ihren weiteren Weg, als vielmehr die Anfeindungen der Piloten und Konstrukteure. Sie sabotieren die Flüge des „Eindringlings in ihr Revier“ durch Manipulationen an der Mechanik des Flugapparats und am Benzintank. Technisch begabt, hartnäckig und entschlossen setzt sich Melli Beese gegen diese „Männerstreiche“ durch. An ihrem 25. Geburtstag im September 1911 besteht sie die Prüfung mit Bravour, hält als erste deutsche Frau eine Flugzeugführerlizenz in den Händen, wird nach 114 Piloten die erste Pilotin Deutschlands.
Vielleicht hat sie neben ihrem Verlangen, in den blauen Himmel zu fliegen, auch das Wissen um die Existenz anderer Pilotinnen in ihrem Durchsetzungsvermögen gestärkt: Im Jahr zuvor haben nämlich die Französinnen Thérèse Peltier, Raymonde Laroche, Marie Marvinght, Marthe Niel und die Belgierin Hélène Dutrieu den Flugführerschein gemacht. Vielleicht hat sie auch von der amerikanischen Luftakrobatin Blanche Stuart Scott gehört, die einem „Flugzirkus” angehört und waghalsige Kunststücke in der Luft vollbringt.
In der kurz nach ihrer Prüfung stattfindenden Johannisthaler Herbstflugwoche versuchen Melli Beeses Kollegen erneut, ihren Start zu verhindern. Doch der Flugplatzdirektor hat bereits mit der Teilnahme der ersten deutschen Pilotin geworben, wittert einen Publikumserfolg. Unter 24 Teilnehmern belegt sie wegen intriganter Fliegerkameraden „nur“ den 5. Platz, erflog allerdings zwei Weltrekorde für Damen bezüglich Flughöhe und Dauer. Öffentliche Aufmerksamkeit und Lob gehören jetzt ihr.
Etwa zur selben Zeit, im Oktober 2011, findet in den USA dererste internationale Damen-Flugwettbewerb statt, an dem Harriet Quimby, die erste lizensierte amerikanische Flugzeugführerin, Blanche Scott und Hélène Dutrieu teilnehmen.
Melli Beese eröffnet 1912 mit dem französischen Piloten Charles Boutard, den sie im Jahr darauf heiratet, die „Flugschule Melli Beese GmbH”. Sie entwirft einen neuen effektiveren Unterrichtsplan als bisher. Neben der Organisation und Leitung ihrer Flugschule konstruiert sie Flugzeuge, baut die „Melli–Beese-Taube” und natürlich an ihrem Flugboot weiter, erhält Patente auf ihre Konstruktionen.
Bereits im Zeichen des ersten Weltkriegs werden nur noch die großen Flugzeugwerke vom Staat unterstützt, die Piloten und Konstrukteure in Johannisthal aufgefordert, ihre Passion entweder in den Kriegsdienst zu stellen oder - sie erhalten keine Aufträge mehr, von denen Melli Beese sowieso ausgeschlossen ist.
Ihr Flugboot, mit dem sie in den blauen Himmel fliegen will, liegt zum Abflug in Warnemünde bereit, als am 1. August 1914 der Krieg deklariert wird. Es wird zerstört. Ihre gutgehende Fabrik und Flugschule geschlossen. Sie selbst, französische Staatsbürgerin geworden, und ihr Mann werden als feindliche Ausländer verhaftet und interniert. Nach Kriegsende stehen sie, beide schwer an Tuberkulose erkrankt, vor dem Nichts.
Ihre Pläne einer neuen Flugschule und eines gefilmten Fluges rund um die Welt scheitern an Geldmangel. Die erklagte Entschädigung für den Verlust ihres Johannisthaler Eigentums geht größtenteils durch die Inflation verloren, ein Buch über die Anfänge in Johannisthal wird abgelehnt. 1925 muss Melli Beese die Lizenz ihres Pilotenscheins erneuern, sie macht eine Bruchlandung. Inzwischen lebt sie getrennt von ihrem Ehemann in einer Pension. Am 21. Dezember 1925 erschießt sie sich, hinterlässt einen Zettel mit den Worten „Fliegen ist notwendig. Leben nicht”.
Ihr Grab auf dem Friedhof Berlin-Schmargendorf wird 1975 zum Ehrengrab erklärt; ein Aeroclub, eine Schule und Straßen später nach ihr benannt. „Im Kampf gegen viele Widerstände blieb sie Siegerin; sie zerbrach an der Militarisierung des Flugwesens, dem Nationalismus, dem ersten Weltkrieg.“
Verfasserin: Traude Bührmann
Zitate
Nach dem ersten von ihr allein gesteuerten Flug schrieb Melli Beese:
Zum erstenmal Leben und Tod in der eigenen Hand – in einer Unmittelbarkeit, wie es bei keiner anderen Sportart der Fall ist! … Ich konnte kein Ende finden – immer wieder ließ ich die Maschine steigen, fallen, wieder steigen, nach links herum schwenken, in immer engeren Kurven. Die Wright Maschine folgte ja so herrlich leicht auch dem kleinsten Steuerdrucke…“
Gertrud Pfister, Fliegen - ihr Leben, S. 50
Unter den ersten Pilotinnen waren Künstlerinnen oder zumindest Frauen mit einer künstlerischer Begabung überproportional vertreten: Thérèse Peltier war Bildhauerin wie Melli Beese; Raymonde Delaroche war Schauspielerin; Harriet Quimby und Marie Marvingt veröffentlichten Texte, in denen sie ihre Erfahrungen als Pilotinnen beschrieben.”
Gertrud Pfister, Fliegende Frauen, S. 50
Links
Wenn Frauen ihren Täumen folgen - eine Hommage an die Berlinerin Melli Beese, die erste deutsche Pilotin. D'Agata, Jessica. 28.03.2017. Landesfrauenrat Berlin. (Link aufrufen)
Melli Beese - die Flugpionierin aus Sachsen. 07.12.2016. MDR Zeitreise. (Link aufrufen)
Hier lebte Deutschlands erste Pilotin. Das Geburtshaus von Melli Beese in Laubegast hat neue Besitzer. Sie laden auch Besucher ein. 17.03.2018. Sächsische Zeitung. (Link aufrufen)
Fünf Frauen die Luftfahrtgeschichte schrieben. 08.03.2019. Aero Telegraph. (Link aufrufen)
Melli Beese, die erste deutsche Fliegerin und Inhaberin einer Flugschule. Moderne Frauen. In: Der Deutsche Correspondent, Baltimor, Sonntag, den 6. April 1913. (Link aufrufen)
Hediwig Amelie Beese. frauenwiki-dresden.de (Link aufrufen)
Melli Beese. Wikipedia.de (Link aufrufen)
Amelie Beese. Wikipedia.en (Link aufrufen)
Beese (verh. Beese-Boutard) Amelie Hedwig (gen. Melli). Sächsische Biografie - das personengeschichtliche Lexikon zur Geschichte Sachsens. (Link aufrufen)
Literatur & Quellen
Ahner, Hans. 1983. Sturz in die Tiefe. Das Leben der Melli Beese. Basar. Berlin. Verlag Neues Leben.
Leschonski, Antje (Hg). 2010. Anna, Lily und Regine: Frauenporträts aus Brandenburg-Preußen. Berlin. Verlag für Berlin-Brandenburg.
Lombard, Benton C. 2009. Die Flügelmacher. Ein Schriftwerk. Aachen. Shaker Media.
Pfister, Gertrud. 1987. Fliegende Frauen. In: Der Traum vom Fliegen. 1987. Berlin. Elefantenpress.
Pfister, Gertrud. 1989. Fliegen – ihr Leben. Die ersten Pilotinnen. Berlin. Orlanda-Frauenverlag.
Probst, Ernst. 2010. Melli Beese: Die erste deutsche Fliegerin. München. Grin Verlag.
Probst, Ernst. 2010. Königinnen der Lüfte von A bis Z: Biografien berühmter Fliegerinnen, Ballonfahrerinnen, Luftschifferinnen, Fallschirmspringerinnen und Astronautinnen. München. Grin Verlag.
Röben, Astrid. Hartung, Gunter. Plath, Dietmar. 2018. Die Lust am Fliegen. Piloten und ihr Weg ins Cockpit. München. GeraMond Verlag.
Spitzer, Barbara. Die Frau am Himmel. In: Zeitschrift aus Frauensicht YPSILON. Hamburg, September 1991.
Spitzer, Barbara. Melli Beese, Bildhauerin, Pilotin – eine ungewöhnliche Frau. Buch herausgegeben vom Bezirksamt Treptow zur gleichnamigen Ausstellung im Herbst 1992 im Heimatmuseum Berlin-Treptow, anschließend im Verkehrsmuseum Dresden
Wittmann, Livia Käthe. Zibler, Barbara. 2009. Melli Beese und die 'Flügel am Horizont': Die Geschichte der ersten deutschen Pilotin. Berlin. Trafo-Literatur-Verlag.
(Letzte Linkprüfung am 10.04.2019)
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