geboren am 6. Januar 1882 in Belostok bei Kiew, Ukraine
gestorben am 17. März 1949 in Fontenay-aux-Roses bei Paris
ukrainische Malerin, Designerin und Bühnenbildnerin
75. Todestag am 17. März 2024
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Wie viele der russischen Avantgarde-KünstlerInnen vom Beginn des 20. Jahrhunderts, die alle althergebrachten Kunsttraditionen hinwegfegten, kam Alexandra Exter nicht aus einem der Kulturzentren wie Moskau oder St. Petersburg, sondern aus der Nähe von Kiew. Nach dem Studium an der Kunstakademie von Kiew und der Heirat mit ihrem Cousin, einem begüterten Rechtsanwalt, pendelt sie bis zum Ausbruch des ersten Weltkriegs zwischen Moskau, St. Petersburg, Kiew, Paris, Mailand und Rom, verkehrt in allen wichtigen Kunstzirkeln dieser aufregenden Zeit und übermittelt dabei die neusten Strömungen zwischen Ost und West.
In Paris lernt sie unter anderen Picasso, Léger, Apollinaire kennen, teilt ein Atelier mit einem Künstler des italienischen Futurismus und nimmt an allen großen Ausstellungen in Russland, Frankreich und Italien teil. Elemente der „Ismen“ (Kubismus, Futurismus, später in Russland Suprematismus und Konstruktivismus) fließen in ihren Malstil mit ein und werden von ihr zu etwas gänzlich Neuem umgeformt. Dabei spielt in ihrem Werk die Farbe eine überragende Rolle: Exter liebt lichtgesättigte Farben und experimentiert mit der Dynamik, dem Rhythmus, den Wesensmerkmalen von Farbtönen. Ihre Bilder leben durch das beziehungsreiche Verhältnis geometrischer Formen, Linien und Farbflächen.
Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs kehrt sie nach Russland zurück und schließt sich dem Kreis um Malewitsch an. Sie ist aber keiner Kunstrichtung zuzuordnen, sie „pickt“ sich aus Suprematismus und Konstruktivismus das heraus, was für ihre Bilder nützlich ist und formt es zu einem eigenen Stil. Wie viele ihrer russischen Kolleginnen betrachtet sie Kunst und alltägliches Leben als Einheit; Kunst muss raus aus dem Elfenbeinturm des Museums und in das Leben der Menschen integriert werden. Sie unterrichtet Kinder in abstrakter Malerei mit geometrischen Formen und Rhythmus der Farben, entwirft kunstgewerbliche Gegenstände wie Kerzenhalter, Porzellan, Möbel und setzt sich für eine ganz neue Praktibilität von Kleidung ein, wofür sie Mode- und Stoffentwürfe schafft.
1916 beginnt sie ihre fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Leiter des Moskauer Kammertheaters, Alexander Tairow und setzt die neue Konzeption der Synthese von Bühnenbild, Kostümen und Schauspielern um. Dabei verwandelte sie die bisherigen zweidimensional zu begreifenden Bühnenräume in dreidimensionale abstrakte Gebilde mit mehreren Spielflächen auf unterschiedlichen Ebenen, die sich durch schnell aufzuziehende bzw. herabzulassende stark farbige Vorhänge blitzschnell ändern konnten. Sich kreuzende Strahlen von farbigen Licht (später auch Lichtsäulen) sollten helfen, die Bühne in einen greifbaren Raum zu verwandeln. Das war revolutionär und aufsehenerregend und bedeutete in der Theatergeschichte etwas grundlegend Neues.
1918 richtet sie sich ein Atelier in Kiew ein, in dem sie auch junge KünstlerInnen (die später alle bekannt werden sollten) unterrichtet. In diesem Jahr auch Tod des Ehemannes. Sie arbeitet jetzt viel für die Revolution. Zusammen mit ihren SchülerInnen stattet sie die großen Propagandaschiffe auf dem Dnjepr aus und bemalt einige der Propagandazüge, die durch das ganze Land rollen.
Exter ist ungeheuer vielseitig und entwirft auch für den phantastischen Science Fiction-Film „Aelita“ (nach Tolstoi), Kostüme und Dekor. Als 1924 die Zeit der freien Experimente vorbei ist und die KünstlerInnen von den Machthabern an die Kandare genommen werden, emigriert Exter mit ihrem zweiten Ehemann und lässt sich endgültig in Paris nieder. Auch dort arbeitet sie überwiegend für das Theater, wobei sie besonders die Lichteffekte weiterentwickelt, und unterrichtet Theaterdesign an Légers Académie d'Art Moderne. Sie beschäftigt sich nebenher mit Kunstgewerbe und Innenarchitektur, entwirft für ein Filmprojekt Marionettenfiguren und beteiligt sich an zahlreichen Ausstellungen, unter anderem der Biennale von Venedig 1924.
Während des Zweiten Weltkriegs durchlebt sie mit ihrem Mann eine schwere Zeit, die von Armut und ihrer Angina Pectoris-Erkrankung geprägt ist. Der Engel, den sie in dieser Zeit skulptierte, ziert heute ihr Grab.
Verfasserin: Adriane von Hoop
Zitate
Das gesamte Werk von Alexandra Exter ... ist ohne Zweifel eines der kühnsten und schönsten in der ganzen Kunst des 20. Jahrhunderts. (Jean-Claude Marcadé)
Links
Exters Kostümentwürfe zu “Romeo und Julia” (1919)
guter Artikel von Waltraud Schwab über die Ausstellung “Amazonen der Avantgarde”
Ausstellung “Amazonen der Avantgarde: Sechs russische Künstlerinnen”, 1999
Bühnenbild für das Ballett “Le Cirque” von Elsa Krüger (ca. 1927/8)
Literatur & Quellen
Amazonen der Avantgarde: Alexandra Exter, Natalja Gontscharowa, Ljubow Popowa, Olga Rosanowa, Warwara Stepanowa und Nadeschda Udalzowa [AK Deutsche Guggenheim Berlin, 10. Juli - 17. Oktober 1999 / Solomon R. Guggenheim Museum, New York, 21. Juni - 1. Oktober 2000]. Hrsg. von John E. Bowlt & Matthew Drutt. Ostfildern-Ruit 1999. Hatje.
Kiblitsky, Joseph. Hg. 2001. Alexandra Exter: Farbrhythmen. AK Staatliches Russisches Museum; Museum Ludwig im Russischen Museum. Beitr. v. Jakob Tugendhold. Wiss. Red., Biogr. und Bibliogr. Georgij Kowalenko. Bad Breisig. Palace Ed.
Jablonskaja, Mjuda N. 1990. Russische Künstlerinnen 1900-1935. Hg. Anthony Parton. Bergisch-Gladbach. Gustav Lübbe.
Petzinger, Renate & Volker Rattemeyer. Hg. 1990. Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts. Ausstellungskatalog Museum Wiesbaden 1.9.-25.11.1990. Kassel. Weber & Weidemeyer.
Rubinger, Krystyna u.a. 1979. Künstlerinnen der russischen Avantgarde 1910-1930. Ausstlg.kat. Köln. galerie gmurzynska.
Vergine, Lea. 1982. L'autre moitié de l'avantgarde 1910/1940. Paris. Des femmes.
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