Biographien Agnes von Krusenstjerna
Wikimedia Commons
geboren am 9. Oktober 1894 in Växsjö
gestorben am 10. März 1940 in Stockholm
schwedische Schriftstellerin
130. Geburtstag am 9. Oktober 2024
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Agnes von Krusenstjerna gehörte einer bekannten schwedischen Adelsfamilie an. Ihr Leben war ein Protest gegen das Dasein in diesem Milieu. Sowohl ihre periodisch auftretende Geisteskrankheit als auch ihre Eheschließung mit dem nicht standesgemäßen und allseits unbeliebten David Sprengel sind als Formeln dieses Protests verstanden worden.
Am reflektiertesten zeigt sich die Auflehnung jedoch in ihrem literarischen Werk. Dessen Radikalität gipfelt in dem siebenbändigen Romanzyklus Die Fräulein von Pahlen, der die heftigste literarische Debatte – über Pornographie und literarische Freiheit – dieses Jahrhunderts in Schweden auslöste.
Doch wird die Thematik ihrer Werke mit dem Hinweis auf weibliche Sexualität und die Auseinandersetzung mit dem Adel meist zu eng umrissen. Es handelt sich vielmehr um breit angelegte Kollektivromane, die weibliche Lebens(un)möglichkeiten durchspielen und utopische Visionen einer weiblichen Welt entwerfen. Der vierte Band der Fräulein von Pahlen wurde von dem renommierten Verleger Bonnier abgelehnt und vom Avantgarde-Verlag Spektrum herausgegeben.
Wenn ihre Arbeiten mit drei großen Romanzyklen im Zentrum heute nicht zum offiziellen Kanon der schwedischen Literatur gehören, dann gibt es dafür viele schlechte Gründe. Die Autorin war – zumindest zeitweise – geisteskrank, ihr Werk ist, so heißt es, politisch uninteressant und literarhistorisch schwer zu platzieren. Sie ist von ihrem Mann so stark beeinflusst worden, dass zum Teil von Kollaboration gesprochen werden kann, und sie war – zu allem Überfluss - eine Frau, die sich hauptsächlich mit weiblichen Problemen auseinandergesetzt hat.
Aus eben denselben Gründen kann frau ihr Leben und ihr Werk als faszinierend und herausfordernd empfinden: die Geisteskrankheit als Fluchtstrategie deuten, das Schreiben wiederum als Therapie; die Kollaboration von Ehepartnern unter weiblicher Federführung als Beitrag zu einer noch nicht abgeschlossenen Pornographie-Debatte; die literarhistorische Eigentümlichkeit als Herausforderung an die Frauenliteraturgeschichtsschreibung, denn als Glied in einer weiblichen Traditionskette hat sich Krusenstjerna zumindest selbst gesehen. Politisch uninteressant erscheint ihr Werk ohnehin nur denen, die Frauenprobleme nicht als politisch begreifen.
In diesem Sinne laden die Mythen und Legenden um das Leben von Krusenstjerna ein zur feministischen Dekonstruktion. Einen Versuch hat Mai Zetterling kürzlich mit ihrem Film Amorosa gemacht.
(Text von 1989)
Verfasserin: Annegret Heitmann
Literatur & Quellen
Backberger, Barbro. 1981. “Samhällsklass och kvinnoliv”, in: Rammefalk, Marie Louise & Anna Westberg. Hg. 1981. Kvinnornas Litteratur Historia. Lund. Författerförlaget.
Heitmann, Annegret. 1992. “Agnes von Krusenstjerna (1894-1940): Ein schwieriges Leben oder: Schwierigkeiten mit der Biographie”, in: Duda, Sibylle & Luise F. Pusch. Hg. 1992. WahnsinnsFrauen. Frankfurt/M. suhrkamp TB 1876. S. 255-279.
Krusenstjerna, Agnes von.1944-46. Samlade Skrifter. Stockholm. Bonnier.
Lagercrantz, Olof. 1951. Agnes von Krusenstjerna. Stockholm.
Steffenhagen, Eva. 1988. “Agnes von Krusenstjerna - Mai Zetterlings Amorosa”, Rundbrief Frauen in der Literaturwissenschaft, 1988, Nr. 18/19, S. 39-40.
Svanberg, Birgitta. 1988. “Die Wahrheit über die Frauen. Eine feministische Lesart von Agnes von Krusenstjernas Romanfolge 'Die Fräulein von Pahlen'”, Rundbrief Frauen in der Literaturwissenschaft, 1988, Nr. 18/19, S. 19.
Sollten Sie RechteinhaberIn eines Bildes und mit der Verwendung auf dieser Seite nicht einverstanden sein, setzen Sie sich bitte mit Fembio in Verbindung.