(Agnes von Prag; (Svatá) Anežka Česká; Anežka Přemyslovna)
geboren (am 20. Januar) 1211 in Prag
gestorben am (6.) März 1281 (1282) in Prag
tschechische Klostergründerin, Äbtissin und Heilige
740. Todestag am 6. März 2021
Biografie • Weblinks • Literatur & Quellen • Bildquellen
Biografie
Agnes von Böhmen wurde schon zu Lebzeiten als Heilige verehrt. Die Kirche allerdings, der sie einen Großteil ihres Lebens weihte, stand dieser skeptisch gegenüber: Agnes' Heiligsprechung zog sich Jahrhunderte hin. Dabei war Agnes mit Eigenschaften ausgestattet, die ihr, wäre sie ein Mann gewesen, höchstwahrscheinlich eine herausragende Stellung in weltlichen wie kirchlichen Kreisen des damaligen Europa gesichert hätten.
Die jüngste Tochter des böhmischen Königs Ottokar I. Přemysl und seiner zweiten Frau Konstanze von Ungarn wurde bereits als Dreijährige zum Objekt der väterlichen Politik. Man schickte sie in ein Trebnitzer Kloster, um sie, nachdem Agnes mit einem Cousin verlobt worden war, entsprechend zu erziehen. Diese erste väterliche Manipulation misslang, denn der Verlobte starb. Der mächtige Vater ließ sich jedoch von seiner Heiratspolitik nicht abbringen – achtjährig wurde Agnes mit dem damals neunjährigen Sohn des deutschen Kaisers Friedrich II. verlobt. Die kommenden sechs Jahre verbrachte sie in Wien am Babenberger Hof. Und wieder missglückte der Plan: Der junge Heinrich VII. heiratete Margarethe von Babenberg, und Agnes musste zurück nach Prag. Ein Jahr später sprach der englische König Heinrich III. Plantagenet in Prag vor, vier Jahre darauf löste auch er die Verlobung. Es folgte sogar der deutsche Kaiser Friedrich II. selbst, aber seine Werbung konnte die Prinzessin bereits eigenständig ablehnen.
Für Agnes begann nach 1230 ein neues Leben. Mit dem Tod ihres Vaters endeten auch die demütigenden Manipulationen. Der neue König, ihr Bruder Wenzel II., mit dem echte Zuneigung sie verband, gab ihr absolute Entscheidungsfreiheit für ihre Lebenspläne.
1232 gründete sie in Prag ein Armenspital, ein Jahr später ließ sie in der Nähe einen doppelten Klosterbau errichten – das Kloster der Minoriten-Brüder des hl. Franziskus und das Frauenkloster der hl. Klara. In ihren Aktivitäten folgte sie begeistert dem Beispiel ihrer kurz zuvor verstorbenen und gleich darauf heiliggesprochenen Cousine Elisabeth von Thüringen. Ein Ansporn für Agnes, die mit den Lehren des Franziskus von Assisi und seiner Anhängerin Klara sympathisierte und mit letzterer eifrig korrespondierte.
Sie sorgte im europäischen Adel für weiteren Aufruhr. Über die Spital- und Klostergründungen hinaus hatte sie vor, auch die kirchliche Politik zu beeinflussen. Sie trat 1234 dem von ihr gegründeten Klarissinnen-Kloster bei und wurde ein Jahr später vom Papst zur Äbtissin ernannt. Agnes' »Festhalten an einem Leben in absoluter, d. h. gemeinschaftlicher wie individueller Armut rieb sich indes an den Plänen Papst Gregors IX.«, dem die neuentstandene Armutsbewegung ein Dorn im Auge war. Agnes wurde in ihrem Bemühen um eine Ordensregel (Voraussetzung zur Schaffung eines eigenen Ordens) vom Papst zu Kompromissen gezwungen, trat daraufhin als Äbtissin zurück und wurde ab da nur noch mit »ältere Schwester« angeredet. Den Plan, einen eigenen Orden auf der Grundlage der ursprünglichen Franziskanerlehre zu schaffen, gab sie nicht auf – sie wartete den Tod Gregors IX. ab und gründete dann den einzigen original tschechischen Orden, die Kreuzherren mit dem Roten Stern. Agnes hatte sich durchgesetzt.
Aber auch in die weltliche Politik ihrer königlichen Familie konnte sie mit Erfolg eingreifen, obwohl (oder: weil) sie jahrelang auf der Seite der päpstlichen Kurie stand. Für ihren Bruder Wenzel II. hielt sie die Verbindung nach Rom aufrecht und half ihm später, einen Zwist zwischen ihm und seinem Sohn Ottokar II. Přemysl zu schlichten.
Auch ihrem ehrgeizigen Neffen stand sie weiterhin bei. Sein Niedergang bedeutete nicht nur für sie einen harten Schicksalsschlag. Nach der Schlacht auf dem Marchfeld 1278 wurde das Königreich Böhmen von jahrelangen Kriegen heimgesucht, die die nun fast 70jährige Agnes nicht mehr überlebte. Sie wurde in dem von ihr gegründeten und heute nach ihr benannten Agnes-Kloster bestattet. Nach ihrem Tod sollen die PragerInnen in einer tagelangen Prozession an ihrer Leiche vorbeigezogen sein, um »unsere heilige Frau« zu beweinen.
Die Agnes-Legenden erzählen von einem Leben voller Entsagung, Aufopferung für die Armen und Wundertaten. Es bedurfte aber voller 708 Jahre, bevor Papst Johannes Paul II. Agnes von Böhmen am 12.11.1989, nur einige Tage vor der »samtenen Revolution«, kanonisierte. Warum versagte die Kirche ihrer angeblich so gehorsamen Tochter diese Würde so lange? Einer der Gründe sollen ihre in den Wirren der Hussitenkriege verlorengegangenen Gebeine sein.
Agnes konnte sich vieler Vereinnahmungsversuche erfolgreich erwehren. Die Ächtung durch die Kirche mit ihrem jahrhundertelangen »Nein« zu ihrer Kanonisierung und in jüngster Zeit die Vereinnahmung durch Heiligsprechung zwecks Unterstützung politischer Ziele kurz vor dem Fall des Eisernen Vorhangs in Europa hat sie nicht verdient.
Verfasserin: Marie Saša Lienau
Links
Ioannes Paulus PP. II: Littera decretalis. Salus Deo nostro. Internet Office of the Holy See.
Online verfügbar unter http://www.vatican.va/holy_father/john_paul_ii/apost_letters/1989/documents/hf_jp-ii_apl_19891112_salus-deo-nostro_lt.html, zuletzt geprüft am 20.01.2021.
Ökumenisches Heiligenlexikon: Agnes (Anezka) von Böhmen.
Online verfügbar unter http://www.heiligenlexikon.de/BiographienA/Agnes_von_Boehmen.htm, zuletzt geprüft am 20.01.2021.
Schneibergova, Martina: Heilige Agnes und Agneskloster. Radio Prag, 21.04.2001.
Online verfügbar unter http://www.radio.cz/de/rubrik/spazier/heilige-agnes-und-agneskloster, zuletzt geprüft am 20.01.2021.
Schuster, Robert: Agnes von Böhmen – Leben, Heiligenkult und Prophezeiung. Radio Prag, 20.03.2010. Text und Audio-Datei (10 min.).
Online verfügbar unter http://www.radio.cz/de/rubrik/geschichte/agnes-von-boehmen-leben-heiligenkult-und-prophezeiung, zuletzt geprüft am 20.01.2021.
Literatur & Quellen
Quellen (Internet)
Houšková, Jarmila (2002): Anežka Česká (Agnes von Böhmen). 24.02.2010.
Online verfügbar unter http://www.velikani.cz/index2.php?kat=ostzh&zdroj=anezkac, zuletzt geprüft am 20.01.2021.
Komárková, Jana: Anežka Přemyslovna. Život královských a knížecích dcer (Agnes aus dem Geschlecht der Przemysliden. Leben der Königs- und Fürstentöchter). 13.03.2010.
Ursprüngliche URL http://www.studuj-jinak.cz/referaty/nahled/anezka-premyslovna, nicht mehr online (20.01.2021)
Melichová, Alena: Jiná Anežka Česká (Eine andere Agnes von Böhmen). 11.11.2008. iHNed.cz.
Online verfügbar unter http://hn.ihned.cz/c1-39033950-alena-melichova-jina-anezka-ceska, zuletzt geprüft am 20.01.2021.
Wikipedia: Agnes von Böhmen (1211–1282). 26.04.2010.
Online verfügbar unter https://de.wikipedia.org/wiki/Agnes_von_B%C3%B6hmen, zuletzt geprüft am 20.01.2021.
Quellen (Buch)
Polc, Jaroslav V. (1989): Agnes von Böhmen. Königstochter – Äbtissin – Heilige. (=Světice Anežka přemyslovna) Mit Beiträgen von Barbara Sasse und Aleš Zelenka und einer Einleitung von Angelus Waldstein-Wartenberg. Aus dem Tschechischen übersetzt von Ingeborg Jenaczek. Herausgegeben von Ferdinand Seibt. München. Oldenbourg. (Lebensbilder zur Geschichte der böhmischen Länder, 6) ISBN 3-486-55541-3. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Weiterführende Literatur
Felskau, Christian-Frederik (2008): Agnes von Böhmen und die Klosteranlage der Klarissen und Franziskaner in Prag. Leben und Institution, Legende und Verehrung. 2 Bände. Nordhausen. Bautz. ISBN 978-3-88309-427-4. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Goorbergh, Edith; Zweerman, Theo (2001): Klara von Assisi – Licht aus der Stille. Zu ihren Briefen an Agnes von Prag. Aus dem Niederländischen übersetzt von Ancilla Röttger. Kevelaer. Butzon und Bercker. ISBN 3-7666-2070-3. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Schneider, Johannes (Hg.) (2007): »Candor Lucis Eterne – Glanz des ewigen Lichtes«. Die Legende der heiligen Agnes von Böhmen. Übersetzt von Johannes Schneider. Mit einer Einleitung von Christian-Frederik Felskau. Mönchengladbach. Kühlen. (Veröffentlichungen der Johannes-Duns-Skotus-Akademie für Franziskanische Geistesgeschichte und Spiritualität Mönchengladbach, 25) ISBN 978-3-87448-293-6. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Bildquellen
- Èeská numismatická spoleènost
- Institut františkánských studií (IFS)
- tn.cz
- praguecityline.com
- eBay
- Michal-Vitanovský-Seite
- iHNed.cz
- Wikipedia
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