geboren am 28. Juli 1830 in Paris
gestorben am 22. April 1915 in Suresnes bei Paris
französische Hugo-Chronistin; Tochter Victor Hugos
190. Geburtstag am 28. Juli 2020
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen • Bildquellen
Biografie
»Die, die diese Gespräche aufzeichnet, muss auch in der Lage sein, sie zu führen«, bemerkte Adèle Hugo, jüngstes Kind des Dichterfürsten, leicht verbittert über ihre Rolle als Chronistin im Haus ihres Vaters. 6000 unsortierte, schwer dechiffrierbare Seiten ihres zu ihren Lebzeiten nie veröffentlichten Manuskripts wurden inzwischen aufgefunden. Sie beschreibt darin das Pariser Schicksalsjahr 1851 mit dem Putsch Louis Napoléons und der Restauration der Monarchie, die Verhaftung ihrer Brüder, die Flucht ihres Vaters, schließlich der ganzen Familie ins Exil auf die kleine englische Kanalinsel Jersey, und dann, in den folgenden Jahren, die Gespräche mit vielen Hunderten, zumeist berühmten Gästen, die Victor Hugo als bewunderten Dichter und Leitfigur des republikanischen Widerstands aufsuchten.
Und die Chronistin selbst? Ganz offensichtlich war ihre Meinung nicht gefragt, weder ihr schriftstellerisches noch ihr musikalisches Talent wurden von der Familie wirklich ernst genommen.
Als junges Mädchen war Adèle bezaubernd gewesen. Nachdem ihre ältere Schwester Léopoldine bei einem Bootsunglück in der Seine ertrunken war, verblieb Adèle allein die Aufgabe, mit »Anmut und Charme« die Familie zu erfreuen, ein reichlich reduziertes Programm, von dem sie sich mit zunehmendem Alter immer weniger ausgefüllt fühlte. Als »Königstochter Hugos« träumte sie von Großartigkeit – die sie nicht fand.
Irgendwann in den ersten Exiljahren begegnete sie Albert Pinson, einem gutaussehenden englischen Offizier, in den sie sich unsterblich verliebte. Der junge Mann erwies sich als bindungsunwillig. Von ihrer Mutter sorgenvoll beobachtet, verstrickte Adèle sich immer mehr in diese hoffnungslose Beziehung. 1856 erlitt sie einen ersten Nervenanfall, in den folgenden Jahren entwickelte sie »Manien«. Im Sommer 1863 schließlich nahm sie heimlich ein Schiff nach Neuschottland, Kanada, wohin Pinsons Regiment verlegt worden war. Drei Jahre lang verfolgte sie in masochistischer Verzweiflung ihren Geliebten, beglich seine Spielschulden und bedrängte ihn, das Heiratsversprechen einzulösen, das er – nach eigener Auskunft – nie gegeben hatte. Statt nach Europa zurückzukehren, nutzte sie 1866 ihr Reisegeld zu einer neuerlichen Eskapade – sie folgte Pinson auf die Karibikinsel Barbados.
Erst 1872 kehrte sie nach Paris zurück. Ihr Vater ließ sie in eine Anstalt bei Paris einliefern, wo sie die zweite Hälfte ihres Lebens verbrachte, gut versorgt, weiterhin verfolgt von Wahnvorstellungen. Als letzte ihrer Familie starb sie mit 85 Jahren.
Zitate
Der liebe Gott hat mir ein großes Glück gesandt. […] Meine Frau ist heute nacht glücklich mit einem kräftigen, pausbäckigen und gesunden Mädchen niedergekommen. Ich bin sehr zufrieden mit meiner kleinen Tochter. Wenigstens eines meiner Werke, das verspricht, Bestand zu haben.
(Victor Hugo)
Hugos zweite Tochter ist die größte Schönheit, die ich in meinem Leben gesehen habe.
(Honoré de Balzac)
Das Unglaubliche wagen, dass ein junges Mädchen, so versklavt, dass es nicht fünf Minuten lang allein das Haus verlassen kann, um sich Papier zu kaufen, das Meer überquert, um sich mit dem Geliebten zu vereinen, von der alten in die neue Welt überwechselt, das ist es, was ich tun werde. Das Unglaubliche tun, dass ein junges Mädchen, das heute kein Stück Brot hat außer dem, das ihr Vater ihr als Almosen gibt, von heute an in vier Jahren ehrliches, eigenes Geld haben wird, das ist es, was ich tun werde. Das Unglaubliche wagen, dass eine Frau, die unter einem Dach gefangen ist mit einem Mann, der sie leidenschaftlich liebt, sich von ihm trennt ohne Aufsehen und sogar ohne Verzweiflung, das ist es, was ich tun werde.
(Adèle Hugo)
… ich bin von dem Unglück meines armen Kindes überwältigt.
(Adéles Mutter Adèle Hugo)
Alle Zitate entnommen aus »Wahnsinnsfrauen 3« (siehe Literatur).
Links
The Story of Adele H (1975) - IMDb (2020).
Online verfügbar unter https://www.imdb.com/title/tt0073114/?ref_=nm_knf_t1, zuletzt geprüft am 17.04.2020.
Literatur & Quellen
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Duda, Sibylle (Hg.) (1999): WahnsinnsFrauen. 3. Band. Darin: Andrea Schweers: Adèle Hugo (1830–1915). Die Geschichte von der verlorenen Tochter. S. 74–110. Frankfurt am Main. Suhrkamp. (suhrkamp taschenbuch, 2834) ISBN 3-518-39334-0. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Gourdin, Henri (2005): Adèle, l'autre fille de Victor Hugo (1830 - 1915). Biographie. Paris. Ramsay. (Ramsay poche) ISBN 2-84114-757-6. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Guillemin, Henri (1988): Adèle. Die Königs-Tochter Victor Hugos ; 1830 - 1915. (=L'engloutie) Aus dem Französischen von Hilde Wollenhaupt. Dt. Erstausg. Frankfurt am Main, Berlin. Ullstein. (Ullstein-Bücher, 30204 : Die Frau in der Literatur) ISBN 3-548-30204-1. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
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Hugo, Adèle (1984): Le journal d' Adèle Hugo. III – 1854. Herausgegeben von Frances Vernor Guille. Paris. Lettres modernes; Lettres Modernes Minard. (Bibliothèque introuvable, 12) ISBN 2-256-90818-6. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Hugo, Adèle (1985): Victor Hugo. Herausgegeben von Guy Rosa, Anne Ubersfeld, Irène Frain und Evelyne Blewer. Paris. Plon. (Les Mémorables) ISBN 2-259-01288-4. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
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Smith Dow, Leslie (1997): Adèle - la misérable. Das Leben der Tochter von Victor Hugo. (=Adèle Hugo - la misérable) Dt. Erstausg. München. Knesebeck. ISBN 3-89660-000-1. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Zamochnikoff, Frédéric; Morot, Marine (DL 2014): Adèle Hugo. Paris. LVE. ISBN 978-2-36214-023-5. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Bildquellen
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