Luise F. Pusch & Andrea Schweers: 100 Politikerinnen
Luise F. Pusch & Andrea Schweers, Hg.:
Ohne Frauen ist kein Staat zu machen Hundert Politikerinnen
2007, suhrkamp taschenbuch 3836 200 Seiten, Broschur, 8 € (ISBN 3-518-45836-1)
Sie trug weder Streitaxt noch Männerkleider wie Jeanne d’Arc, nein, sie betrat die politische Bühne im Kostüm und mit Handtasche. Auf die Frage, wie man sich denn so fühle als weiblicher Premier, antwortete Margaret Thatcher: »Keine Ahnung, ich habe die Alternative nie ausprobiert.« Inzwischen hat nicht nur Deutschland eine Kanzlerin, auch in Liberia, Mosambik, Chile, Neuseeland, Pakistan, Irland, Lettland und Finnland machen Frauen Staat. Hundert Politikerinnen präsentieren Luise F. Pusch und Andrea Schweers in ihrem kleinen »Lexikon«: Madeleine Albright, Michelle Bachelet, Hillary Rodham Clinton, Indira Gandhi, Emma Goldman, Tarja Halonen, Alexandra Kollontai, Ulrike Meinhof, Clara Zetkin und viele mehr.
Rezensionen:
Cristina Fischer in Junge Welt am 14.3.2008
Der lange Kampf um die Macht Ein Lexikon von Luise F. Pusch und Andrea Schweers stellt hundert politisch aktive Frauen der Vergangenheit und Gegenwart vor.
An den mühsamen Kampf von Frauen um ihre politischen Rechte erinnert die Sprachwissenschaftlerin und Publizistin Luise F. Pusch im Vorwort zu dem von ihr mitherausgegebenen Buch „Ohne Frauen ist kein Staat zu machen“. Der Titel ist provokativ- denn jahrhundertelang wurden „Staat“ und Politik eben weitgehend unter Ausschluß der Frauen gemacht. Luise F. Pusch schwingt sich nun zu der kühnen These auf, Staaten hätten vor allem dann Blütezeiten erlebt, wenn zufällig doch einmal Frauen an der Macht waren- so Spanien unter Isabella der Katholischen, England unter Elisabeth I., Russland unter Katharina der Großen, Österreich unter Maria Theresia und Schweden unter Christina I. Allzu optimistisch folgert sie daraus, wir dürften „hoffen, daß die Welt, je mehr Frauen die Staatsgeschäfte übernehmen, umso besseren Zeiten entgegensieht.“ Derzeit sind Frauen in acht Ländern an der Spitze. Erste Staatschefin war 1960 Sirimavo Bandaranaike in Ceylon (heute Sri Lanka).
Zu Angela Merkel, von der Zeitschrift „Forbes“ zur mächtigsten Frau der Welt gekürt, wird im Lexikon düster angemerkt, ihr Aufstieg zeige, „wie Macht den Menschen verändern kann“. Mit Kritik halten sich die Autorinnen insgesamt sehr zurück, etwa in dem Beitrag über Madeleine Albright, wo es nur heißt, ihre Rolle im Krieg gegen Jugoslawien sei „allerdings umstritten“, oder in dem über Condoleezza Rice, deren „extreme Loyalität zu George W. Bush“ beanstandet wird.
Die Herausgeberinnen dieses kleinen Lexikons haben versucht, eine ausgewogene Auswahl zu treffen, die weder mit einer Unzahl gekrönter Häupter noch mit der Nennung möglichst vieler Funktionärinnen langweilt. Gewürdigt werden auch Persönlichkeiten der internationalen sozialistischen Bewegung wie Dolores Ibárruri, Alexandra Kollontai, Nadeschda Krupskaja, Rosa Luxemburg, Flora Tristan und Clara Zetkin. „Was für eine Frau!“ schreibt Luise F. Pusch bewundernd über die Kommunardin Louise Michel. Hierzulande kaum bekannt sind die beiden schwarzen Bürgerrechtskämpferinnen Sojourner Truth und „General“ Tubman, die ungarisch-jüdische Soldatin Hannah Senesh (Szenes), die 1944 von den Faschisten hingerichtet wurde, und die südafrikanische Antiapartheidaktivistin Ruth First, 1982 in Maputo durch ein Attentat ermordet. Die Kriterien für die Einstufung als „Politikerin“ wurden weit gefaßt – es sollten nicht nur Frauen aufgenommen werden, die an Regierungen beteiligt waren (sind) oder hohe politische Ämter bekleide(te)n, sondern auch solche, die sich für Frauenrechte oder für andere soziale Ziele engagier(t)en.
Die Auswahl war von vornherein nicht auf Vollständigkeit angelegt. Dennoch hätte die „Begründerin“ der deutschen Frauenbewegung, Louise Otto- Peters, nicht fehlen dürfen; ich vermisse auch Persönlichkeiten wie die französische Friedenskämpferin und Präsidentin des IDFF, Eugénie Cotton, die DDR-Bildungsministerin Margot Honecker, die kubanischen Revolutionärinnen und Funktionärinnen Celia Sánchez und Vilma Espín Guillois, die US- amerikanische Bürgerrechtskämpferin Angela Davis und die indische Schriftstellerin Arundhati Roy.
Trotzdem vermittelt das Bändchen hochinteressante Einblicke in die Geschichte und ist spannend und anregend zu lesen.
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