Manslamming, Mansplaining, Manspreading und andere Flegeleien
US-Amerikanerinnen haben in den letzten Monaten drei nützliche Wörter und damit zugleich ein noch nützlicheres Wortbildungsmuster kreiert: Manslamming, Mansplaining, Manspreading. Manslamming bezeichnet folgenden sattsam bekannten Vorgang: Du gehst irgendwo entlang und ein Mann kommt dir entgegen. Eine/r muss ausweichen. Meist bist du das. Gehst du wie der Mann stur geradeaus, kommt es zum Zusammenstoß. Der Mann ist perplex, weil eine Frau es gewagt hat, ihm ernsthaft in die Quere zu kommen. Die unter Männern verbreitete Unart, entgegenkommenden Frauen nicht auszuweichen, wird seit einiger Zeit erstmals namhaft gemacht, und zwar mit Manslamming.
Mansplaining bezeichnet eine typisch männliche Kombination von Überheblichkeit und Unwissenheit ("overconfidence and cluelessness" (Rebecca Solnit)) oder anders ausgedrückt „etwas erklären ohne Berücksichtigung der Tatsache, dass das Gegenüber (meist eine Frau) von der Sache mehr versteht als der Erklärer" (Lily Rothman, The Atlantic).
Am meisten Aufsehen erregt hat die Bezeichnung „Manspreading“ für männliches Beinespreizen, allgemeiner ausgedrückt, männliches Sich-Breitmachen. Besonders in überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln ist diese Flegelei gänzlich unangebracht und stößt inzwischen sogar bei Männern auf harsche Kritik. Die New Yorker U-Bahn startete im Dezember eine entsprechende Plakataktion. Wenn Sie auf diesen Tumblr-Link klicken, finden Sie zahlreiche Bilder von "manspreaders". Ebenso auf Twitter unter dem Hashtag "#manspreading".
Das Eigenwillige und Regelwidrige bei diesen Neologismen ist, dass - anders als etwa bei dem bekannten manslaughter „Totschlag“- „man“ hier jeweils Subjekt- und nicht Objektfunktion hat und überdies "Mann" und nicht "Mensch" bedeuten soll.
Wie schon bei meiner letzten Glosse über boyhood und passend zum Internationalen Tag der Muttersprache (21. 2.) ergibt sich für Deutsche die Frage: Wie übersetzt frau das denn? Das „man(s)“ erinnert an unser „manns-„ wie in „mannshoch“ und „Mannsbild“. Für meine Übersetzungsvorschläge habe ich mich an diesem einheimischen Muster orientiert und es erweitert:
Manslamming -> Mannsknallen / Mannsrammen
Mansplaining -> Mannsklärung
Manspreading, manspreader -> Mannspreizung / Mannbreitung, Mannspreizer / Mannbreiter.
Alle drei Wörter gibt es im Deutschen noch nicht, es sind Neologismen wie die englischen Originale. Ich hatte von manspreading, manslamming und mansplaining zuvor noch nie gehört und meine US-amerikanische Familie auch nicht. Vielleicht fallen den LeserInnen dieses Blogs noch andere, bessere Übersetzungen ein. Bitte alle Geistesblitze unten in das Kommentarfeld eintragen. Und gleich auch alle weiteren Wortschöpfungen auf Manns-, die uns bisher noch gefehlt haben, mitsamt Definitionen. Hier ein paar Anregungen:
Mannskochen = nach dem Kochen die Küche als Schlachtfeld hinterlassen
Mannsputzen = die Ecken beim Putzen elegant übergehen
Mannsgehalt = doppelt so viel Geld wie die Frau für dieselbe Arbeit
Mannskaufen = beim Einkauf kaum auf die Preise achten, denn Mannszeit ist mehr wert als das, was Frauen durch Preisvergleiche einsparen
Weitere Kandidaten:
Mannstream
Gender Mannstreaming
Mannstrum
Mannster
Mannko
Manntra
Mannskript, usw. ..................
Die Wörter Manslamming, Mansplaining (beide schon in der englischen Wikipedia) und Manspreading mögen neu sein, aber es sind nur griffige Namen für Phänomene, die die feministische Linguistik (in ihren Abteilungen Gesprächs- und Körpersprachanalyse) schon vor 40 Jahren beschrieben hat.
Über Mansplaining bzw. Mannsklärungen hat Senta Trömel-Plötz sich ausführlich geäußert. Was das Manspreading betrifft, so ist die Künstlerin Marianne Wex mit ihrem fundamentalen Werk "Weibliche" und "männliche" Körpersprache als Folge patriarchalischer Machtverhältnisse (mit 2037 Fotografien) die Erste, die sich damit gründlich auseinandergesetzt und es tausendfach mit Fotos belegt hat. Eine gute Auswahl findet sich hier. Sie diagnostizierte das Mannspreizen in all seinen Varianten. In den USA wird Wex gerade wiederentdeckt. Bei Emma.de findet sich ein bebilderter Auszug aus diesem revolutionären Werk vom Dezember 1977.
In der Einleitung zu dem Beitrag, den sie für meinen Sammelband Feminismus: Inspektion der Herrenkultur (Suhrkamp 1983) schrieb, zitiert Marianne Wex Verena Stefan:
der herr der welt sitzt mir in der u-bahn gegenüber, vier männer auf einer bank, die für fünf menschen platz bietet, mit klaffenden beinen, wattierten schultern, die gespreizten hände auf den Knien. rechts und links von mir breit stehende männerbeine. ich sitze eng an mich gedrückt mit zusammengepressten Knien, die beine sind geschlossen zu halten, sie sind nur zu öffnen bei einem wildfremden mann, der gynäkologe heißt und bei dem mann, bei dem frau im selben bett liegt. die übrige zeit sind sie geschlossen zu halten. die entsprechenden muskeln sind den ganzen tag anzuspannen. ich schließe die augen. diese unterdrückerische haltung wegwerfen, so tun, als ob ich unbehellligt mit lockeren beinen sitzen könnte.
Marianne Wex kommentiert: "diese Sätze von verena stefan, geschrieben in ihrem buch häutungen, 1974, empfinde ich immer noch als besonders beeindruckende beschreibung patriarchalischer körpersprache, als symbol der situation von uns frauen im hinblick auf den uns von männern zugewiesenen lebensraum."
Schön und wohltuend, wenn an die Erkenntnisse und die Vorarbeit anderer Frauen erinnert wird. In der ganzen Manspreading-Debatte, auch der deutschsprachigen, vermisse ich den Hinweis auf Marianne Wex und Verena Stefan (beider Werke liegen auch auf Englisch vor). Obwohl das Thema "Manspreading und andere Flegeleien" nach feministischer Zeitrechnung "soo einen Bart" hat, sehe ich es auch als willkommene Gelegenheit, sich an die feministischen Pionierinnen Stefan, Trömel-Plötz und Wex und an unsere Wurzeln zu erinnern.
Dank an Helke Sander, die mich auf die Kampagne gegen Manspreader aufmerksam gemacht hat.
Mehr Glossen von Luise F. Pusch gibt es hier. Jeder Band enthält rund 50 Glossen und kostet 9,90 EUR:
Kommentieren für diesen Channel-Eintrag nicht möglich
31 Kommentare
Nächster Eintrag: Biodeutsche
Vorheriger Eintrag: Übersetzungsvorschläge für „Boyhood“
10.05.2015 um 15:04 Uhr Mazza
@ Marlene Margolis
`wikimannia` ist und beweist mit seinen Texten, Analysen seit Jahren die übelste Form von erwünschter `rechtslastiger` Maskulinität und Hass auf Feministinnen. Hübsch aufgelistet die Verschwörung der Maskulisten! die Herren in Nadelstreifen. http://www.emma.de/node/265888
Plasberg & Co. habe ich mir schon lange abgeschworen. Ich bedauere es sehr , dass wir aufgrund der Zwangsgebührenverordnung und aufgrund der schlechten Qualitätsmerksmale TV auch noch zur Kasse gebeten werden, somit den sicheren Platz für Plasberg und für andere SelbstdarstellER in den `Öffentlich/Rechtlichen ` (finanziell)frei/halten bzw. garantieren..
09.05.2015 um 18:39 Uhr Marlene Margolis
Der Männerwahn findet übrigens auch hier ein Ventil:
http://de.wikimannia.org/Hauptseite
Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Seht selbst.
04.05.2015 um 11:31 Uhr Marlene Margolis
Zu Felix Sachs: Sehr gut recherchiert. Erwähnen möchte ich noch Christine de Pizan, die bereits 1405 die männliche Überheblichkeit in ihrem Werk “Das Buch der Stadt der Frauen” in Frage stellte und darin die angebliche männliche Überlegenheit in These / Antithese zu weiten Teilen demontierte. Sehr lesenswert.
Zu Mazza: Das Beispiel der von Ihnen genannten “hart aber fair-Sendung (“unfair aber doof” fände ich einen besseren Titel für diesen Unfug) scheint nur eines von vielen zu sein. Der erste, einzige und letzte Plasberg-Erguss, den ich mitverfolgt habe, lief am 2.3.2015 zum Thema “Deutschland im Genderwahn?” Schon die Anmoderation ließ meinen Zeigefinger sich in Richtung “Aus”-Knopf bewegen. Ich hielt durch und wurde belohnt mit schwerster Übelkeit.
Gäste waren Birgit Kelle (die ja findet, Frauen finden ihre Bestimmung in den drei K), der altherrliche schlüpfrige FDP-Fritze Wolfgang Kubicki, Sophia Thomalla (kein Kommentar!) und auf der Pro-Seite Anton Hofreiter und Anne Wizorek. Es war grauenvoll.
Kritik zur Sendung:
http://www.taz.de/!155683/
und im WDR selbst der Faktencheck:
http://www1.wdr.de/themen/politik/faktencheck428.html
01.05.2015 um 14:13 Uhr Mazza
Zu `Mansplaining`, die ” typisch männliche Kombination von Überheblichkeit und Unwissenheit oder anders ausgedrückt „etwas erklären ohne Berücksichtigung der Tatsache, dass das Gegenüber (meist eine Frau) von der Sache mehr versteht als der Erklärer” (Lily Rothman, The Atlantic)”, fällt mir noch folgender Artikel ein. ” Vier Schwänze wackeln mit dem Hund”, von Birgit Kienzle zur Forschung über „männliches versus weibliches Sprachverhalten“; wie Männer in Diskussionsrunden versuchen, Frauen `sprachlos` zu halten.
http://www.emma.de/artikel/hartaberunfair-vier-schwaenze-wackeln-mit-dem-hund-264981
14.04.2015 um 16:43 Uhr Mazza
Es gibt noch das `Mannsblut`, das hat nichts mit Menstruationsblut zu tun; ein `Gezier-/Gehölz` , das laubabwerfend ist und mit seinem aufrechten Wuchs nur eine Höhe bis zu 100 cm erreicht. Also wäre das für Männer mit einem Napoleonkomplex gar nicht ungeeignet? Ein Mannsbluter, der sich gegenüber Frauen noch größer machen will als er ist, sich aufplustert und mit ihnen nicht auf Augenhöhe korrespondieren will. Während das `Frauenblut` für ihre Heilkraft bekannt ist. http://www.wissenschaft.de/archiv/-/journal_content/56/12054/1657954/HEILKRAFT-AUS-FRAUENBLUT/
Da wird uns doch tatsächlich weisgemacht, dass gerade die `Kleinen` Mannsbluter im Laufe der Geschichte große Feldherren oder Staatsoberhäupter waren, wie Alexander der Große, Julius Cäsar, Atilla der Hunnenkönig, Dschingis Khan, Nikita Cruschtschow, Deng Xiaoping oder Kim Jong. Du liebe Güte, das waren alles skrupellose Kriegsherren und Massenmörder.
Überhaupt , wieso heißt es MEN-struation? Im lat. bezieht sich dies zwar auf die Bezeichnung Monat, aber die Silbe `men = phrygische Gottheit` erinnert mich an `man` = mensch, männlich.
Ja, und was mich verärgert ist bei der Friseurin oder dem Friseur, dass ich als Frau mit kurzen Haaren für einen Haarschnitt bzw. für das minimale Nachschneiden seit Jahrzehnten weitaus mehr bezahlen muss als ein Mann , dem die längeren Haare gekürzt werden. Sogar bei der TextilReinigung muss frau oft bis zu 100 Prozent mehr bezahlen.
13.04.2015 um 09:59 Uhr Ben
Vielleicht habe ich eine feine Ironie missverstanden, aber:
Mannskochen = nach dem Kochen die Küche als Schlachtfeld hinterlassen
Mannsputzen = die Ecken beim Putzen elegant übergehen
Mannsgehalt = doppelt so viel Geld wie die Frau für dieselbe Arbeit
Mannskaufen = beim Einkauf kaum auf die Preise achten, denn Mannszeit ist mehr wert als das, was Frauen durch Preisvergleiche einsparen
Was bringt es, sich über Stereotype zu echauffieren, wenn man dann selbst solche hegt? Zudem: Bis auf “Mannsgehalt” beschreiben sie eher meine Freundin als mich. :-/
29.03.2015 um 07:44 Uhr alpha
“Mannskaufen = beim Einkauf kaum auf die Preise achten, denn Mannszeit ist mehr wert als das, was Frauen durch Preisvergleiche einsparen”
Wieviel spart Frau denn durch Preisvergleiche? Wie viel länger ist sie dafür unterwegs?
Liegt der Wert schon über dem gesetzlichen Mindestlohn?
Vielleicht machen (einige) Männer das nur, weil Ihnen die Zeit (z.B. mit ihren Frauen) wichtiger ist als 3 Euro pro Einkauf zu sparen? Vielleicht sollte Frau das (je nach Einkauf) auch machen?
01.03.2015 um 15:49 Uhr Red Baron
Manspreading wird wohl als Lehnwort ins Deutsche übernommen:
http://mhoefert.blogspot.de/2015/02/manspreading.html