Machen wir den 8. März (Weltfrauentag) zum gesetzlichen Feiertag
Vorbemerkung: Im Frühjahr 2010 bat mich die Fraktion der LINKEN im Hessischen Landtag um ein Gutachten zu ihrem Gesetzentwurf, den Weltfrauentag (8. März) zum gesetzlichen Feiertag zu machen. Der Landtag stimmte leider dagegen. Das ist natürlich kein Grund, die schöne Idee aufzugeben. Deshalb stelle ich heute zur Feier des 100. Weltfrauentags mein Gutachten ins Netz. Ich hoffe, dass viele den Vorschlag aufgreifen und unterstützen, bis wir es geschafft haben.
Gutachten Ich befürworte den Antrag der Fraktion der LINKEN im Hessischen Landtag, den Internationalen Tag der Frau zum gesetzlichen Feiertag zu machen.
Begründung: Frauen sind in Deutschland und weltweit in vielen Bereichen noch immer stark benachteiligt. Einer offiziellen Feststellung der UNO aus dem Jahre 1975 zufolge leisten sie zwei Drittel der Arbeit in der Welt, bekommen dafür 10 Prozent des Lohns und besitzen ein Prozent des Weltvermögens - das dürfte sich bis heute kaum geändert, ja eher verschlimmert haben. Viele ExpertInnen sind überzeugt: "The struggle for gender equality is the single most important struggle on the face of the planet." (Stephen Lewis, ehemaliger UN-Sonderbeauftragter für AIDS in Afrika.)
Das politische Anliegen, Gerechtigkeit für Frauen herbeizuführen, bedarf m.E. hier keiner weiteren Begründung, die Fakten sind bekannt und überall nachzulesen. Ein gesetzlicher Feiertag für Gerechtigkeit für Frauen könnte einen wichtigen Akzent setzen. Frauen brauchen jede Unterstützung, die sie kriegen können!
Damit ist das Thema frauenpolitisch abgehandelt: Es gibt keinen vernünftigen Grund, der benachteiligten Mehrheit der Bevölkerung die Unterstützung zu verweigern. Auch nicht die symbolische.
Ich möchte das Thema daher feiertagspolitisch angehen:
Wir haben 9 bundesweit geltende gesetzliche Feiertage, 6 davon sind christlich motiviert: Karfreitag, Ostermontag, Christi Himmelfahrt, Pfingstmontag, 1. und 2. Weihnachtstag.
Neujahr ist traditionell motiviert, der 1. Mai (Tag der Arbeit) und der Tag der deutschen Einheit sind politisch motiviert.
Es scheint angesichts des massiven Prestigeverlusts insbesondere der katholischen Kirche, massenhafter Kirchenaustritte, leerstehender Kirchen und eines ständig wachsenden Bevölkerungsanteils mit nichtchristlicher Religionszugehörigkeit nicht mehr zeitgemäß, den christlichen Kirchen zwei Drittel der gesetzlichen Feiertage zuzubilligen!
Die sich von der Herrschaft der Kirchen emanzipierende Bevölkerung sollte sich mindestens einen, am besten mehrere Feiertage zur nachdrücklichen Markierung der eigenen, politischen Interessen zurückholen.
Es braucht nicht unbedingt ein neuer Feiertag geschaffen zu werden - damit entfallen sämtliche Argumente, wonach der vorgeschlagene Frauen-Feiertag wirtschaftlich untragbar sei. Der 8. März könnte beispielsweise den Pfingstmontag ersetzen, der dafür ein normaler Arbeitstag würde. In den USA ist der Pfingstmontag - wie überhaupt das Pfingstfest - so gut wie unbekannt; in Italien und Schweden wurde er vor kurzem als Feiertag abgeschafft.
Stattdessen hat Schweden den 6. Juni zum Nationalfeiertag erklärt.
Einen solchen haben wir bereits mit dem 3. Oktober. Er löste den 17. Juni als “Tag der deutschen Einheit” ab.
Der 17. Juni stand für eine große politische Hoffnung, die die Westdeutschen nicht aus den Augen verlieren sollten und wollten. Er hat sicher dabei mitgeholfen, dass dieses Ziel schließlich erreicht wurde.
Ähnlich fungiert in den USA der Martin-Luther-King-Day: Immer am 3. Montag im Januar, nahe dem Geburtstag des US-amerikanischen Bürgerrechtlers (15.1.), erinnert sich die Bevölkerung an das große Ziel “Gerechtigkeit für die Schwarzen der USA” - und damit für alle ethnisch minorisierten Bevölkerungsgruppen.
Der Tag der Arbeit (1. Mai) erinnert an das Ziel “Gerechtigkeit für die arbeitende Bevölkerung”.
Gleichzeitig mit der Internationalen ArbeiterInnenbewegung entstand Mitte des 19. Jahrhunderts die Internationale Frauenbewegung. Ihre politische Bedeutung, Notwendigkeit und Wirksamkeit ist mit der der ArbeiterInnenbewegung mindestens gleichzusetzen, wenngleich die männlich geprägte Geschichtsschreibung dies lange ignoriert hat.
Aber diese ignorante Praxis müssen wir ja heute nicht fortsetzen. Der Hessische Landtag könnte stattdessen ein nachhaltiges und hoffentlich ansteckendes Zeichen setzen.
Für diejenigen, die um das schöne verlängerte Pfingstwochenende trauern würden (sicher sind das ganz viele, ich zähle mich dazu), möchte ich folgenden Trost vorschlagen: Der 8. März wird als beweglicher Feiertag beschlossen; er fällt immer auf den zweiten Montag im März - genau wie die US-AmerikanerInnen all ihre gesetzlichen Feiertage auf Montage gelegt haben.
Hessen kann die Ersetzung des Pfingstmontag-Feiertags durch einen Frauen-Feiertag nicht allein herbeiführen, aber es kann vorangehen, den Feiertag beschließen und sich dann für die bundesweite Lösung „Frauentag statt Pfingstmontag“ einsetzen.
gez. Luise F. Pusch
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12 Kommentare
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12.03.2011 um 15:33 Uhr anne
@ lena vandrey - sollen sie doch rot anlaufen, entweder aus scham oder aus wut über die LesbenFeministinnen - heisst es doch, dass diese reaktionen in rot angeblich aus menschlichen entwicklungsstufen stammen, in denen flucht oder angriff das leben sichern sollte?
feuern wir sie in die flucht - all die lesbophoben mitmenschen - und feiern unseren lesbentag (*!*)/`
daß wir auch dringend eigenständige FrauenLesbenDemos brauchen , wurde in AUF, eine frauenzeitschrift zu 1oo jahre internationaler frauenkampftag beschrieben. hier einige auszüge:
“...die geschichte des frauenwiderstands hat schon lange vorher begonnen. seit es herrschaft über frauen gibt, leisten frauen vielfältigen widerstand.
wenn wir als feministinnen für frauenbefreiung kämpfen, organisieren wir uns gegen die HERRschaft von patriarchat, kapitalismus und rassismus, begreifen und kämpfen die gesamtheit der verhältnisse. solange eine dieser unterdrückungsformen weiterhin besteht, kann keine von uns wirklich frei sein. diese lebensbedingungen sind weder zufall noch schicksal, sie sind die folgen eines gesellschaftssystems, das HERRschaftsverhältnisse bewusst produziert.
dieses system ist veränderbar!
warum eine eigenständige FrauenLesbenDemo?
selbstorganisierung von FrauenLesben begreifen wir als notwendigen schritt für die befreiung von uns allen und für jede einzelne. nur so können wir gesellschaftliche widersprüche, in denen wir uns als FrauenLesben bewegen, bewusst begreifen, diese diskutieren und analysieren, um sie letztendlich aufzulösen und freiheit zu entwickeln. wir brauchen eine utopie, freie unabhängige frauenperspektiven, mit denen wir unsere selbstentfremdung als frauen überwinden, die uns durch das patriarchat seit jahrtausenden aufgezwungen wird.
feminismus ist die grundlage für die befreiung der gesamten gesellschaft (inklusive der männer).
wenn männer ihr dasein nicht mehr auf der grundlage von frauenausbeutung bestimmen können, und frauen ohne (hetero-)sexismus und patriarchat selbstbestimmt leben, werden die arbeitsverhältnisse, lebensbedingungen und beziehungen radikal auf den kopf gestellt.
was wäre, wenn wir frauen keine versorgungsarbeit mehr leisten?
die gesamtgesellschaftliche arbeitsteilung rund um haushalt, kinder, alten- und krankenpflege liegt in der verantwortung aller. `mütter` und frauen ganz allgemein werden entlastet, können ihren eigenen interessen nachgehen, ab jetzt liegt die umsorgung von kindern nicht mehr allein in ihrer hand, und kinder werden von eltern nicht mehr als besitz angesehen; die `alten` werden nicht auf ein abstellgleis gestellt, sondern bleiben aktiver und bereichernder bestandteil, die `drecksarbeit` wird im kollektiv untereinander aufgeteilt. frauen haben selbstverständlichen zugang zu allen berufen. menschliche vielfalt wird als bereicherung empfunden und nicht durch normierungen zerstört.
was wäre, wenn wir frauen aus den klauen der patriarchalen kleinfamilie ausbrechen?
FrauenLesben leben freie beziehungsnetzwerke und vielfältige lebensformen - allein, zu zweit, in wohngemeinschaften, kommunen, als kollektive. frauen definieren sich nicht mehr über `ihre` (ehe-)männer, treffen eigene entscheidungen und träumen freie utopien. solidarität unter frauen, ein leben in respekt und verbundenheit zueinander, liebevolle und zärtliche freundinnenschaften und lesbische beziehungen werden frei gelebt.
was wäre, wenn wir frauen sexuell nicht mehr zur verfügung stehen?
die gesamte sex- und pornoindustrie, prostitutionm, frauenhandel, aber auch werbung, modellagenturen, militärische bünde und alle anderen wirtschaftsbereiche, die frauenkörper als ware benutzen, brechen zusammen.
frauen stehen ungeahnte ressourcen zu verfügung, weil sie nicht mehr darauf achten, in allen lebenslagen `schön` und sexy zu sein. den status des sexobjektes gibt es nicht mehr.
anerkennung und liebe ist nicht mehr an sexuelle verfügbarkeit gebunden.
wir frauen haben endlich die möglichkeit, unsere sexualität frei zu erforschen und zu kommunizieren - allein oder mit anderen.
was wäre, wenn wir frauen uns auf dieser welt grenzenlos bewegen können?
frauen können sich allein und zu mehrt, frei und ohne angst, nachts und tagsüber in den gassen, wäldern, bergen, wüsten und städten bewegen.
es gibt keine `nationalstaaten` mehr, die mit polizei und militär menschen jagen und einsperren, verfolgen und kontrollieren aufgrund `innerer sicherheit` oder als `wirtschaftsstandorte` gegen andere länder kriege führen und sie ausbeuten.
frauen können sich, ungehindert und frei von grenzkontrollen und bürokratischen verfahren, bewegen.
asylanträge werden keine mehr gestellt. abschiebungen gibt es nicht mehr. die mauern der knäste und schubhäfen werden eingerissen, die festung europa wird abgeschafft.
FrauenFeministinnenLesben haben beschlossen, das patriarchat zu beenden. wir lassen uns nicht länger ausbeuten, unterdrücken, zurichten, verheiraten, vergewaltigen oder abschieben!
wir leisten organisierten widerstand, heute und jeden tag überall auf der welt!
her mit dem schönen leben! jetzt!
es lebe der internationale frauenbefreiungskampf!
frauen, gemeinsam verändern wir die welt und uns selbst.”
12.03.2011 um 01:36 Uhr Angelika
ganz genau . wieso nicht . ??!! .
danke liebe Luise .
ihr gutachten hierzu und auch die kommentare habe ich gerne gelesen. ich mache mir also dazu so meine gedanken ISV mir meine eigene meinung erarbeiten ( nein nicht “bilden ISV Blöd”)
nota/so nebenbei :
1. mich nerven diese ganzen dt. christlichen feiertage. seitdem ich wieder in dld. lebe, beobachte ich das einfach aufmerksamer und denke mir auch da “meinen teil”
2. diese US-amerikanischen feiertage, die flexibel und dann an einem Do liegen, haben ihren grund - richtig (!), i.d. US-amerikanischen “kultur”
(nur falls erwünscht/erforderlich, erkläre ich das gerne)
10.03.2011 um 16:47 Uhr Lena Vandrey
Unsere frühere Frauenrechtsministerin, Yvette Roudy, wünschte den Tag herbei, an welchem ihr Ministerium unnötig würde… Dieser Tag kam früher als erwartet, aber anders als erhofft…
In der französischen Provinz wissen die jungen Frauen entweder gar nichts von unserer Bewegung MLF, unseren Anstrengungen und auch Erfolgen, oder finden sie ebenfalls unnötig, während Mai ‘68 ein großes, bedeutendes Datum bleibt.
Als wir an einem Weltfrauentag einigen unserer Ärztinnen je eine rote Rose bringen wollten, fragte ihre Sekretärin, was das denn sei? und war eine Ärztin pikiert, denn die Rose ist links und sie nicht, und eine andere legte sie müde zur Seite, seufzte, das nützt ja doch alles nichts, und sie habe keine Vase, wir sollten sie lieber wieder mitnehmen, diese Frauenrose. Für eine andere noch war diese Blume eine eindeutig lesbische Geste, also sexuell gefärbt und nicht politisch, denn dass das Persönliche politisch ist, dieser Spruch ist doch längst abgewertet!
Am Weltfrauentag sollten die Feministinnen einen Blumengruß bekommen, ebenfalls alle mutigen Frauen. Diese Anregung gab ich unserer Blumenhändlerin, welche entsetzt ablehnte: Da kann ich ja gleich meinen Laden schließen, rief sie.
Der obskure Militantismus gegen den militanten Obskurantismus ist das Schicksal aufgeweckter Frauen in Frankreich, ein schweres Los.
Dennoch haben wir nicht gänzlich nur im Wasser geschaufelt: Spätestens, wenn es sehr schlecht geht, gibt es Verständnis für unsere Thesen.
Solange wir mit Frauen-Leuten leben, die dauernd “Mein Mann, mein Sohn” sagen (müssen), ist Feminismus eine Art von “Geschlechtskrankheit”, die mir nur verziehen wird, weil ich Künstlerin bin.
Die Lesbenbewegung in Paris lehnt diesen Tag seit langem schon ab.
Meinerseits denke ich, dass ein “Schand-Tag” für Männer den Weltfrauentag bewerten würde, denn d i e s e Idee kommt ja von d o r t h e r .
Für die Frauen im tiefen Frankreich ist alles Feministische eher peinlich, weil es als lesbisch anmutet und gedeutet wird.
Da wollte ich einmal aufräumen und sagte zu unserem Rathaus-Personal: Seid Feministinnen, seid Schwestern, versucht es wenigstens zu sein! Nicht Lesben, nein!
Das wollen wir gar nicht, bloß nicht, nie, nie!! Ich höre sie noch heute lachen, wie sie die Straße hinuntergingen, immer weiter schallend lachend.
Und wenn wir ihnen jetzt begegnen, lachen sie wieder und erzählen uns respektvoll von ihren Unternehmungen für Frauen. Der Weltfrauentag ist kein Lesben-Feiertag, sage ich ihnen. Nun rührt euch doch, Schwestern!
An einem 8. März betrachte ich in einem Geschäft die Einkäufe eines jungen Mannes und lobe sie. Vor allem den Blumentopf. Er wurde ganz rot und sagte: Ja, das muss doch heute sein!
Wenn alle Frauen an ihrem Tage prima Primeln bekämen, so wäre das ein Statement für sie als F r a u e n .
Feministinnen aber bekommen gar nichts.
Dass Männer rot anlaufen, wenn ich rede, ist bislang das einzig sichtbare Resultat.
Besser als nichts.
09.03.2011 um 22:13 Uhr Bridge
“Mit Mut, Stolz & Lust! herzliche feministische Grüße” haben mir gestern einige freundinnen geSMSt. Ich hab mich wie an meinem wahren geburtstag gefühlt.
Mir wurde nichts geschenkt mit der geburt, das licht der welt hat sich viele jahre lang als zäher kalter schatten auf mich gelegt, wie für so viele frauen.
Erst bei euch, ihr meinesgleichen, hab ich mir lichter angezündet, an euren lichtern.
Der 8.märz ist unser gemeinsamer geburtstag und sollte als feiertag ein feuertag sein.
Was wir nicht alles feuern wollen bei uns selber… missmut, kleinmütigkeit, anpassungsleistungen und apathie.
Um uns anzufeuern mit mut, stolz und lust.
Um uns zu freuen über neue gesichter in unseren reihen.
Um unsere vorkämpferinnen zu feiern, die bekannten und die unbekannten, mit mut, stolz & lust.
06.03.2011 um 18:54 Uhr Evelyn
Den Widerstand gibt es keineswegs jeden Tag. Von Widerstand kaum je irgendwo eine Spur. Dies ist ein Wunschtraum: Die Frauenbewegungen sind geschwächt, wie die Ablehnung oder Ignoranz gegenüber dem Weltfrauentag zeigt, die Frauen, die gerne etwas anderes in unserem Land hätten, sind - zumindest in Deutschland - wenig kämpferisch. Sie sind, da sie sich kaum irgendwo äußern, fast unsichtbar - aus eigener Verantwortung heraus, denn niemand bedroht sie mit einer Waffe, den Mund zu halten. Schon vergessen, was für die frühen Frauen der Frauenbewegung “kämpferisch” bedeutete? Sie haben Leib und Leben riskiert.
Die überheblich-desinteressierte Ablehnung des Weltfrauentages zeigt, dass nicht einmal Symbole für eine Gesellschaftsveränderung von Frauen emotional belegt werden können. So weit sind wir schon gekommen. Ein Mangel an Begeisterung offenbart, wie abgestumpft wir gegenüber der Fackel der Freiheit sind, die s i c h t b a r e Eckpfeiler in der Gesellschaft braucht: wie zum Beispiel einen 8. März.
Ganz im Gegensatz dazu steht die massenhafte Heldenverehrung der Männer, ob als Fußballkönige, Rennfahrer"legenden” oder Politstars. Was sagt uns der Fall zu Guttenberg?
Wie ist so eine Heldenverehrung in unserer Gesellschaft zu erklären? Eine Heldenverehrung, die auch noch nach dem selbst verursachten Sturz weitergeht?
Sehen wir uns doch einmal die emotionale Befindlichkeit der Deutschen an. Sie zeigt auf, dass bis heute (!) männliche Führer der Inbegriff der stattlichen Repräsentanz des deutschen Volkes sein sollen. Die Hitler-Zeit wurde emotional nie aufgearbeitet und verarbeitet, trotz der vielen Dokumentationen über den Nazionalsozialismus im Fernsehen, zum Beispiel. Eine emotionale Aufarbeitung sieht anders aus. Sie befasst sich etwa damit, warum zeitgeistgerecht auftretende Führungspersönlichkeiten - wie Herr zu Guttenberg heute - in Deutschland immer mit Schneid, Überheblichkeit und angeblicher Unangreifbarkeit einhergehen müssen. Die alte Suche in Deutschland nach dem männlichen Übermenschen - die Lust an der Heroengestalt, die bitte nicht hinterfragt werden darf.
Die Deutschen haben eine fatale Lust an einer Projektionsfläche, und wenn sie dann auch noch adelig ist ... Deutschland, jedenfalls eine große Anzahl der Deutschen, hat zu diesem Mann eine Romanze entwickelt, nichts weniger als eine Haltung der Verehrung und Erhöhung. Und diese falsche Romanze wollen sie jetzt nicht loslassen, die Heldenverehrer/innen - Ethik hin oder her.
Dagegen wollen Frauen, auch hier im Blog, noch das einzige Symbol für Generationen von wahrhaft heldinnenhaften Frauen abschaffen - das ist genau auf der Ebene wie die Familienministerin Schröder, ehemals Köhler, ihr Ministerium gerne in die Hände eines Mannes übergeben möchte und sich selbst dabei gleich ganz abschaffen will. Wollen wir wirklich auf dieser Handlungsebene weitermachen? Wollen wir uns auch noch die letzten Marken der Sichtbarkeit von Frauenanliegen wegschwadronieren lassen?
06.03.2011 um 16:46 Uhr Anne
@ lena vandrey - in der tat eine gute idee, taugt der buß- und bettag als schimpf- und schandtag zum männertag - es gibt für das patriarchat genug aufzuarbeiten. auch aus dem grunde, weil die maskulinistische männerherrlichkeit den feminismus mit allen mitteln bekämpft - eine radikal antifeministisch ausgerichtete bewegung von männern und frauen, die das internet nutzen, in blogs und foren zu allen feministischen themen ihr gift und unwahrheiten zu verbreiten.
halbherzig (nach meinem empfinden) bzw. ohne tatsächliche innere überzeugung für den feminismus hat sich unsere bundesdeutsche familienministerin zum 1oo. weltfrauentag anläßlich einer bundestagsrede geäussert. wichtig war ihr dabei zu betonen, daß sich junge frauen von manchen vorkämpferinnen weiblicher emanzipation - nach ihren worten - emanzipieren sollten. sicher war das eine aufforderung an junge frauen, statt wellness sich radikaler für feminismus einzusetzen? nicht mit dem zufrieden geben, was alles angeblich erreicht wurde?
wenn nein, dann finde ich es merkwürdig, in welcher unkenntnis und voreingenommenheit zur weltweiten frauenbewegung hier eine junge, konservative familienministerin ihre eigene antihaltung anläßlich eines denkwürdigen datums vorgibt. meiner meinung nach entspricht das genau dem hohen C , und das steht nun einmal für christlich! so kann frau/man frauen einlullen bzw. im zaum halten . was für eine unpolitische familienministerin wir doch leider haben.
nicht nur, daß mio frauen/mädchen weltweit aufgrund ihres geschlechts vergewaltigt, ermordet, in der lebens- und arbeitswelt diskriminiert, versklavt werden, gewalt durch männer und das patriarchat täglich erfahren müssen - hinzu kommen mio frauen/mädchen/kinder, die von skrupellosen männern wie sklavinnen zur prostitution gezwungen werden - wie eine ware ge(be)handelt, zum kauf angeboten - weil der bedarf nach weiblichem frischfleisch und nach sexueller verfügbarkeit, und zwar durch männer so gewaltig ist.
aber diejenigen, die den WFT nicht kennen, wissen sie überhaupt etwas über die geschichte der frauenbewegung, über den feminismus, über feministisches engagement? über all das unrecht, das frauen täglich zugefügt wird? wir sollten auch den ursprung jeden tag ins gedächtnis rufen - denn 100 jahre frauenkampf ist zwar ein denkwürdiges zeitliches ereignis, doch der kampf für frauenrechte und gegen misogynie, (sexualisierte) gewalt durch männer an frauen dauert wesentlich länger.
für mich bedeutet der frauentag in erster linie ein gedenktag für alle frauen/feministinnen , die sich in theorie/praxis für frauenrechte einsetz(t)en. diese frauen nicht einfach vergessen , sondern sie und ihre/unsere frauen/geschichte sichtbarer machen, lebendig halten für das gedächtnis der frauen.
und natürlich den widerstand und frauensolidarität signalisieren, um die weltweiten verbrechen an frauen durch männer und das patriarchat aufzudecken…
es stimmt, einerseits können wir frauen etwas feiern, andererseits müssten wir an dem 100. frauentag eher wütend sein und `trauer tragen`...
dennoch “mehr frauen sichtbar machen”, wie in der dt. männersprache , denn auch da heisst es noch heute “sprache ist besser als eine burka” (zitat von LFP - das deutsche ist im verstecken der frauen besser als eine burka, da sind wenigstens noch die umrisse zu sehen)
http://www.wirfrauen.de/02-2010/index.php
06.03.2011 um 12:05 Uhr Lena Vandrey
Der Weltfrauentag macht aus einer Mehrheit eine Minderheit und aus einer Allgemeinheit einen Sonderfall. Die Herstellerinnen der Menschheit werden an diesem Tag geehrt und gefeiert, und am nächsten an ihrer Weiblichkeit amputiert, gezwungen, verraten und verkauft.
In den letzten Jahren hat es in Paris keine Demonstrationen mehr für diesen Tag gegeben, keine Frauen auf der Straße, die sich freuten, Frauen zu sein. Wo denn auch wären die Gründe? Die Frauen, in Frankreich jedenfalls, sehen diesen Tag als einen Reinfall und eine Falle, als etwas anderes als die Falle Muttertag, wo es Geschenke gibt, eine Art von Schmiergeld für gebotene Untertänigkeit. Das gibt es für den WFT nicht!
Am 8. März werden, wie an jedem Tag, 300 Frauen vergewaltigt, der Todestag 8. März steht auf allerhand Gräbern schon.
Idealismus, gekoppelt mit Naivität, ist eine zwar gute, aber auch gefährliche Sache. Radikale Frauengruppen wünschen diesen Tag nicht mehr, und 99% der Bürgerinnen unserer Stadt wissen nicht einmal, dass es ihn gibt und auch nicht, was da zu feiern wäre.
Wie ich es schon schrieb: U n s e r e n W i d e r s t a n d ! Und d e n gibt es j e d e n T a g !
Der Buß- und Bettag für Männer wäre die bessere Lösung.
06.03.2011 um 12:01 Uhr Lena Vandrey
Der Weltfrauentag als gesetzlicher Feiertag, das ist eine famose Idee, wenn es möglich wäre, sie überall auf der Welt zu verwirklichen. Mit dem Akzent auf “ÜBERALL”, was kaum möglich scheint.
Angenommen, dass es diesen Tag geben wird, werden denn unsere Feinde uns in Ruhe lassen? Werden sie Zwänge und Gewalt auf morgen verlegen? Ich fürchte: NEIN!
Eine Million Frauen verschwinden pro Jahr von der Erdoberfläche durch Mord. 75 000 Französinnen werden pro Jahr vergewaltigt. Weibliche Menschen werden von 8 Wochen bis über 80 Jahre vergewaltigt.
Bevor es einen Feiertag für Unsereins gäbe, müsste ein S c h i m p f- u n d S c h a n d e t a g für die Feinde der Menschheit eingerichtet werden.
War das vielleicht nicht der frühere Buß- und Bettag?
Fürs Erste weiß ich nicht, was wir feiern könnten. Unseren WIDERSTAND? DER aber geschieht doch JEDEN TAG!!