Generisches Femininum erregt Maskulinguisten, Teil 1
Die feministische Sprachkritik hat es weit gebracht. Früher wurde sie von der Maskulinguistik (kurz für „etablierte, männlich geprägte Linguistik“) schlicht ignoriert: Mit derartigem „unlinguistischen Blödsinn“ machte mann sich nicht die Hände bzw. den wissenschaftlichen Werdegang (CV) und das Schriftenverzeichnis schmutzig. Nun da feministische Sprachforderungen nach 35 Jahren „Nerverei“ sogar von der deutschen Universität selbst nachgerade übererfüllt werden, wendet sich das Blatt. In den letzten Wochen haben sich zwei männliche Sprachwissenschaftler herbeigelassen, dem Publikum in konservativen Zeitungen „linguistische Analysen“ bzw. „Anleitungen zur Gelassenheit“ zum Thema generisches Femininum zu verabreichen. Beide sagen im Wesentlichen dasselbe wie ihr heroischer Vorkämpfer Hartwig Kalverkämper schon vor 35 Jahren: Die feministische Sprachkritik sei „unlinguistisch“, sie vernachlässige die in den Sprachen auch sonstwo übliche Neutralisierung, und dergleichen mehr. (vgl. meinen in der Fußnote genannten Artikel). Neu hinzugekommen ist die putzige Idee, das Deutsche sei keine Männersprache, sondern im Vergleich zu anderen Sprachen sogar besonders frauenfreundlich.
Selten so gelacht. Ich habe diese „Argumente“ zwar alle schon im Jahre 1979 widerlegt, aber da Maskulinguisten sich erst neuerdings mit dem Thema befassen, ist ihnen das offenbar entgangen.
Die beiden Sprachwissenschaftler heißen Hans-Martin Gauger (Jg. 1935) und André Meinunger (Jg. 1969). Sie publizierten ihre Artikel in der „Welt“ (Meinunger am 7.7.) bzw. in der FAZ (Gauger am 10.7.) Es wäre interessant, die beiden Aufsätze zusammen abzuhandeln, aber das könnte die Geduld der Leserin überstrapazieren. Deshalb erledige ich sie nacheinander. In dieser Woche befasse ich mich mit Gaugers Artikel „Wir fahren jetzt vierzehn Nächte in den Sprachurlaub“, FAZ Nr. 157, S. N5 (online zugänglich hier; leider nur gegen Bezahlung oder für AbonnentInnen).
"Ist die 'Sichtbarmachung der Frau' dermaßen wichtig?" Gauger, emeritierter Romanist, kritisiert in seinem Artikel die Bemühungen der feministischen Linguistik um eine gerechte Sprache als „gegen die Sprache gerichtet“:
Da haben wir nun gleich das Problem: Entweder man stellt sich auf die Seite der Sprache, oder aber das mit der "Sichtbarmachung der Frau" ist einem dermaßen wichtig, dass man es vorzieht, sich gegen die Sprache zu stellen.
Männer haben kein Problem mit dieser Sprache, sie werden ja auch von ihr bestens bedient und verwöhnt. Sie sagen aber nicht „wir wollen unsere unverdienten Privilegien beibehalten“, sondern: „Diese Frauen tun der Sprache Gewalt an.“ So formulieren es die meisten antifeministischen Sprachschützer. Gauger drückt sich etwas gemäßigter aus und sagt lieber, wir „stellten uns gegen die Sprache“ oder unsere Vorschläge seien „sprachwidrig“. Und was ist, wenn diese Sprache Frauen Gewalt antut, sich „gegen Frauen stellt“ oder „frauenwidrig“ ist? Soll dann immer noch „die Sprache“, ein Abstraktum, gegen das weibliche Recht auf Gleichberechtigung verteidigt werden?
Früher argumentierten Maskulinguisten meist so, dass die offensichtliche Bevorzugung der Männer bei den Personenbezeichnungen reiner Zufall sei, die entsprechende Formel hieß: „Die Feministinnen kennen nicht einmal den Unterschied zwischen Sexus und Genus.“ Viele argumentieren bis heute so altertümlich, Gauger aber ist schon ein Stück weiter. Er gibt zu:
Was nun aber die Erklärung der in vielen Sprachen allgegenwärtigen männlichen Genusneutralisierung angeht, so liegt sie auf der Hand. Es kann ja wirklich nicht erstaunen, dass unsere Sprachen das Männliche privilegieren. Unsere Welt ist nun einmal von sehr weither durch die männliche Sicht geprägt - und dies muss sich doch in unseren Sprachen, die auch von sehr weither sind, spiegeln. Es gilt ja in jeder Hinsicht für die Wurzeln dessen, was man "Abendland" nennt: Judentum und Christentum sind männlich geprägt, die griechisch römische Antike ebenso, Rom nicht ganz so stark wie Athen. Aber was unsere Sprachen angeht, müsste man ja noch erheblich weiter zurück.
Und da das schon immer so war, soll es auch weiterhin so bleiben, findet Gauger. Ein armseliges Argument, fürwahr. Wenn wir dieser Denkweise generell gefolgt wären, gäbe es weiterhin offiziell Feudalherrschaft, Leibeigenschaft und Sklaverei, hätten Frauen noch heute keine Wahlrecht, usw.
Am falschen Thema "festgebissen"? Gauger gibt sogar noch mehr zu - um seine Einsicht dann sogleich gegen die feministische Linguistik zu wenden:
Übrigens dominiert die Männersicht in der Sprache wohl nirgends so stark wie dort, wo es um das Beschimpfen, Beleidigen und ganz allgemein um die Kennzeichnung von Negativem geht. … Und in dieser Hinsicht schneidet, wenn man schon wertet, das Deutsche ganz entschieden besser ab als unsere Nachbarsprachen, denn unser üblichstes vulgär-familiäres Schimpfwort ist gender-neutral. … [Damit meint der Spezialist für Vulgär- und Fäkalsprache das Wort „Arschloch“.] Die feministische Sprachwissenschaft hat dies so gut wie gar nicht gemerkt. Sie hat sich sehr einseitig an anderem, vor allem an der Femininmotion, festgebissen. In der vulgären und auch schon familiären Sprache hätte sie noch häufiger fündig werden können. Das Buch von Luise Pusch "Das Deutsche als Männersprache" (1984) suggeriert bereits im Titel, Männersprache gelte speziell für das Deutsche. Da stoßen wir einmal wieder auf den bis vor einigen Jahrzehnten üblichen Tunnelblick der Germanisten.
Da ich in Gaugers „Analyse“ als einzige Vertreterin der feministischen Linguistik namentlich genannt werde, möchte ich mir dies Zitat besonders liebevoll „zur Brust nehmen“. Da haben wir uns also sehr einseitig am generischen Femininum „festgebissen“, weil wir es unterlassen haben, uns um Gaugers Spezialgebiet Fäkalsprache zu kümmern. In „festgebissen“ klingt das bekannte Klischee für Feministinnen an („verbissen“) und jenes andere für streitbare Frauen („Stutenbissigkeit“).
Zu Gaugers herablassender Unterstellung „Die feministische Sprachwissenschaft hat dies so gut wie gar nicht gemerkt“ ist aus feministisch-linguistischer Sicht folgendes zu sagen: Wir kennen die beiden Abarten des sprachlichen Sexismus sehr genau. Ich habe sie als „groben“ und „alltäglichen“ Sexismus bezeichnet. Der grobe Sexismus fällt den meisten durchaus auf, sofern ihnen Sexismus überhaupt auffällt. So ist er denn schließlich auch Gauger aufgefallen. Groben Sexismus finden wir überwiegend im Beschimpfungsvokabular der Sprachen, in den Sprichwörtern und in Texten aller Art. Besonders tut sich dabei die Werbesprache hervor. Das wissen wir alle, es nervt uns täglich, aber es ist nicht das schlimmste Übel. Das eigentlich Entsetzliche an unserer Sprache ist der alltägliche Sexismus, der den meisten nicht einmal mehr auffällt. Es ist die Eigenschaft des Deutschen und vieler anderer Männersprachen, die Frauen sprachlich zum Verschwinden zu bringen, sowie nur ein einziger Mann auftaucht. Kurz, der wahre Feind ist das „generische Maskulinum“, das zu gebrauchen uns die deutsche Grammatik vorschreibt und das Frauen besser unsichtbar macht als jede Burka, denn es erledigt die Frauen gleich scharenweise, Tausende auf einen Streich: Aus 9.999 Sängerinnen und einem Sänger werden auf Deutsch zehntausend Sänger. Die Frauen können selbst zusehen, wo sie geblieben sind.
"Tunnelblick der Germanisten"? Weiterhin attestiert mir Gauger wegen des Titels meines Buchs „Das Deutsche als Männersprache“ einen „Tunnelblick der Germanisten.“ Ich bin aber kein Germanist, ja nicht einmal Germanistin, sondern promovierte Anglistin und habilitierte Sprachwissenschaftlerin. Und als Anglistinnen wurden Senta Trömel-Plötz und ich, die allgemein als Begründerinnen der feministischen Linguistik in Deutschland gelten, intensiv von der feministischen Sprachkritik der USA geprägt, die sich im Anschluss an die Sprachkritik der Bürgerrechtsbewegung der USA entwickelte.
Das Englische ist sehr viel leichter zu therapieren als die europäischen Genus-Sprachen. Mag eine deutsche Feministin die Doppelformen, ja sogar das große I wie in „LehrerInnen“ lästig finden - für eine englischsprachige Feministin gibt es keinen einzigen formalen Grund, das generische „he“ nicht durch ein generisches „she“ zu ersetzen. Gauger fände ein generisches „she“ genauso ungerecht wie das generische „he“. Nach dem Rotationsprinzip ist es aber nur gerecht und kann erstmal für die nächsten 1000 Jahre so bleiben. Gemäß Gaugers eigener Formulierung „Unsere Welt ist nun einmal von sehr weither durch die männliche Sicht geprägt“ müsste frau bei der Berechnung der Länge der Kur sogar „noch erheblich weiter zurück“.
Wie Tag und Nacht Kommen wir nun zu dem neckischen Titel, den Gauger für seine „linguistische Analyse“ gefunden hat. „Wir fahren jetzt vierzehn Nächte in den Sprachurlaub“. Was will uns der Professor damit sagen? Er will darauf hinweisen, dass es nichts Besonderes ist, dass Bezeichnungen wie „Lehrer“ alle Lehrerinnen mit einschließen sollen:
auch wichtig, aber weithin unbekannt, gibt es jenes Verfahren der Neutralisierung, der "inklusiven Opposition" auch außerhalb des Genus- oder Gender-Bereichs: Es ist also etwas Allgemeineres, Übergreifendes. Zum Beispiel, um nicht irgendeines zu nennen, kann das Wort Tag das Wort Nacht miteinschließen (24 Stunden, "Wir waren vierzehn Tage unterwegs"), es kann aber umgekehrt Nacht gerade ausschließen, dann sagen wir "ein Unterschied wie Tag und Nacht“.
Dieses Argument brachte schon Gaugers Vorläufer Kalverkämper vor 35 Jahren gegen die feministische Linguistik vor. In seinem Bezugssystem heißen die jeweils „neutralisierenden“ Wörter der opponierenden Begriffspaare „Archilexeme“. Ich schrieb damals dazu u.a. folgendes:
Eine nach versteckten Wertungen forschende Analyse hätte hier zu fragen: Welches von zwei Oppositionsgliedern trägt den Archi-Sieg davon? Schon ein kurzes Hinsehen liefert interessante Aufschlüsse. Bei den Nutztieren wird anscheinend das nützlichere Geschlecht zum Archi: GANS/Gänserich, KUH/Stier. Bei den Raubtieren … das starke Geschlecht: „LÖWE/Löwin, BÄR/Bärin. Bei den relativen Adjektiven wird dasjenige zum Archi, das das Mehr der jeweiligen Dimension bezeichnet: Wie GROSS/?klein, Wie LANG/?kurz… Das Archilexem Tag hat gegenüber Nacht die positiveren Konnotationen. Zum Archi wird also das jeweils Wichtigere, Größere, Positivere. Wie schön für uns Frauen. (1)
Ohne Frauen kein "allgemeiner Sprachgebrauch" Gauger empfiehlt abschließend: „Den allgemeinen Sprachgebrauch kann man nur sich selbst überlassen.“
Genau! Sprache ändert sich dauernd durch diejenigen, die sie benutzen. Sprachwandel vollzieht sich durch öffentliches Reden, von dem Männer die Frauen bis vor kurzem ausgeschlossen haben, oft per Gesetz. Die Frau durfte nicht von der Kanzel predigen, nicht zu Gericht sitzen, nicht an der Universität studieren, geschweige denn lehren, sie durfte nicht wählen, also in der Politik nicht mitreden und mitbestimmen. Männer redeten in der Öffentlichkeit miteinander übereinander. Seit etwa 50 Jahren aber reden immer mehr Frauen in der Öffentlichkeit mit. Wir wollen miteinander übereinander reden, aber die Sprache, die wir vorfanden, erlaubte dies nicht. Wie gesagt, „sobald ein einziger Mann hinzukommt, wird im Deutschen jede noch so große Menge von Frauen symbolisch zu einer Männermenge“. Klar, dass wir das nicht hinnehmen mochten und unsere eigenen Sprachkonventionen entwickelt haben.
Zweifellos tragen auch feministisch sensible Frauen zum „allgemeinen Sprachgebrauch“ bei, und nicht zu knapp. Sogar so sehr, dass es nun auch schon emeritierte Sprachwissenschaftler aufschreckt, die sich bisher nicht darum gekümmert haben, was viele und immer mehr Frauen weltweit von den Männersprachen halten. (2)
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(1) Pusch, Luise F.1984 [1979]. "Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, doch weiter kommt man ohne ihr: Eine Antwort auf Kalverkämpers Kritik an Trömel-Plötz' Artikel über 'Linguistik und Frauensprache'", in: Pusch, Luise F. 1984. Das Deutsche als Männersprache: Aufsätze und Glossen zur feministischen Linguistik. Frankfurt/M. edition suhrkamp 1217. S. 20-42. S. 35
(2) Vgl. hierzu Hellinger, Marlis & Hadumod Bußmann. 2001-3. Gender Across Languages: The Linguistic Representation of Women and Men. 3 vols. Amsterdam; Philadelphia. Benjamins. Der vierte Band ist in Arbeit.
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18 Kommentare
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13.08.2013 um 21:26 Uhr Amy
Zitiert: ..ursprüngliche Bedeutung des Suffixes -in (lt. Pusch) nur eine Abhängigkeit, keine Individualität, wobei erst später tatsächlich eine Frau mit Beruf oder Rang gemeint war ..
- dass das Maskuline sich als Grundform etablieren konnte, bedeutet, dass Frauen in vielen Bereichen irrelevant waren; weder wünschenswert, noch zeitgemäß ..
- da der Pusch-Vorschlag `Neutralisation` - die/der/das Professor - kaum Chancen hatte sich durchzusetzen, will Pusch die Verwendung des Suffixes -in forcieren, a. dass es seine negative Konnotation verliere, semantisch aufgewertet würde…
Was ist daran falsch? Frauen endlich sichtbar zu machen? Die Aufwertung des Weiblichen bedeutet für manche Maskus die Abwertung des Männlichen? Das ist m.E. deren eigentliches Problem.
Und in der Tat finde ich es wichtig, das generische Femininum als Empathietraining einzusetzen, zumal es generell eine Errungenschaft der Frauen-/bewegung ist, daß sie - die Frauen - in den ursprüngl. Männerdomänen Einzug halten können; wobei in der Praxis aber für viele Frauen heute noch immer die `Gläserne Decke` gilt. Dafür gibt es etliche Beispiele!
Und was den Präsidenten Obama und seine Hautfarbe betrifft, Rassismus, Homophobie, Misogynie sind auch heute noch allgegenwärtig. Er symbolisiert die volle Gleichberechtigung der Schwarzen - heißt es, weiter: Die Freude der Schwarzen (93 % haben ihn wiedergewählt) über seine zweite Amtszeit aber offenbarte, wie wichtig es ihnen ist, dass Obama nicht nur der erste schwarze Präsident ist, sondern auch der erste wiedergewählte schwarze Präsident.
09.08.2013 um 03:08 Uhr Jürgen A.
@amy
Zur Bundeskanzlerin möchte ich anmerken, dass Luise Pusch in einem ihrer
frühen Aufsätze in “Deutsch als Männersprache” mit überzeugenden
Argumenten die These vertreten hat, dass die Endung “-in” ursprünglich
die Zugehörigkeit zu einem Mann signalisierte. Die Försterin war etwa
die Frau des Försters. Und “Frau Bundeskanzlerin” natürlich die Frau des
Bundeskanzlers. Für österreichische Ohren klingt diese Sprachgewohnheit
übrigens noch vertraut.
Pusch ist an sich keine Anhängerin der “-in”-Form, das ist bei ihr eher
eine Hassliebe. Immerhin macht diese Form Frauen sogar formal zum
Anhängsel von Männern und ist deshalb das Symbol für die sprachliche
Asymmetrie zwischen Männern und Frauen. Wie es vom einstigen Hassobjekt
der Feministinnen zum Identitätssymbol werden konnte, ist für mich ein
Rätsel. Pusch hatte die Hoffnung, dass eine durchgehende
Geschlechtsdifferenzierung die Frauen wieder “sichtbarer” machen würde.
Ich nenne das Selbstmord aus Angst vor dem Tod ...
Der unschöne Nebeneffekt ist eine Sexualisierung der Sprache. Ich
erkenne das ja an der witzig gemeinten Frage, ob ich, weil ich ein Mann
bin, überhaupt als “eine Person” bezeichnet werden darf. Ja Himmel,
sollen jetzt an sämtlichen personenbezogenen Wörtern des Deutschen
blassblaue und rosafarbene Schleifchen angebracht werden? Feministinnen,
die das ernsthaft fordern, sind im Geiste gar nicht so weit entfernt vom
“Typisch Mann! Typisch Frau!”-Gerede eines Mario Barth, der ja
bekanntlich eine in die Millionen zählende Fan-Basis in Deutschland hat,
die keineswegs nur aus Männern besteht.
Es stimmt auch überhaupt nicht, dass die Männerwelt irgend etwas an
weiblichen Berufsbezeichnungen auszusetzen hätte. Da gab es und gibt es
keinen Shitstorm. Viel anstößiger für Männer ist eine “Frau Anwalt” oder
eine “Frau Minister” oder eben eine “Frau Bundeskanzler”. Da treten dann
die Reinheitsapostel der Sprache auf den Plan und monieren eine falsche
grammatische Kongruenz. Dahinter steht aber die Angst, dass
Berufsbezeichnungen nicht mehr automatisch das Geschlecht der Genannten
ausdrücken. Nur, warum und für wen ist das wichtig? Sollen wir, um
einmal auf das Feld der Hautfarbe zu wechseln, Präsident Obama wieder
als “den farbigen Präsidenten Obama” bezeichnen?
Diesen etwas grundsätzlicheren Post möchte ich mit meinem Unverständnis
dafür beenden, dass statt des “-in”-Anhängsels das generische Maskulinum
zum Feindbild Nr. 1 wurde. Das einzige, was am gen. Mask. auszusetzen
ist, das ist die Tatsache, dass es eben nicht generisch ist. Die
Strategie skandinavischer Feministinnen war es einmal, konsequent auf
alle weiblichen Berufsbezeichnungen zu verzichten und die männlichen
Formen zu übernehmen, auch denn, wann _exklusiv_ Frauen gemeint sind.
Also etwa “Luise ist ein fähiger Linguist.” “Luise und Franza sind
Wissenschaftler.” Wäre diese Strategie fortgesetzt worden, dann hätte
sich das deutsche Genussystem an entscheidender Stelle so geändert, dass
auch psycholinguistische Untersuchungen wohl zu anderen Ergebnissen als
den bekannten gekommen sein würden.
So, das mal als grundsätzlicher Gedankenanstoß.
08.08.2013 um 23:49 Uhr Jan
Hi Julie,
“senator” is not associated with men. It’s a gender neutral term and applies to both male and female senators. German “der Senator” works differently.
The grammatical systems of English and German are totally different in this respect. A solution that works for female US senators cannot be applied to German “Senatorinnen”.
Furthermore, the ending -“ess”, as in “poetess” is considered to be insulting and belittling in English (in most words), whereas the German ending “-in” doesn’t have any negative connotations.
08.08.2013 um 17:32 Uhr Julia H.
Hi Amy,
Maybe my question was too hard for you.
In the USA there are 20 female Senators. All of them insist on being called Senators. None of them want to be called Senatresses.
According to your logic, they are being oppressed (or are oppressing themselves) because they do not have a gender specific title. Instead they have one which is associated with men.
That sounds terrible.
Good luck figuring this one out! :-)
Julie
07.08.2013 um 18:22 Uhr Amy
Dieses Zitat von Luise finde ich auch sehr passend : “Männliches darf nicht unter einem weiblichen Oberbegriff fallen. So lautet das oberste Gesetz patriarchaler Sprachen”. Genau, sonst gäbe es nicht diesen enormen maskulinistischen Shitstorm, sobald Frauen auch sprachlich außerhalb der Schwundform einmal sichtbar gemacht werden. Die Maskus werden ja schon irre, wenn es heißt “Alle Menschen werden Schwestern” . Herr Bundeskanzler ist uns nicht fremd, Frau Bundeskanzlerin dagegen sehr.
In ständiger Wiederholung, gerade Männer machen es sich hier leicht, sie könnten nach kont. sprachlicher Bevorzugung und Mono-Benennung ebenso auch die Feminisierung der Sprache akzeptieren. Das bedeutet doch keinen Umkehrschluß, da sie durch das generische Femininum (Apothekerinnen) sichtbar bleiben. Wie kann momentan eine angeblich neutrale Form `Präsident` gerecht sein oder weibliche Menschen gedanklich mit einbeziehen, wenn unter dem Begriff heute noch, und zwar aufgrund der Historie, nur ein Geschlecht - nämlich das männliche - assoziiert wird? Und ob Hillary Clinton als `Frau` jemals `President` wird, steht in den **Sternen - wie leben immer noch in einer Zeit, in der das Maskuline dem Femininen gegenüber bevorzugt wird - sogar in der `TRansformation`- da helfen auch keine Unterstriche oder Sternchen - also, hinfort mit der Maskulinguistik, denn nebenbei wird auch noch suggeriert, daß die maßgeblichen Leistungen allein von Männern vollbracht wurden/werden ....
05.08.2013 um 15:17 Uhr Julia H.
Hi Amy,
In English we would say “Madam President Clinton” not “Presidentress Clinton”.
What do you think about that?
Julia
05.08.2013 um 10:40 Uhr Amy
Frau Bundeskanzler klingt in meinen Ohren wie die Frau des Bundeskanzlers. Warum sollten wir Frauen uns ständig mit der `Schwundform` Kanzler oder mit `Unterstrichen ` zufrieden geben, dahinter verbergen, wenn unter dem Begriff Kanzler traditionell gedanklich bei den meisten Männerköpfe erscheinen. Ich sehe keine Probleme darin, mich als Köchin zu bezeichnen , zumal wir in einer Welt leben, in der keinem Mann in welcher Form auch immer die `Burka` zugemutet wird! Oder glauben Sie, daß der Köchin als weibliches Wesen z.B. unter der Berufsbezeichnung `Koch` gleiche/bessere Verdienst-/Chancen offen stehen? Diese Ungerechtigkeiten werden ja auch dadurch deutlich, daß wir die Dinge beim `weiblichen` Namen nennen. Es ist tragisch, daß wir in der BRD nach langem Kampf in Sachen Gleichberechtigung erst heute eine Bundeskanzlerin haben. (Ehemals durch die politische Herrenriege nur als Notlösung gedacht) , die sich darüber hinaus auch noch als 8. Bundeskanzler in der Männerriege mitgemeint fühlen soll. Würden wir auf die sprachliche Würdigung `Bundeskanzlerin` verzichten - wäre die Tatsache trad. Ungleichbehandlungen von weibl. Menschen z.B. zur Freude der Maskus unter den Tisch gefallen. Ähnlich als wenn ein Teil der Historie einfach ignoriert wird. Wie wichtig, Frauen auch sprachlich sichtbar zu machen, zeigt übrigens, mit welcher Gangart der Shitstorm gegen das Sichtbarmachen von Frauen funktioniert/e.
Feministinnen wie Luise F. Pusch haben erfolgreichen Widerstand geleistet gegenüber der arroganten Ignoranz der Maskulinguistik. Wie revolutionär, wenn Männer von ihrem hohen Roß absteigen würden und das generische Femininum als Empathietraining akzeptierten:
Zitat: Weibliche Bezeichnungen sind für Männer genauso untragbar wie weibliche Kleidungsstücke. (LFP)
05.08.2013 um 00:13 Uhr Jürgen A.
Hallo Amy,
Frauen sind _als Frauen_ nirgends so sichtbar wie in einer Burka. Als Menschen dagegen sind sie unsichtbar ...
Ich kann nicht verstehen, dass Feminist/innen so oft auf eigene weibliche Formen pochen, auf ihre “ihr” und “-innen”. Eine durchgehende duale Aufteilung in “weiblich” und “männlich” ist viel patriarchaler, als ihr glaubt. Als Frauen könnt ihr auch im Patriarchat wahrgenommen werden, ja da werdet ihr sogar besonders als solche ausgestellt. “Bundeskanzlerin Merkel” - das ist etwa so wie “der farbige Präsident Obama”. Ist das Geschlecht denn wirklich so wichtig? Früher dachte man das auch von der Hautfarbe ...
Überhaupt Merkel: Sie ist nicht etwa die achte deutsche Bundeskanzlerin, sondern die erste. Hoppla, ein Ausnahmefall! Eine Anomalie! Die weibliche “-in”-Endung ist unfähig auszudrücken, dass sie die achte Person in einer längeren Reihe von deutschen Regierungschefs ist.
Was glaubt ihr Feministinnen, warum die Männerwelt überhaupt keine Probleme mit weiblichen Berufsbezeichnungen hat? Eine Frau hat Lehrerin zu sein, Ärztin, Architektin und Köchin. Damit nicht der Verdacht aufkommt, sie würde den gleichen Beruf bekleiden, wie ihre männlichen Berufsgenossen.
“Frau Bundeskanzler” - das erst wäre sprachliche Gleichberechtigung.