Follower: Twitterspeak und Gender, Teil 1
Aus Wir machen uns unsere Sprache selber: Ein Feminar. Sechsundfünfzigste Lektion.
Vorgestern habe ich meine zweite Twitter-Seite (nach @luisepusch) eröffnet. Sie heißt @Hexikon und soll ein Sammelbecken für Wortschöpfungen, Wortspiele und Neudefinitionen der Frauenbewegung werden. Gerade habe ich meine 97. Tweet (Zwitsch?, Nachricht, Eintrag) getweetet: Mary Dalys Wortspiel dicktionary (von dick „Penis“ und dictionary „Wörterbuch“). Das Hexikon hat auch schon 29 Follower. Für diejenigen unter euch, die keinen Twitter-Account haben: Follower sind Leute, die sich für eine Twitterseite (in diesem Falle: @Hexikon) interessieren und sie abonnieren (sich als Follower anmelden), um jeweils sofort die neuen Hexikon-Tweets auf ihre eigene Twitter-Seite serviert zu bekommen.
Kaum hatte ich den Eintrag zum EMMA-Wortspiel „PorNO“ gezwitschert, hatte ich als Follower eine Pornoseite am Hals. Zum Glück kann frau Follower/Stalker auch blockieren.
Das Wort Follower gehört übrigens höchstens zwecks Reparatur ins Hexikon. Es ist ein Ausdruck der Männersprache, der es in sich hat.
Eigentlich müsste es ja followers heißen: „Ich habe 29 followers“ sagen wir als gebildete und des Englischen kundige Deutsche. Aber das Deutsch, das meine Seite ziert, haben sich andere ausgedacht, und so heißt es da eben „29 Follower“. Meine Follower sind natürlich fast ausschließlich Followerinnen. Aber das kümmert die Macher des Twitterdeutsch nicht.
Die „Follower“ sind eigentlich AbonnentInnen oder LeserInnen. „Folger“ gibt’s im Deutschen nicht, wir kennen höchstens „Verfolger“ und „Nachfolger“. „Folgende“ wäre gegangen und noch dazu wie aus dem feministischen Lehrbuch (vgl. Studierende statt Studenten). „Gefolge“ wäre sowohl geschlechtsneutral als auch noch witzig gewesen. "Gefolgschaft" hätte ich aus demselben Grund nett gefunden, zumal Gefolgschaft gerne mal aufgekündigt wird, was im Zusammenhang mit dem Folgenden (Wortspiel beabsichtigt) nicht unwichtig scheint:
Im Dritten Reich sagten Hitlers Follower: „Führer befiehl, wir folgen dir“. Sie wurden aber nicht Folger genannt oder gar Follower, sondern Anhänger. Männer mit Sendungsbewusstsein versammeln Anhänger um sich, oder Jünger, oder Gläubige bis hin zu den Fanatikern (abgekürzt: Fans). Diese sind "folgsam" und „folgen“ ihnen aufs Wort. Aber wehe, sie folgen noch jemand anderem als dem Führer. Im Übrigen geht das auch gar nicht: Wenn ich einem Führer folge, kann ich nicht zugleich einem anderen Messias folgen, es ist physisch unmöglich, ich kann mich nicht in zwei Hälften teilen. „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir“, heißt es gleich im ersten der Zehn Gebote. Wenn die Herde dem Hirten folgt, folgt sie nicht zugleich einem anderen Führer. Sollte es einem schwarzen Schaf doch einfallen, auszuscheren, wird es in die Herde zurückgepfiffen. Falls das nicht reicht, kommen Hütehund, Gestapo oder Inquisition zum Einsatz.
Bei Twitter ist es aber so, dass die meisten ebenso vielen Personen folgen, wie sie Follower haben. @DailyEngHelp, ein Lehrer, der über die englische Sprache zwitschert, hat 5.932 Follower und folgt 4.530 Personen. Was kann bei diesen Zahlen das „Folgen“ noch bedeuten?
Es ist eigentlich mehr eine Art Sichten, Beobachten - und kann auch zum Überwachen dienen: „Mal sehen, was die Konkurrenz treibt.“ Eine Überwachungskamera kann sehr viele Menschen gleichzeitig ver“folgen“. Diese Einsatzweise des „Following“ erinnert ungut an die Teilnahme von Männern an feministischen Veranstaltungen. Was da gesagt wird, interessiert sie meist nicht. Aber durch offizielle Teilnahmerlaubnis behalten sie die Kontrolle über das Gesagte à la „Feind hört mit“.
Und warum heißt es nun Follower statt AnhängerInnen, AbonnentInnen, LeserInnen, InteressentInnen oder BeobachterInnen? Das weiß Twitter allein. Vielleicht erinnert Anhänger sie zu sehr an Schmuck oder Wohnwagen, Trailer - und signalisiert überdies eher Passivität als Dynamik.
Wie dem auch sei - ich werde mir das Wort „Follower“ für die LeserInnen meines Twitter-Hexikons gar nicht erst angewöhnen und lieber von AbonnentInnen sprechen, kurz von Abonnen (im Singular die/der Abonne). Erinnern sie nicht an die guten Bonnen, die unsere Urgroßmütter beim Spielen liebevoll im Auge behielten, als diese noch klein waren? Die Kategorie „Following“ (Seiten, die ich abonniert habe), würde entsprechend durch Abos ersetzt.
Diese kleidsamen Kreationen muss ich gleich mal ins Hexikon eintragen und in die Welt hinauszwitschern. •••••••• Dank an Joey Horsley für prima Ideen und anregende Diskussionen zum Thema.
Kommentieren für diesen Channel-Eintrag nicht möglich
15 Kommentare
Nächster Eintrag: Share/Teilen: Facebookspeak & Gender, Teil 1
Vorheriger Eintrag: Slutwalk und Schlampenmarsch
29.08.2011 um 17:11 Uhr bigm0uth
das ist aber ein ganz schlechter beleg - wenn es unmöglich ist, dann gibt es keinen grund, ein gebot daraus zu machen. das schien der autor des gebotes offensichtlich aber ganz anders zu sehen
27.08.2011 um 17:45 Uhr Sammelmappe
Der @luisepusch folge ich ja schon länger. Allerdings kamen da meist nur Links und weniger Wortspielere oder Wortschöpfungen.
Auf die freue ich mich, denn Twitter ist ein Medium, auf dem Wortkünstlerinnen glänzen können.
Ich lausche voller Erwartung.
27.08.2011 um 17:11 Uhr hn
Twitter formuliert auf englisch doch “follow this user’s updates”, es geht hier also doch offenbar um die Bedeutung “verfolgen” (also, Aufmerksamkeit widmen). Hitler einbauen ist zwar immer ganz lustig, aber wirkt hier schon arg billig und polemisch.
Außerdem: besser “Follower” als “Freunde”.
27.08.2011 um 10:38 Uhr Lena Vandrey
@ Anne :
Ja, Anne Zelensky = Mut & Memory !
Sie weiB noch, wie die Sozialisten-Männer uns verhöhnt und missachtet haben, der Erzfeind war LINKS, nach dem Sprichwort: Man wird immer nur von den eigenen Leuten betrogen! Was sollen wir von den zwei Damen der Partei denken? Royal bedauert, dass Johanna von Orléans, vermutlich eine Hermaphrodite, die Mutterschaft nicht gekannt hat, und Aubry möchte, dass die Muselmaninnen das Schwimmbad 1 Tag pro Woche “für sich alleine” haben, damit sie “unter sich” sein können!
Nur die Kommunistin Marie-George Buffet sagte, dieser Freispruch sei Schmach und Schande für Links und eine Beleidigung für Millionen von Frauen!
“Wir wussten, dass er unschuldig war”? Dieser Freispruch ist KEIN Unschuldsbeweis, sondern ein Schachmatt der Justiz, ein Beweis für Feigheit, Hörigkeit und Politik im schlechtesten Sinne. Einfach gemein!
Die Kerle halten sich am Schwanz und hangeln sich über die Mauer der Moral hinweg. Von hinten schieben die Damen und auf der anderen Seite sind auch welche, die sie beglückt in die Arme nehmen, damit ihre Babies nur nicht hinfallen und sich die Hoden verletzen. Eine Tüte Viagra haben sie auch dabei.
Christa Reinig schrieb: “Die Menschen sind gar nicht so schlecht, aber ihre Götter sind schrecklich.”
Kein Gott ist unschuldig. Wegzappen heiBt das Programm. Na, gute Nacht, liebe Frauen - vielleicht kommt ja doch noch eine Karateka an die Reihe und ... den Verbrecher .... ([...] von der Redaktion gelöscht).
Das hoffen wir inständigst.
26.08.2011 um 12:20 Uhr anne
@ lena -es macht wütend, den miss-gebrauchs-täter
und seine willigen hofschranzen jetzt triumphieren zu sehen.
“Anne Zelensky, feministin der ersten stunde, spottet über die verlogenheit der sozial. partei, die jetzt wagt zu erklären “wir wussten immer, dass er unschuldig ist. die präsidentin d. liga für frauenrechte, erinnert daran, daß vergewaltigung früher juristisch in frankreich nur ein `vergehen` war und nur dank der feministinnen seit 1980 als `verbrechen` gilt.
man weiß schon seit jahrzehnten, schreibt die feministin, daß dsk der sog. verführer und frauenfreund, in wahrheit ein besessener ist. alle frauen, die durch seine tür kommen, werden von ihm belästigt, verfolgt, wenn nicht gar vergewaltigt. aber die skandale wurden alle erstickt, nicht zuletzt mit hilfe von frauen aus dem eigenen politischen lager.”
http://www.emma.de/ressorts/artikel/vergewaltigung/nafissatou-diallo-fuer-uns-bist-du-eine-heldin/
24.08.2011 um 09:49 Uhr Lena Vandrey
Auf einem Sprach-Blog zu sagen, dass wir sprachlos sind über den Freispruch des DSK. Und wir schämen uns: für die wacklige kleine Frau, die ihrem Verbrecher-Bullen hinterherhüpft; für die Chefin der Sozialisten, welche glücklich ist; für die zweite Dame der Partei, welche aufatmet; für den pädophilen früheren Minister und für den Clown, der Präsident werden will und dessen Mönchs-Tonsur uns dauernd gezeigt wird, und sogar für die EINZIGE Feministin vom Dienst, nicht wegen ihrer dicken Warze mitten in der Visage, sondern wegen ihres idiotischen Dauerlächelns.
Hätte man nicht auf irgendeinem TV-Flur EINE empörte Frau finden können? AuBer Tränen und Schämen sehe ich nichts mehr. Der Alb-Traum ist vorbei, seufzt die Chefin der Partei. Nein, jetzt fängt er erst an. Wollen wir doch hoffen, dass die französische Bevölkerung diese Bande im nächsten Jahr NICHT wählt.
23.08.2011 um 21:07 Uhr lfp
@Barbara: Richtig, danke! Da war ich wohl selbst gerade etwas befallen. Hab’s korrigiert.
23.08.2011 um 20:22 Uhr Barbara
Nur ein Detail: Hitlers Followers waren zweifelsohne irgendwie befallen, trotzdem sagten sie kaum “Führer befiel”, sondern “befiehl”, richtig?
Barbara