Die Frauenquote und die Vorzimmerdame
In diesen Tagen reden wieder alle von der Frauenquote. Die Quote wird eines Tages sogar in Deutschland kommen, wo sie sich im Vergleich zu anderen europäischen Ländern noch schwertut - (vermutlich ein Erbe unserer Nazivergangenheit). Sie wird dann möglicherweise sogar "Männerquote" heißen und vorschreiben, dass der Männeranteil in Gremien und Sparten aller Art nicht unter 50 Prozent fallen darf. Denn dahin geht der Trend, wenn auch zu langsam: Frauen holen auf in vielen gesellschaftlichen Bereichen, und in vielen haben sie nicht nur aufgeholt, sondern die Männer überholt. Männer täten also gut daran, die Frauenquote zu unterstützen, damit sie dereinst selbst von der einmal etablierten Geschlechtergerechtigkeit profitieren können.
Während die Politik sich über die Frauenquote die Köpfe heiß redete, hatte ich meine ganz eigenen privaten Erlebnisse damit. Ich habe Probleme mit der rechten Schulter - nach 30 Jahren eifriger Arbeit an meiner Compute leide ich an einem „Mausarm“, wie mir mein Hausarzt erklärte. Schließlich ging ich in die nächstbeste orthopädische Praxis. Sie wird von drei Männern betrieben, nichts mit Frauenquote. Der Arzt, bei dem ich landete, ordnete eine MRT an.
In der radiologischen Praxis weit vor den Toren der Stadt wirken sieben Ärzte und zwei Ärztinnen - eine Frauenquote von 22 Prozent. So viel etwa sind auch für unsere Vorstände der Dax-Unternehmen vorgesehen, aber erst ab 2018. Ist ja eigentlich erbärmlich, und trotzdem wird nicht einmal dieses vom Bundesrat befürwortete Armutszeugnis durch den Bundestag kommen, heißt es allgemein.
Ich bekam in der radiologischen Praxis allerdings nur Frauen zu sehen. Eine erklärte mir die Prozedur, passte meine Schulter in die Apparatur und schob mich in die Backröhre. Sie sprach einige beruhigende Worte und holte mich nach etwa 20 Minuten wieder raus. Ich schaute benommen um mich und sah - noch ohne wiedergewonnene Brille - einige Frauen, die auf Bildschirme starrten (der Mausarm ist auch ihnen sicher). Vielleicht waren auch die beiden Ärztinnen darunter; ich vermute eher, ich bekam das technische und das Hilfspersonal zu sehen.
Die Ergebnisse der MRT besprach ich einige Tage danach mit dem Orthopäden. Er verschrieb mir Schmerztabletten und Physiotherapie. Ob er mir eine Physiotherapeutin empfehlen könne, fragte ich ihn. Nein, das sei nicht erlaubt. Aber die Damen draußen beim Empfang hätten da stapelweise Prospekte rumliegen, da könnte ich mir dann das Passende aussuchen. „Die Damen“ konnten mir tatsächlich weiterhelfen, und so landete ich schließlich bei einer Physiotherapeutin um die Ecke. Ihre Praxis ist winzig, der kleine Flur dient als Wartezimmer, die Toilette sitzt auch etwas eng, aber die Therapeutin ist hilfreich, kundig und freundlich. Empfangsdamen beschäftigt sie nicht, das macht sie alles selbst. Erst knetet sie, dann windet sie sich durch die Enge bis hinter ihren Schreibtisch und erledigt dort den Bürokram.
Drei Begegnungen mit unserem Gesundheitswesen, und schon ist alles klar. Wir brauchen die Frauenquote, damit nicht nur Ärzte Hilfspersonal haben, sondern auch Ärztinnen und Physiotherapeutinnen. Und damit in der zweiten und dritten Riege nicht nur Frauen wirken, sondern auch Männer.
Bleibt die Sache mit den „Damen“ - obwohl es mir auf der Zunge lag, habe ich dem Herrn Doktor nicht widersprochen. Er hätte mich sowieso nicht verstanden und mich als Querulantin abgetan.
Die meisten denken, „Dame“ sei eine ehrerbietige Bezeichnung für Frauen, ähnlich wie „Herr“ für Männer. „Sehr geehrte Damen und Herren“ - dagegen ist nichts einzuwenden. Auch nicht gegen Damentoiletten und Herrentoiletten, Damentennis und Herrentennis. Obwohl das Damentennis - wohl analog zum Frauenfußball - doch heute mehr und mehr Frauentennis genannt wird. Auch das Herrentennis wird als dünkelhaft empfunden und weicht allmählich dem Männertennis. Apropos "Toiletten": Zwar gibt es "Damentoiletten", aber keine "Toilettendamen". Wäre das zu viel der Ehre? Sie heißen stattdessen "Toilettenfrauen" oder, noch geringschätziger, "Klofrauen"; manchmal gibt es sogar "Toilettenmänner".
Aber „die Damen vom Empfang“ - das ist eine ganz andere Geschichte. Hier fehlt die Männerquote bzw. das männliche Pendant. Solange es keine „Herren vom Empfang“ bzw. „Vorzimmerherren“ gibt, kann uns die „Dame“ gestohlen bleiben. Mit „Dame“ wird die Frau eine Stufe emporgehoben - aber nur dem Namen nach. Mit Sicherheit stehen die „Damen vom Empfang“ in der orthopädischen Gemeinschaftspraxis auf der untersten Stufe der Gehalts- und Prestigeskala.
Die feministische Linguistik hat schon vor 40 Jahren darüber sinniert, warum die Frauen eingeteilt werden in „Damen“ und „Frauen“ - und „Fräuleins“ gab es damals auch noch!
Jetzt kämpfen einsichtige PolitikerInnen um die Frauenquote - rund 40 Jahre, nachdem Feministinnen sie gefordert haben, ist das Thema also in den obersten Gremien angekommen, wie schön!
Warum heißt die Quote Frauenquote und nicht Damenquote? Warum sagen wir „Frauenbewegung“ und nicht „Damenbewegung“? Auch „Damenstimmrecht“ wäre ja wohl eher lachhaft gewesen. Fast so lächerlich wie die "Damenprogramme" für "die Damen der Herren Politiker".
Die Frauenquote heißt Frauenquote und nicht Damenquote, weil es dabei um alle Frauen geht, genau wie beim Frauenstimmrecht und bei der Frauenbewegung. Es geht nicht um Frauen, die vornehmer sind als die anderen Frauen und deshalb „Damen“ genannt werden. Und es geht auch nicht um die Damen des Vorzimmers, denen mit dieser Bezeichnung herablassend ein Pseudostatus zugewiesen wird.
Des öfteren lese ich auch von Hundedamen, vorzugsweise von Dackeldamen. Hundeherren sind mir dagegen noch nie begegnet. Anscheinend bedarf nur die Hündin solcher Wortkosmetik. Während Herrchen sich durch einen Hundeherrn erniedrigt fühlen dürfte.
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6 Kommentare
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20.12.2012 um 04:32 Uhr cheap beats by dre for sale
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06.10.2012 um 17:36 Uhr Irene
Ich kenne eine Ärztin (Allgemeinmedizin und Naturheilkunde) und einen Facharzt, die beide auf Praxispersonal verzichten. Die Termine vereinbaren sie selbst, der Arzt hat dafür eine tägliche Telefonsprechzeit, die auch anderen Nachfragen dient. Und für die Abrechnung mit den Krankenkassen gibt es selbständige Dienstleisterinnen. Physiotherapeutinnen verdienen dermaßen schlecht, dass an Personal überhaupt nicht zu denken ist.
Die Radiologie scheint überall ähnlich zu laufen. In vielen radiologischen Schilddrüsenpraxen geben die “Empfangsdamen” sogar vorab am Telefon medizinische Empfehlungen nach Schema F (“setzen sie zwei Wochen vor der Untersuchung die Hormone ab”), damit alles wie am Fließband läuft, nicht auf die einzelne Patientin eingegangen werden muss und der Arzt wirklich nur noch am Ende der Prozedur gebraucht wird. Eigentlich wäre vorab ein Arzttermin sinnvoll, um solche Dinge zu besprechen.
26.09.2012 um 10:25 Uhr anne
ich erinnere mich noch an macho gerhard schröder, für den frauenthemen Gedöns waren - heute sind die themen endlich in der mitte der gesellschaft angekommen, denn ohne frauen ist kein staat zu machen. dazu - um gegen das vergessen anzugehen - ein interview mit ursula kosser über ihr buch “hammelsprünge” - darin erinnert sie an den alltäglichen sexismus in der bonner republik und zielt auf die gegenwart . sie fordert die frauenquote… zitiert:
“Der alltägliche Sexismus, den sie dort erlebte, ist Thema ihres neuen Buchs: „Hammelsprünge“. Für dieses Buch hat sie Menschen aus Politik und Medien, denen sie damals begegnet ist, um eigene Beiträge oder Interviews gebeten. Gerhard Schröder – der frühere Kanzler, für den Frauenthemen unter dem Stichwort „Gedöns“ liefen – und seine Frau Doris Schröder-Köpf haben absagen lassen; Joschka Fischer hat gar nicht erst geantwortet. Aber es haben sich unter anderen Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Rita Süssmuth, Claudia Roth, Norbert Blüm und Franz Müntefering beteiligt – an einem Buch, das in der Form leicht und locker daherkommt, dabei aber ein engagiertes Plädoyer für Gleichberechtigung ist.
Bonn war eine Männerwelt: Unter den Journalisten waren nur etwa zehn Prozent Frauen, unter den Abgeordneten etwa elf Prozent. Und wir stießen buchstäblich auf eine Wand. Die meisten Männer in Bonn, die Politiker wie die Kollegen, haben uns junge Journalistinnen nicht ernst genommen und außen vor gelassen.
Zum Beispiel, wenn es um die Hintergrundkreise ging, die in Bonn sehr wichtig waren. Man setzte sich mit Politikern zusammen und führte vertrauliche Gespräche: Sie konnten sich äußern, ohne dass gleich mitgeschrieben wurde und am nächsten Tag alles in der Zeitung zu lesen war. Solche Gespräche waren notwendig, um politische Entwicklungen einschätzen zu können, das gehörte wesentlich zu unserer Arbeit dazu. Aber die Männer haben uns nicht zugelassen.
Die sagten dann über uns: „Oh süß, guck mal, die stricken!“ Aber die meisten Frauen in Bonn waren sehr tough, und wir haben das durchgestanden. Es gab auch einen großen Zusammenhalt, der über alle Parteilichkeiten und Fraktionen hinwegging, auch unter den wenigen Politikerinnen. Wenn zum Beispiel Renate Schmidt von der SPD Ursula Männle von der CSU traf, sagte sie: „Soll ich mal wieder richtig gegen dich wettern, damit du dein Thema durchkriegst?“ Dann regten sich nämlich die CSU-Männer auf, und dann ging es leichter. Das waren nicht Frauen- gegen Männerbünde, aber es gab schon diesen Zusammenhalt unter uns Frauen.
http://www.buchjournal.de/526764/template/bjn_tpl_sachbuch/
25.09.2012 um 03:52 Uhr Alison
Leider gibt es in Oberösterreich keine Grüne Landtagspräsidentin mehr. Die unsägliche FPÖ hat die Grünen bei den letzten Wahlen überholt.
24.09.2012 um 14:38 Uhr Drecksfotze
Alles was ihr Lesbo-Fotzen Fotzen noch bekommt sind Schwänze im Arsch wenn die Sache sich mal dreht.
Überall auf der Welt brennt es und es riecht nach Krieg.
Und dann wird abrechnet..mit euch Drecksfotzen und ihr macht die Beine breit, ob ihr wollt oder nicht;)
23.09.2012 um 18:27 Uhr Amy
Ausgezeichnet liebe Luise F. Pusch! Und weil es um alle Frauen geht, wird die Quote diffamiert und mann spricht abfällig über Quotenfrauen. Aufgrund ihres Frauseins wird Frauen nichts zugetraut? Männer werden immer richtig eingeordnet? Dabei haben gerade sie tausendfach ihren Unverstand (Vetternwirtschaft, Lustreisen, Bordellbesuche, Machtmissbrauch) bewiesen, siehe Wirtschafts-, Bankenkrise, Kriegseinsätze usw. usw.
In der CDU tummeln sich die Quotenmänner , die wegen Regionalquoten , Konfessionsquoten oder Berufsquoten nach oben gekommen sind. Und kein Quotenmann hat sich je dafür geschämt….
http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/saarlaendische-ministerpraesidentin-kaempferin-fuer-die-frauenquote-11898819.html
Wie sieht es eigentlich beim “Damenprogramm” aus? Das Damenprogramm gilt nur für Frauen, die sich in Begleitung wichtiger Männer in Politik befinden? Karriere für die Männer, Schönes für die Damen habe ich kürzlich zu Damenprogramm gelesen. Darüber wird ordentlich gelästert. Minu-Barati Fischer mag keine Damenprogramme: “Mir liegt das Begleiten nicht und noch weniger das Damenprogramm.” Auch manche Medien unterscheiden Damen- vom Herrenprogramm: “Während ihre Männer Politik machen, gibt`s am Rande des Nato-Gipfels das traditionelle Damenprogramm..” Ganz selten dagegen lassen sich die Begleiter wichtiger Politikerinnen beim Damenprogramm sehen. Deswegen heisst es heute Partnerprogramm. Kein Ehe-Mann möchte als Dame in Erscheinung treten. Oder es wird über Männer in Begleitung gelästert, z.b. “Westerwelles Freund durchläuft Damenprogramm.” Männer sind ratlos über Europa - die Damen suchen nach dem passenden Dirndl.
Die Grüne Landtagspräsidentin Eisenriegler in Oberösterreich will das Spezial-Programm ersatzlos streichen mit der Begründung: Die Gattinnen dienten nur dem Aufputz, was einem Frauenbild längst vergangener Zeiten entspräche. Eisenriegler betonte, dass es bei einem Rollentausch, Sie staatstragend, Er Mitbringsel, ebenso seltsam wirken würde, würde Er ein Sightseeing-Programm absolvieren. Ja, schaffen wir das `traditionelle Damenprogramm` ab und machen selbst Porgramm.