Biographien Lola Montez Spuren von Lola Montez in der deutschen Literatur
Spuren von Lola Montez in der deutschen Literatur
König Ludwig an den König von Preußen
Stammverwandter Hohenzoller, Sei dem Wittelsbach kein Groller; Zürne nicht ob Lola Montez, Selber habend nie gekonnt es.
(Heinrich Heine: Werke und Briefe in zehn Bänden. Herausgegeben von Hans Kaufmann, 2. Auflage, Berlin und Weimar: Aufbau, 1972. Band 2, S. 346)
***
Der Alte klopfte die Pfeife aus und füllte sie wieder. »Ja, und das war zu Anfang Februar. Ein schöner, warmer Tag, nur etwas bewegt. Die Krämer hatten ihre Läden geschlossen und trieben sich mit den akademischen Bürgern in der Ludwigstraße herum. Die Biederkeit erging sich im Freien und wartete, ob nichts geschähe. Und es geschah auch was. Von der Universität herunter kamen die Alemannen. Sie wissen, das Leibkorps der Lola. Schlechte Kerle, ganz gewiß. Schon deshalb, weil sie in jungen Jahren auf Karriere spekulierten.
Aber warum beim Anblick dieser unreifen Pagen das Volk in Wut geriet, warum ehrwürdige Greise ihre Hausschlüssel aus den Taschen holten und so greulich darauf pfiffen, das kann man nicht so einfach erklären. Die Guten haben vorher und nachher den Anblick von schlimmeren Fürstenknechten ertragen. Damals aber schien es mir recht und billig. Ich schrie brav mein Pereat mit und drängte mich heran. Ein Graf Hirschberg von den Alemannen zog seinen Dolch, als man ihm zu nahe auf den Pelz rückte. Er wollte einmal spanisch kommen. Da erhob sich ein Geschrei unter den Manichäern, ohrenzerreißend! Sie führten Reden, in denen keine Liebe zum Hause Wittelsbach atmete. Die Hispanier rissen aus, und wir zogen weiter in den Hofgarten. Mit einem Mal erscheint mitten unter den brüllenden Hafnermeistern der Gegenstand der Volkswut. Lola Montez selber, in eigener Person.
Schneid hatte das Frauenzimmer und eine Verachtung gegen diese sittsamen Spießbürger, die mir später imponierte. Ich stand keine zehn Schritte von ihr entfernt und sah die blitzenden Augen. Links und rechts von mir bückte sich die bürgerliche Ehrbarkeit bis auf den Boden. Diesmal nicht aus Ehrfurcht, sondern um Steine und Kot aufzuraffen. Neben mir steht ein behäbiger Herr und nimmt sich eine Handvoll. Er zieht kräftig aus, damit sein Wurf ausgiebig sei, aber er warf nicht. Jemand schlug ihm den Kot aus der Hand mit den Worten: ›Pfui Teufel! Gegen ein Frauenzimmer! Ihr schämt Euch nicht?‹ Meine Hafnermeister das hören und auf den Jemand losfahren, war eines. ›Auch so ein Lolaner! Nieder mit dem Kerl!‹ Aber sie merkten schnell, daß ein tölzer Bauernbub' sich besser wehren kann wie ein Frauenzimmer.
Es ist ihm nichts geschehen, dem Maurus Held, und die Geschichte hat keine Steigerung gegen den Schluß. Aber sie zeigt, daß Ihr Freund seine brave Meinung gegen die vielen behauptet hat. Und die Eigenschaft ist ihm geblieben.«
(Ludwig Thoma: Andreas Vöst. In: Gesammelte Werke in sechs Bänden. Erweiterte Neuausgabe. Textredaktion: Albrecht Knaus, München: Piper, 1968. Band 5, S. 146 ff.)
***
Im Herbste 1846 war die schöne und berüchtigte Tänzerin Lola Montez nach München gekommen. Halb Spanierin, halb Engländerin, glänzte sie weniger durch ihre Tanzkunst, als durch ihre Schönheit, ihren Geist, ihre Koketterie, wie auch durch ihr unverschämtes Auftreten, indem sie sich nichts daraus machte, mit der Reitpeitsche, die sie beständig bei sich trug, ohne Weiteres drein zu schlagen, wenn sie sich ärgerte. Geistvoll, originell und Protestantin, wußte sie den alternden König Ludwig dergestalt zu umgarnen, daß er nichts mehr sah und hörte, als sie, und alle seine himmlischen Heiligen über der irdischen Göttin vergaß. Er richtete glühende Gedichte »an Lolita«, in denen er erklärte, daß er nun zuerst wisse, was Liebe sei, während sie sich in seiner Gegenwart über Alles lustig machte, was er bis dahin beschützt hatte, über die Schwarzröcke, die Pfaffen und die Bigotterie. –
Je mehr der König sie verehrte und ihr nachgab, um so mehr wurde sie folglich von dem Klerus gehaßt, nachdem derselbe sich überzeugt hatte, daß die Tänzerin, der er anfänglich auch gehuldigt, um sie als Werkzeug zu gebrauchen, ihm die Herrschaft über den König zu entreißen drohe. »Er ist behext« so schwatzten die gläubigen Altbaiern ihren Beichtvätern nach, das Kreuz dabei schlagend, und er war es auch in der That aus trunkner Leidenschaft. Ganz so leichtsinnig, als Lola erschien, war sie indessen doch nicht; sobald sie inne wurde, wie groß ihre Gewalt über den Fürsten sei, faßte sie den klaren Plan und Vorsatz, ihn aus den Händen der Ultramontanen zu befreien, die sie gleichfalls bitter haßte, und mit Entsetzen sahen Jene den Fürsten mehr und mehr ihren Händen entschlüpfen. Schon begann König Ludwig gefährliche Neuerungen damit, daß er ein eigenes Ministerium für den Unterricht schuf und den Protestanten Vergünstigungen gestattete, die sie bis dahin nicht besessen. Lola wellte aber auch die Früchte ihrer Anstrengungen genießen, und der König, der nicht mehr ohne sie leben konnte, gab ihrem Drängen nach, und beschloß, sie zur Gräfin Landsfeldt zu erheben, um ihr dergestalt den Zutritt zum Hofe zu bahnen. –
Die liberal Gesinnten wendeten sich schon lange widerwillig von dem ganzen Scandal ab, nun gerieth aber auch der ganze Adel, namentlich der weibliche Theil desselben, in die höchste Aufregung bei dem Gedanken an die Möglichkeit, die berüchtigte Tänzerin in seine Reihen aufnehmen zu müssen. Der König aber besaß das Recht der Indigenatsverleihung, und er bestand darauf, es trotz allen Widerspruches, Lola Montez zu geben. Da lehnten der Staatsrath wie die Minister es ab, das Document zu contrasigniren; sie Alle reichten, Abel an der Spitze, ihre Entlassung ein, fest überzeugt, damit den König zur Umkehr zu zwingen. Es wurde gleichzeitig ein Warnungsbrief bekannt, den der Fürstbischof von Breslau, ein wahrhaftiger Freund des Königs, an Jenen gerichtet hatte. König Ludwig aber war von seiner Leidenschaft zu sehr beherrscht, um noch vernünftigen Vorstellungen Gehör zu geben, und im Grunde genommen ward ihm eigentlich ganz wohl dabei, als er sich wieder einmal freier konnte gehen lassen, ohne das Gängelband seiner Beichtväter. Er ließ die Minister ihren Abschied nehmen, fand einen abtrünnigen Staatsrath, einen Herrn von Maurer, der nur fünf Tage brauchte, um seine vorherige Meinung zu ändern, und der jetzt nach seinem Wunsch das Indigenatsdecret gegenzeichnete. Ludwig hatte die Freude, bei seiner Freundin, ihr Adelspatent in der Hand, mit den Worten eintreten zu können: »Alle meine Minister habe ich fortgejagt, das Pfaffenregiment hat aufgehört in Baiern; ich habe es meinem Bruder, dem Prinzen Karl gesagt, – ich habe es meinem Sohne dem Kronprinzen geschrieben!« So hatte die Tänzerin gesiegt; die katholischen Studenten, aufgereizt durch ihre Professoren, warfen zwar der neuen Gräfin und auch im königlichen Schlosse die Fenster ein, wofür das neue Ministerium, welches Herr Maurer gebildet, neun ultramontane Professoren, unter ihnen die bekannten Lassaulx, Sepp und Döllinger, suspendirte.
Im Lande äußerte sich überall helle Freude über den Sturz der Bigotterie; »Lola hat Loyola besiegt«, so äußerte sich der Volkswitz und man hoffte mit Zuversicht auf bessere Zeiten in Bayern. Hatten der Adel und die Kirche sich doch dann erst gegen den König gewendet, als ihnen persönlich zu nahe getreten wurde; man gönnte ihnen die Niederlage, trotzdem man sie der »maurischen Gräfin«, wie man sie jetzt nach Herrn v. Maurer nannte, verdankte. Doch war der Friede nicht von langer Dauer; die neugebackene Gräfin verlangte jetzt auch bei Hofe eingeführt zu werden, was die Minister gegenüber der Königin und der königlichen Familie durchzusetzen verweigerten, dagegen ließen sie es gehen, daß der König ohne ihre Zustimmung, nach Wunsch seiner schönen Freundin, Staatsämter vergab. Von Lola gehaßt und gleichzeitig durch eine liberale Kammer bedrängt, denn man hatte jetzt Muth und Entschluß auch in Bayern gewonnen, wurde das schwache Ministerium zu Ende des Jahres 1847 vom Könige wieder entlassen und das sogenannte »Lola-Ministerium« gebildet, an dessen Spitze Fürst Ludwig von Wallerstein stand. Als derselbe diese Rolle übernahm, geschah es mit der Absicht, die veränderten Verhältnisse zu benutzen, um einen Sieg der neuen Ideen, an deren baldiger Verwirklichung er nicht zweifelte, in Bayern herbeizuführen, nicht um sich zum Sklaven der Gräfin Landsfeld zu machen; dies that ein Anderer, ein Herr von Berks, der gleichfalls in das Ministerium eintrat. So, unter dem Deckmantel die Gräfin zu halten, verfolgten der Fürst und einige Gleichgesinnte ihre liberalen Pläne; wenn sie den König dafür gewannen, ihn vollständig den Händen der Ultramontanen entrissen, dann mochte man demselben auch seine Leidenschaft für Lola verzeihen. Sie war jetzt Herrin der Situation, aber nicht für lange, denn die Iden des Märzen von 1848 rückten heran.
[…]
Daß in den kleineren Staaten die Revolutionen nun auch einander Schlag um Schlag folgten, daß sie wie reife Birnen vom Baume fielen, konnte nicht fehlen; man stand des Morgens mit einer Revolution auf und legte sich mit einer Andern nieder, und nur Thoren, so meinte man, konnten noch zweifeln, daß nun Deutschland vollständig und für immer den Absolutismus und den Particularismus besiegt habe. Am entscheidensten mußten natürlich die Umwälzungen in den drei größten deutschen Staaten werden, in Bayern, Preußen und Oestreich. –
Trotz der schönen Erfolge war Alles verloren, wenn es dort ruhig blieb; aber von dem ersteren Staate hatte man dies nicht zu fürchten, denn schon im Februar waren ja dort, in Folge des Lolaregimentes, neue Unruhen ausgebrochen. –
Seit einem Jahre nun beherrschte die schöne Gräfin Landsfeldt den König und mit ihm das ganze Land, ihr Haus war der Sammelplatz junger Männer, meist Studenten, welche eine neue Verbindung, die Alemannia gegründet hatten, und sich für volks- und freisinnig, wie auch jesuitenfeindlich ausgaben. Sie durchschwärmten und durchtranken die Nächte mit der schönen und originellen Dame, die sich nebenbei ganz ernstlich in die Regierungsgeschäfte einmischte, Bittschriften, Anstellungsgesuche und dergleichen entgegennahm, und nach Lust und Laune Gnaden und Aemter austheilte. Daraufhin erklärten die übrigen Studenten die Alemannia, Lola's Garde, in Verruf, wofür sich die Regierung durch Bedrückung der übrigen Corps rächte und es ihnen verbot am Grabe des alten Görres, der den Tag von Deutschlands Wiedergeburt nicht mehr erleben sollte, sondern am 29. Januar 1848 gestorben war, zu singen. –
Darüber entrüstet kam es nun auf offener Straße zu Reibereien und Thätlichkeiten zwischen den verschiedenen Studirenden, die endlich einen Volksauflauf nach sich zogen. Die Gräfin mischte sich in den Tumult und verließ, mit einer Pistole bewaffnet, ihren Wagen, der sie in die Mitte der Streitenden gebracht hatte, aber kaum wurde sie von der Menge erkannt, als sie sich schon umringt und verfolgt sah; die Pistole, mit der sie dagegen drohte, konnte ihr nicht viel nützen und mit knapper Noth flüchtete sie sich in eine nahe Kirche. Nur durch eine starke Gensd'armeriemacht konnte sie von da nach der Residenz, dem Königsschlosse, gebracht werden, während ihr Haus, welches man niederzureißen Anstalt machte, umstellt wurde.
Erzürnt über diese Dinge und von seiner schönen Freundin aufgereizt, ergriff der König die verhängnißvolle Maßregel, die Universität – man befand sich erst im Februar – bis zum October zu schließen. Alles gerieth außer sich darüber, die Bürgerschaft sah sich ihres Broderwerbs beraubt, die Studenten waren in höchster Aufregung, aber jede verständige Bemühung den Sinn des Königs zu brechen, blieb vergeblich und als nun die Studenten sich in einem großen Zuge vor das Haus des Fürsten Wallerstein begaben, um, er war Vorstand des Unterrichtswesens und hatte sich in den letzten Tagen gütig und liberal gegen die jungen Leute gezeigt, Abschied von ihm zu nehmen – wurden sie ohne Weiteres durch die Gensd'armen auseinander gesprengt.
Nun beschloß der Stadrath noch einmal dem König persönlich Vorstellungen zu machen; sie verlangten die Wiederherstellung der Universität und – dies bildete freilich den Schwerpunkt ihres Verlangens – die Ausweisung der Gräfin Landsfeldt. Hinter ihnen standen der Adel und das Militär, welche Letzteren Lola Montez gleichfalls bitter haßten. Der König war in Verzweiflung; er wollte es lieber auf's Aeußerste ankommen lassen, als sich von seiner Freundin trennen, aber bald mußte er sich überzeugen, daß er im Falle eines Kampfes sich auf die Truppen nicht verlassen konnte. Als ihnen Lola, während sie in den Straßen aufgestellt waren, Erfrischungen herunter sandte, schlugen sie dieselben aus, und nahmen nur das an, was ihnen von den Bürgern gebracht wurde. Schon fing man an Barrikaden zu bauen, Sturm zu läuten; und die Kunde kam, daß in Augsburg sich die Bürger bereit machten, nach München zu ziehen, um den dortigen Bürgern zu helfen – da endlich gab König Ludwig nach.
Aber Lola war so leicht nicht zu überwinden; sie machte, ehe sie ihre Sache aufgab, erst noch einen Versuch in das Schloß zu dringen, doch die Thore desselben waren fest geschlossen, und unter dem Wuthgeheul der Menge, verfolgt von Steinwürfen und Schimpfreden entkam sie mit knapper Noth, nur durch die Geschicklichkeit ihres Kutschers noch glücklich aus der Stadt. Der König suchte zu scherzen, er sagte: »Hätte sie nicht Lola Montez, sondern Loyola Montez geheißen, sie wäre noch ruhig in München«, aber im Herzen war er tief betrübt und verletzt.
In solcher Stimmung trafen ihn dann die Märztage, die von dem ohnehin noch tief erregten Volke um so stürmischer in Scene gesetzt wurden. Dem verhaßten Minister Berks, einer Creatur der Lola, wurden alle Fenster eingeschlagen, und als der König den uns schon bekannten Forderungen widerstand, und Fürst Wrede – jetzt bedurfte man ja des Volkes nicht mehr gegen die Lola – sich ernstlich anschickte, bewaffneten Widerstand zu leisten, wurde das Zeughaus gestürmt, die Münchner bewaffneten sich und zum zweiten Male sah Bayerns König sich genöthigt, sich der Volkssouveränetät zu beugen, wenn er es nicht bis zum Aeußersten wollte kommen lassen. Er fügte sich, aber während ihn jetzt anstatt der Drohungen lauter Jubel umbrauste, das Militär den Eid auf die Verfassung leistete, und sein ganzes Land in Wonne schwamm, zehrte ihm der Gram am Herzen.
Am 20. März drang plötzlich die Nachricht in das Publikum, König Ludwig I. habe zu Gunsten seines Sohnes Max II., abgedankt. Niemand wollte daran glauben und doch war es wirklich so. Der König ließ öffentlich erklären, er habe seit dreiundzwanzig Jahren nach Grundsätzen regiert, die er für die richtigen gehalten; nun sei er gezwungen worden, Versprechungen zu machen, die er nicht zu halten im Stande sein werde, er sehe sich darum genöthigt, seine Krone niederzulegen.
Dies war ehrlich gesprochen und jedenfalls, mögen auch die Beweggründe gewesen sein, welche sie wollen, hat Ludwig von allen deutschen Fürsten am meisten seine Ehre gewahrt, indem er sich nicht in den Fall brachte, das wieder verläugnen zu müssen, was er in der Stunde der Gefahr zugesagt und beschworen hatte. Er konnte nun wieder frei der Kunst wie der Poesie leben, und die Bayern betrauerten ihn aufrichtig, trotz der großen Mängel und Schwächen seiner Regierung.
(Luise Büchner: Deutsche Geschichte von 1815 bis 1870. Zwanzig Vorträge, gehalten in dem Alice-Lyceum zu Darmstadt, Leipzig: Theodor Thomas, 1875. 13. Vorlesung. S. 333 ff.; 14. Vorlesung, S. 363 ff.)
***
Lola Montez
Geht nicht zurück bis auf des Ursprungs Born, Wenn Wahres obsiegt und wenn Rechtes wird, Es ist des Menschen Geist ein Samenkorn, Das selbst erzeugt, doch selber nicht gebiert.
Und Erde andrerseits ein schmutzig Ding, Gemein an sich und besser nicht als Kot, Das manchem schon sich an die Sohlen hing, Achtlos und taub für Mahnung und Gebot.
Doch legst das Samenkorn du in den Grund, Eint sich in beiden, was nach Leben sucht, Und aus der Erde aufgeschloßnem Mund Hebt sich der Keim, der Blüten trägt und Frucht.
So eint sich unserm Geist die Leidenschaft, Die ihn beirrt, zum Schlimmen oft erregt, Doch liegt in ihr auch unsers Guten Kraft, Dem Blinden gleicht sie, der den Lahmen trägt.
Denn harrtest du, bis aus Vernunft und Recht Entstünde, was das Recht und die Vernunft gebot, Schlimm wärs bestellt ums menschliche Geschlecht, Der Trieb erzeugt die Handlung, die uns not.
Drum kehrt euch nicht verachtend von dem Weib, In deren Arm ein König ward zum Mann, Sie gab dem besseren Gedanken Leib, Verlor sich selbst, allein die Welt gewann.
(Franz Grillparzer: Sämtliche Werke. Ausgewählte Briefe, Gespräche, Berichte, Bd. 1: Gedichte - Epigramme - Dramen I, hg. von Peter Frank und Karl Pörnbacher, München (Hanser) 1960. S. 310 f.)
***
Lola Montez
Was trennte denn die Eintracht ganz Von sonst so gleichen Interessen? Die uralt heilge Allianz Von Pfaffen und Mätressen.
(Franz Grillparzer: Sämtliche Werke. Ausgewählte Briefe, Gespräche, Berichte, Bd. 1: Gedichte - Epigramme - Dramen I, hg. von Peter Frank und Karl Pörnbacher, München (Hanser) 1960. S. 489)
***
Ich erinnere mich noch des Aufsehens, welches die berüchtigte Lola Montez während ihres damaligen kurzen Aufenthaltes in Berlin erregte. Von einer englischen Dogge begleitet, promenierte die stolze Spanierin mit einer brennenden Zigarette im Munde und einer Reitgerte in der Hand Unter den Linden einher. Dem Gendarm, der sie zur Rede stellte, hieb sie einfach mit der Gerte über das bärtige Gesicht. Sie wurde verhaftet und sofort aus Berlin verwiesen. Ihre Thaten und ihr Leben haben ihr bekanntlich in der Folge einen bösen Leumund verschafft. Als ich als General-Kommissar der aegyptischen Regierung in Amerika weilte, kam die Nachricht von ihrem Tode zu meinen Ohren. Sie war in bitterstem Elend in einem Dorfe, das in der Nähe von Philadelphia liegt, aus dem Leben geschieden.
(Heinrich Ferdinand Karl Brugsch: Mein Leben und mein Wandern. Zweite Auflage, Berlin: Allgemeiner Verein für deutsche Literatur, 1894. S. 15 ff.)
***
Lola Montez
Wie ich der Biographie aus der Feder von Sepp: »Ludwig Augustus, König von Bayern«, Schaffhausen 1859, entnehme, warnt der heilige Hieronymus, der gelehrteste lateinische Kirchenvater, vor überschwenglicher Liebe zur Schönheit, sie mache den Menschen einseitig und verdreht, möge er noch so hoch geadelt sein. Aristoteles und Seneca hätten sich im gleichen Sinne ausgesprochen. – Die Ereignisse der letzten Regierungsjahre des Königs Ludwig I. zeugen für das richtige Urteil des weisen Hieronymus.
Seit 1837 hatte der König in seinem Günstling Abel, einem politischen Renegaten, einen Minister ganz nach seinem Sinne gefunden. Zehn Jahre lang, bis 1847, bekämpfte Abel, als der entschiedenste Feind der Verfassung, den Bayerischen Landtag und Reichsrat und erwies sich zugleich als ein willfähriges Werkzeug der Ultramontanen. Da geschah, kurz bevor wir die Fahrt nach München antraten, unerwartet Unglaubliches. Der König entließ am 16. Februar 1847 seinen Günstling und ernannte ein liberales Ministerium.
Die Welt vernahm das Ereignis mit Staunen. Wie war das Unmögliche möglich geworden? Was hatte den König plötzlich so gänzlich umgewandelt? Das alles hatte, es war die reine Wahrheit, eine Bajadere mit ihrem Tanzen getan, und der Name Lola Montez, bisher in weniger Leute Munde, erlangte mit einemmal historische Berühmtheit.
In der Tat, die junge Schöne hatte das Herz des alternden Königs in Flammen gesetzt und schwang mit tollem Übermut ihr Pantöffelchen über dem gesalbten Haupte. Wenn sie winkte, so flogen die Minister aus ihren Ämtern und die Professoren von ihren Lehrstühlen. Mit der Reitpeitsche wies sie der hohen Polizei die Tür; den Studenten, die ihr ein Pereat vor dem Hause brachten, trank sie lachend Champagner zu und bewarf die zugeströmte drohende Menge mit Bonbons. Vor den Augen Europas spielte sich eine Staatsaktion ersten Ranges ab, wie eine lustige Operette.
Lola Montez – unter diesem Namen hatte die Tänzerin sich eingeführt – war geboren zu Montrose in Schottland, die Tochter eines englischen Offiziers Gilbert und einer Kreolin Oliverras. Mit 15 Jahren war sie in Bath aus der Pension entlaufen, hatte sich mit einem jungen Kapitän James verheiratet und mit ihm nach Kalkutta eingeschifft. In den Offizierskreisen der ostindischen Kompanie herrschte ein ausgelassenes Leben, in dieser Schule wurde sie zur Kurtisane. Sie verließ ihren Mann, kehrte nach Europa zurück, vertauschte in Spanien, wo sie längere Zeit verweilte, ihren englischen Namen, wurde Tänzerin und ging aus einer Hand in die andere. In Paris erregte sie Aufsehen, und ein Journalist, Dujarrier, wurde ihrethalben im Duell erschossen. Von Paris aus besuchte sie die Bühnen der meisten Hauptstädte Europas, zuletzt, nach einer Kur bei Chelius in Heidelberg und einer Nachkur in Baden-Baden, reiste sie nach München, wo sie anfangs Oktober 1846 ihre erste Gastrolle gab und den König alsbald in Fesseln schlug. Wenn ich Sepp, der die meisten dieser Angaben gesammelt hat, richtig verstehe, so liebte der König das schöne Menschenbild nicht anders, als wie er die schönen Marmorbilder seiner Alten Pinakothek anbetend verehrte.
Der dringlichen Einreden Abels ungeachtet, verlieh der starrsinnige König der Tänzerin den Titel einer Gräfin von Landsberg und das bayerische Heimatrecht. Der Minister mußte gehen, und Lola stieg von den Brettern, die nur die Welt bedeuten, auf die wirkliche Weltbühne. Ein Hexensabbat ging in der bayerischen Hauptstadt los. Bisher hatten sich die Münchner nur beim Bierwalzer gedreht, jetzt schwenkten sie sich rasch im Tempo des Bolero und Fandango. Wenn die Tänzerin mit den Kastagnetten klapperte, hüpfte jung und alt. Auch den Pöbel erfaßte der Taumel, und der Thron begann in den Fugen zu knarren. Nur die Geistlichkeit hielt sich fest auf den Beinen und wartete die rechte Zeit ab, um den Zauber zu bannen.
Wie man sich denken kann, war unsere Neugierde, die schöne Circe zu sehen, groß. Zweimal war die Gelegenheit mir günstig, ihr Bild, und zweimal, sie selbst zu betrachten.
Maler Sudler hatte uns in Kaulbachs Atelier geführt. Der berühmte Künstler hatte Lola auf des Königs Geheiß gemalt, ihr aber einen widrigen Ausdruck gegeben. Der König war darüber entrüstet und verschwieg sein Mißfallen nicht: »Kaulbach, Sie haben eine Giftmischerin gemalt und nicht die Gräfin Landsberg!« – Es ließ sich nicht leugnen, das Bild Kaulbachs schmeichelte ihr nicht.
Dagegen war das Porträt gelungen, das Stieler gemalt hatte; es hing unter den Frauenbildern der Schönheitsgalerie im Festsaalbau der Residenz, der Betrachtung des Publikums zugänglich. Hier nahm ich es mit Freund Bronner in Augenschein. Wir eilten hinter dem Lakaien, der mit der ganzen Würde eines königlichen Bedienten dem Schwarme der Besucher vorausging, in raschem Trabe durch die Säle. Plötzlich stockte der Zug in der Galerie und drängte sich auf einen Knäuel zusammen. Der Führer verweilte, bis sich alle um ihn gesammelt, deutete auf eins der Bilder und rief mit sonorer Stimme respektvoll: »Señora Dolores Montez, Gräfin zu Landsberg.« Niemand wollte sich von dem Bilde trennen, aber der Führer schritt weiter, der Zug setzte sich wieder in Bewegung, immerhin war es uns beiden gelungen, das Porträt genügend zu betrachten. Señora Montez erschien uns wirklich würdig, unter diesen ausgewählten Schönen als eine der reizendsten zu prangen.
In Person sahen wir den Gegenstand der allgemeinen Neugierde zuerst im Hoftheater. Der König, die Herzogin von Leuchtenberg, die Kaiserin-Witwe von Brasilien und ihre Tochter beehrten die Vorstellung mit ihrer Gegenwart, die Taglioni tanzte. Lola saß in einer Loge ersten Ranges, an die Brüstung gelehnt, gut sichtbar. Der König und sie klatschten den meisten Beifall. – Am folgenden Tage sah ich sie ganz in der Nähe von Angesicht zu Angesicht. Der Weg führte mich durch die Barer Straße an dem Hause vorüber, das ihr der König geschenkt hatte. Sie saß am Fenster zu ebener Erde, den Blick aufwärts gerichtet. Ich erkannte sie, blieb stehen und prüfte ihre Züge aufmerksam. Sie glich genau dem Bilde in der Schönheitsgalerie, war wirklich reizend, hatte schwarze Haare und tiefblaue Augen. Plötzlich bemerkte sie mich, lachte und verließ das Fenster.
Wer weiß heute noch viel von Dolores Montez? – »Wenn die Dolores vorbei sind, hören die Schmerzen auf«, witzelten die Münchner Fliegenden Blätter, nachdem ein allerhöchster Befehl die Gräfin Landsberg am 11. Februar 1848 gezwungen hatte, binnen einer Stunde abzureisen und das Land zu verlassen. Der Hexentanz war zu Ende; ein Aufruhr, geschürt und ausgenützt von den Ultramontanen, hatte den König genötigt, sie preiszugeben. »Hieße sie Loyola Montez«, grollte er, »so wäre alles stillgeblieben.« Am 20. Februar legte er im 61. Jahre seines tätigen Lebens, des Regierens müde, das Zepter nieder mit dem Geständnis: »eine neue, ihm fremde Zeitrechnung habe begonnen«. Sein edler Sohn, Maximilian II., ergriff es mit der Versicherung: »dieser Zeit Gebote zu verstehen und auch zu vollbringen«, und hielt Wort.
Die Ausgewiesene spielte sich auf als Befreierin Bayerns aus den Banden der Ultramontanen. Sie hielt Vorträge in der Alten und Neuen Welt, schriftstellerte über die Kunst, die Schönheit zu erhalten, verheiratete sich noch mehrmals, wurde schwindsüchtig, gelähmt, bußfertig und starb im Elend zu Greenwood bei Neuyork.
(Adolf Kussmaul: Jugenderinnerungen eines alten Arztes. 19. Auflage, München: J. F. Lehmann, 1960. S. 199 ff.)
Sollten Sie RechteinhaberIn eines Bildes und mit der Verwendung auf dieser Seite nicht einverstanden sein, setzen Sie sich bitte mit Fembio in Verbindung.