(Margot Feist [Geburtsname])
geboren am 17. April 1927 in Halle/Saale
gestorben am 6. Mai 2016 in Santiago de Chile
deutsche Politikerin, zweite Frau von Erich Honecker
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
“Miss Bildung” wurde sie genannt (eine Anspielung darauf, daß die Ministerin für Volksbildung der DDR selber nur die Volksschule besucht hatte) oder “Lila Drachen” (sie verwendete eine bläuliche Haarspülung) oder einfach “Margot” – alle wußten, wer damit gemeint war. Die wohl bekannteste Frau der DDR war auch eine der gefürchtetsten und verhaßtesten.
Viel wurde und wird darüber spekuliert, wie groß ihr Einfluß auf ihren Mann, den Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker, tatsächlich gewesen sein mag. Ja, manch einer verstieg sich zu der Behauptung, Honecker sei überhaupt nur eine Marionette seiner zweiten Frau gewesen.
Fest steht, daß sich Margot Honecker durch ihre zielstrebige und kompromißlose Art einen festen Platz im Staatsgefüge der DDR erarbeitet hatte und für Verschärfungen des politischen Drucks an den Bildungseinrichtungen maßgeblich verantwortlich zeichnete. Dazu gehörten z. B. die politische Beeinflussung der Kinder schon im Vorschulalter sowie die Einführung des Wehrkundeunterrichts an den Schulen und Hochschulen.
Geboren wurde Margot Feist am 17. April 1927 in Halle (Saale) als Tochter eines Schuhmachers und einer Matratzenfabrikarbeiterin. Sie wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Nach dem Besuch der Volksschule machte sie eine Lehre als kaufmännische Angestellte und war danach als Telefonistin tätig.
1945 trat Margot Feist der KPD bei, durch die Vereinigung von KPD und SPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands wurde sie 1946 Mitglied der SED. Sie arbeitete als Stenotypistin beim FDGB-Landesvorstand Sachsen-Anhalt und wurde Mitbegründerin des Antifaschistischen Jugendausschusses Halle. Ihr Aufstieg ging zügig voran: 1946 Mitglied des Sekretariats des FDJ-Kreisvorstandes Halle, 1947 Leiterin der Abteilung Kultur und Erziehung im FDJ-Landesvorstand, 1948 Sekretärin des Zentralrates der FDJ und Vorsitzende der Pionierorganisation “Ernst Thälmann”, 1949/50 Abgeordnete der provisorischen Volkskammer, 1950 mit 22 Jahren jüngste Abgeordnete der Volkskammer (höchstes staatliches Machtorgan der DDR); 1950 Kandidatin des ZK der SED, bis 1954 Abgeordnete.
Bereits während ihrer politischen Arbeit in Halle lernte sie Erich Honecker kennen. Er war damals Vorsitzender der Jugendorganisation FDJ, verheiratet (Edith geb. Baumann) und Vater einer Tochter (Erika). Als Margot als Vorsitzende der Pionierorganisation nach Berlin ging, kamen sich die beiden näher, und im Dezember 1952 wurde ihre Tochter Sonja geboren. Nach Honeckers Scheidung von seiner ersten Frau heirateten sie 1953.
Da die noch während Honeckers erster Ehe begonnene Liebesbeziehung nicht der Idealvorstellung vom sozialistischen Menschen entsprach, mußten beide nacheinander für jeweils ein Jahr nach Moskau: Margot besuchte 1953/54 die Hochschule des Komsomol in Moskau. Zu Beginn dieses Auslandsaufenthalts war ihre Tochter, die sie in Berlin zurücklassen mußte, gerade 8 Monate alt.
Nach Margot Honeckers Rückkehr in die DDR ging ihre Karriere weiter steil bergauf: von 1955 bis 1958 leitete sie eine Abteilung in der Hauptabteilung Lehrerbildung im Volksbildungsministerium, 1958 wurde sie stellvertretende Ministerin für Volksbildung, 1963 Mitglied des ZK der SED und Ministerin für Volksbildung. Von 1967 bis März 1990 war sie erneut Abgeordnete der Volkskammer.
Ende der 1970er Jahre wurde auf Anordnung Margot Honeckers der Wehrkundeunterricht (“Zivilverteidigung”) an den Schulen eingeführt – unter starken Protesten besonders von kirchlicher Seite. Repressionen gegen Schüler, die sich gegen diesen Unterricht äußerten, waren an der Tagesordnung.
Bei der Freigiebigkeit der DDR mit Auszeichnungen ist es nicht verwunderlich, daß auch die mächtigste Frau im Lande reichlich bedacht wurde: vom Vaterländischen Verdienstorden in Gold über den Karl-Marx-Orden bis zur Ehrendoktorwürde reicht die Liste.
Mit der gesellschaftlichen Wende in der DDR 1989 ging Margot Honeckers Laufbahn zu Ende: am 2. November 1989 meldete das DDR-Fernsehen, der Ministerrat habe ihrer Bitte entsprochen, sie von ihrer Funktion als Ministerin für Volksbildung zu entbinden. Am 4. Februar 1990 trat sie aus der PDS, der Nachfolgeorganisation der SED, aus.
Mit dem Umbruch begann eine besonders von der Boulevard-Presse geschürte Hetzjagd auf Erich und Margot Honecker: aus ihrem Wohnort Wandlitz vertrieben, von Reportern verfolgt und anonymen Bedrohungen ausgesetzt, fanden sie ausgerechnet bei der (von ihnen zu DDR-Zeiten bekämpften) Kirche Asyl. Später hielten sie sich im sowjetischen Militärhospital in Beelitz auf und flüchteten am 11. Dezember 1991 in die chilenische Botschaft nach Moskau. Während Erich Honecker vom russischen Regierungschef Jelzin am 29. Juli 1992 den deutschen Behörden ausgeliefert wurde, konnte Margot zu ihrer in Chile lebenden Tochter ausreisen.
Erich Honecker wurde in der BRD der Prozeß gemacht, doch der 80-jährige war schwer an Krebs erkrankt und wurde nach längerer Untersuchungshaft für verhandlungsunfähig erklärt. Am 11. Januar 1993 reiste er zu Frau und Tochter nach Santiago de Chile, wo er im Mai 1994 verstarb.
Meist waren es Berichte über Gerichtsprozesse, in denen Margot Honecker in den Jahren nach der Wende auftauchte: ein Prozeß um Zwangsadoptionen, in die sie verstrickt gewesen sein soll (Klage wurde abgewiesen) sowie ein Prozeß, in dem sie um die Herausgabe ihres beschlagnahmten Vermögens klagte – diesen hat sie in letzter Instanz am 14. Juni 1999 verloren. Dabei ging es um rund 235.000 DDR-Mark (heute etwa 60.000 Euro).
Im Jahre 2000 gab es noch einmal Trubel um Margot Honecker. Luis Corvalán, früher Generalsekretär der KP Chiles, veröffentlichte ein Buch “Das andere Deutschland – die DDR. Gespräche mit Margot Honecker”, in dem sie ihre Sicht zu Aufbau und Untergang der DDR darlegte. Die Reaktionen waren heftig, und die Gelegenheit, die Gerüchteküche anzuheizen, wurde eifrig genutzt. Einige Punkte scheinen jedoch unstrittig: Margot Honecker lebt in Santiago de Chile recht zurückgezogen und weist alle Kontaktaufnahmeversuche seitens der Journalisten zurück. Und über ihre Aussagen in Corvaláns Buch kann man im Wesentlichen eins sagen: Frau Honecker, einst mächtigste Frau im “real existierenden Sozialismus” der DDR, ist sich treu geblieben.
Nachtrag (Freie Presse, Montag, 21.07.2008)
Quelle © Miguel Alvarez/AFP
Nicaragua: Orden für Margot Honecker
Managua. Die Witwe des früheren DDR-Staats- und Parteichefs Erich Honecker, Margot Honecker, ist vom nicaraguanischen Präsidenten Daniel Ortega mit einem Orden geehrt worden. Bei der Feier des 29. Jahrestages der sandinistischen Revolution in Nicaragua überreichte Ortega der 81-Jährigen am Samstag den Orden für kulturelle Unabhängigkeit. Damit werde Honeckers Unterstützung der Kampagne gegen Analphabetismus gewürdigt, sagte Nicaraguas First Lady, Rosario Murillo. Die Ordensverleihung war Honeckers erster öffentlicher Auftritt, seit sie 1993 nach Chile geflüchtet war. Honecker nahm den Orden mit einem Lächeln entgegen und umarmte den Staatschef, ergriff aber nicht öffentlich das Wort. (afp)
Nachtrag am 6. Mai 2016
Chilenische Medien geben den Tod Margot Honeckers bekannt. Zuletzt lebte sie zurückgezogen in La Reina, einem Vorort von Santiago de Chile, in einem Haus gemeinsam mit ihrem Enkelsohn, wo sie infolge einer Krebserkrankung verstorben sei, berichtet der »Focus« (Onlineausgabe vom Freitag, 06.05.2016, 22:34).
Abkürzungen
- FDGB - Freier Deutscher Gewerkschaftsbund, umfaßt die Industriegewerkschaften und Gewerkschaften der DDR
- FDJ - Freie Deutsche Jugend, politische Massenorganisation für Jugendliche in der DDR
- KPD - Kommunistische Partei Deutschlands
- SED - Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, aus Zwangsvereinigung von KPD und SPD hervorgegangen
- SPD - Sozialdemokratische Partei Deutschlands
- ZK - Zentralkomitee, höchstes Organ der SED
Verfasserin: Almut Nitzsche
Zitate
Wir haben nie ein Geheimnis daraus gemacht, daß unser Schulsystem zum Sozialismus erzog. Nie haben wir bestritten, daß wir die Jugend dafür sensibilisieren wollten, Partei für die Unterdrückten dieser Welt und für den Fortschritt zu ergreifen. Wir haben ihnen Werte mitgegeben wie Gerechtigkeit, Solidarität, Respekt vor dem Menschen, Ehrlichkeit. Leider waren unsere Methoden zu formal: Vieles wurde bemerkt und ausgesprochen, aber wenig verändert.
Wir unterstrichen immer die Erfolge beim Aufbau des Sozialismus, aber wir erklärten nicht, daß unser Weg zum Ziel lang, hart, steinig und voller Schwierigkeiten ist. Wir haben die Bedingungen und Auswirkungen der Weltwirtschaft auf unsere Entwicklung unterschätzt oder, anders gesagt, unsere eigene Kraft und das bereits Erreichte überschätzt. Und das Wichtigste: Wir haben aufgehört, mit den Menschen offen die Gründe für die Probleme und die nötigen oder möglichen Konsequenzen zu diskutieren. Dahinter stand unsere Sorge, die Gegner könnten diese Diskussionen bemerken und gegen uns verwenden, auf unsere Probleme aufmerksam werden, unsere Schwierigkeiten ausnutzen. Andererseits hätte eine simple Diskussion die Probleme nicht gelöst.
Literatur & Quellen
Corvalán, Luis; Honecker, Margot (2001): Gespräche mit Margot Honecker über das andere Deutschland. (=La otra Alemania, la RDA
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Eberlein, Werner, Herrmann, Frank Joachim und Honecker, Margot, et al. (Hg.) (2002): Auskünfte über Erich Honecker. Berlin. Spotless-Verlag. (Spotless-Reihe, 134) ISBN 3933544556.
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Grimm, Thomas (Hg.) (2005): Die Honeckers privat. Liebespaar und Kampfgemeinschaft. Berlin. Parthas. ISBN 3936324115.
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Honecker, Margot (1986): Zur Bildungspolitik und Pädagogik in der Deutschen Demokratischen Republik. Ausgewählte Reden und Schriften. 1. Aufl. Berlin. Volk und Wissen. ISBN 3062041064.
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Honecker, Margot; Schumann, Frank (2012): Zur Volksbildung. Gespräch mit Frank Schumann. Berlin. Das Neue Berlin. ISBN 9783360021458.
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Huhn, Klaus (2009): Margot Honecker - die rote First Lady. 1. Auflage. Berlin. edition ost im Verlag Das Neue Berlin. (Spotless, 216) ISBN 978-3-360-02012-3.
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Kalkbrenner, Jörn (1990): Urteil ohne Prozeß. Margot Honecker gegen Ossietzky-Schüler. Berlin. Dietz. ISBN 3320016822.
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Klemm, Volker (1991): Korruption und Amtsmißbrauch in der DDR Dokumentenanhang: Anhörung Margot Honecker, Horst Sindermann, Kurt Hager, Erich Mückenberger; Werner Eberlein, Joachim Herrmann, Hans Reichelt, Wolfgang Herger, Fritz Streletz, Günter Schabowski, Wolfgang Schwanitz, Rudi Mittig. Stuttgart. Dt. Verl.-Anst. ISBN 3421066205.
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Kunze, Thomas (2013): Staatschef a.D. Die letzten Jahre des Erich Honecker. 1. Aufl. Berlin. Ch. Links. ISBN 3861536986.
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Müller-Enbergs, Helmut und Reimann, Olaf W. (Hg.) (2000): Wer war wer in der DDR? Ein Lexikon ostdeutscher Biographien. Band 1. Berlin. Ch. Links. ISBN 3-86153-201-8.
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Oermann, Nils Ole (2016): Zum Westkaffee bei Margot Honecker. Letzte Begegnungen mit einer Unbeirrten. 1. Auflage. Hamburg. Hoffmann und Campe. ISBN 9783455504255.
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Schumann, Frank; Honecker, Margot (2016): Post aus Chile. Die Korrespondenz mit Margot Honecker. Berlin. edition ost im Verlag Das Neue Berlin. (edition ost) ISBN 3360018796.
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Stuhler, Ed (2003): Margot Honecker. Eine Biografie. Wien. Ueberreuter. ISBN 3-8000-3871-4.
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Yáñez, Roberto; Grimm, Thomas (2019): Ich war der letzte Bürger der DDR. Mein Leben als Enkel der Honeckers. Erste Auflage. Berlin. Insel. (Insel-Taschenbuch, 4765) ISBN 9783458364658.
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Werke von Margot Honecker
Margot Honecker Bibliothekssuche (WorldCat).
Online verfügbar unter https://www.worldcat.org/search?q=au%3AHonecker%2C+Margot&qt=advanced&dblist=638, zuletzt geprüft am 01.05.2021.
Links und Presseartikel
- Margot-Seite auf www.honecker-im-internet.de (nicht mehr online)
- Berliner Zeitung, 26. September 1996: Biermann: “Keine engen Beziehungen zu Margot Honecker”
- Berliner Morgenpost, 11. März 1999: Mit Erichs Asche allein zu Haus. Was macht eigentlich Margot Honecker?
- Rhein-Zeitung, 14. Juni 1999: Kein Geld für Honecker-Witwe. Vermögen des DDR-Staatschefs rechtmäßig eingezogen
- Der Tagesspiegel, 11. Oktober 2000: Margot Honecker. Lobrede auf ein verlorenes Paradies. Die ehemalige DDR-Bildungsministerin erinnert sich
- Poonal Nr. 451, 13. Oktober 2000: Margot Honecker stellt das Buch “das andere Deutschland” vor
- MAZ, Ostseezeitung und Freie Presse am 14.10.2000: Die alte Leier. Margot Honecker beschwört das Paradies DDR - Buchvorstellung in Santiago
- SuperIllu 43/2000: Señora Margot spricht (u. a. Originaltexte aus dem Buch)
- SuperIllu 52/2000: Die First Lady der DDR. Margot Honecker. Diagnose: Krebs!
- junge welt, 19. Dezember 2000: Interview mit Margot Honecker
- die welt, 20. Dezember 2000: Margot Honecker sagt: Mir geht es gut
- Weißenseer Blätter, Heft 1/2001: Luis Corvalan, Gespräche mit Margot Honecker über das andere Deutschland
- Deutschlandradio, 14. Februar 2001: Hasta la victoria siempre! Margot Honeckers Memoiren jetzt auch auf deutsch
- Der Tagesspiegel, 15. Februar 2001: Margot Honecker. Für Freund und Feind. Gespräche der verwitweten SED-Chef-Gattin in deutscher Ausgabe erschienen
- unsere zeit, 16. Februar 2001: Über ein Buch, das auf den Scheiterhaufen soll
- Deutschlandfunk, 19.11.2001: Buchbesprechung von Lutz Rathenow über Reinhold Andert: Nach dem Sturz
- SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 24 vom 22. November 2001: Die Falten von Margot Honecker. Jakob Moneta antwortet Wolf Biermann
- junge welt, 14. Dezember 2001: Eine Schorle vermixt. Ist er noch verheiratet? Das Exklusiv-Geständnis eines Margot-Honecker-Lovers
- Focus online, 6. Mai 2016: Witwe von Erich Honecker – Margot Honecker in Chile gestorben
[WebCite-Archivfassung: http://www.webcitation.org/6hJMQkaR6]
Links geprüft und korrigiert am 1. Mai 2021 (AN)
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