(Lina Loos, geborene Karoline Obertimpfler)
geboren am 9. Oktober 1882 in Wien
gestorben am 6. Juni 1950 in Wien
österreichische Schriftstellerin, Dichterin, Schauspielerin, Kabarettistin, Muse
140. Geburtstag am 9. Oktober 2022
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Lina Loos, geborene Karoline Obertimpfler, gehört zur Wiener Kunst- und Kaffeehausliteratenszene. Peter Altenberg, Egon Friedell, Arthur Schnitzler, Franz Theodor Csokor, Franz Lehar, Oskar Kokoschka sind nur einige ihrer vielen Freunde, Bekannten und Verehrer. Am Peter-Altenberg-Stammtisch kommt es zu der schicksalhaften Begegnung mit dem Architekten Adolf Loos und zu seinem spontanen Heiratsantrag noch am selben Abend, den sie ebenso spontan akzeptiert. Die kaum Zwanzigjährige heiratet den um zwölf Jahre älteren Mann, doch die Ehe hält nur drei Jahre. Lina ist viel zu kreativ und selbständig, um ein Leben als Muse führen zu können.
Erst durch dich habe ich jene Festigkeit in mein System von Stil und Leben hereinbekommen, die notwendig ist, um als Sieger aus diesem Kampf hervorgehen zu können. Dein unfehlbarer Geschmack, deine visionäre Sicherheit in der Beurteilung ...... haben mich von vielen Zweifeln erlöst und mich und mein Werk erst lebensfähig gemacht.
So schreibt Loos am Ende ihrer Ehe an sie.
Lina, die eine Schauspielschule besucht hatte, tritt nun in Wien in Theatern, Kleinbühnen und Kabaretts auf. Gleichzeitig schreibt sie für verschiedene Zeitungen Feuilletons, Aphorismen und Theaterszenen. Sie besitzt viel Witz und Ironie, eine scharfe Beobachtungsgabe und absolute Authentizität. Wiener Charme durchzieht ihr Werk. Ihre schauspielerische Tätigkeit führt sie bis nach Berlin, ein halbes Jahr gastiert sie sogar in den USA. Doch ihr eigentlicher Lebensraum ist Wien mit seiner bewegten Kulturszene.
Nach dem Bankrott ihrer Eltern, die das noble Kaffeehaus Casa Piccola besaßen, fallen die finanziellen Unterstützungen weg und Lina muß ein relativ bescheidenes Leben führen. Nach Hitlers Machtergreifung verliert sie viele Freunde, Csokor emigriert, Friedell begeht Selbstmord. Aber auch innerhalb ihrer Familie kommt es zu tragischen Vorfällen. Ihre Schwester, die damals anerkannte Schriftstellerin Helene Dülberg, verschwindet 1908 spurlos, ihr Bruder, der Schauspieler Carl Forest fällt 1944 dem Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten zum Opfer. Politischen Mut zeigt die 56jährige Lina Loos 1938, als in Wien die Synagogen brannten und die jüdischen Geschäfte geplündert wurden - sie begibt sich zu den Tatorten, folgt dem johlenden Troß und spricht an jedem Schauplatz immer wieder laut und vernehmlich die Worte:
Ich bin Zeugin! Ich bin Zeugin!
1947 erscheint Lina Loos' einzige Buchveröffentlichung zu Lebzeiten: »Das Buch ohne Titel«. Es ist eine Sammlung der bereits in Zeitungen publizierten Feuilletons und Erinnerungen. Es gilt als zeitgeschichtliches Quellenwerk. Nach dem Zweiten Weltkrieg tritt Lina Loos dem »Österreichischen Friedensrat« bei und wird Vizepräsidentin des »Bundes demokratischer Frauen«. Die Autorin dieses kleinen Beitrags hat als Kind manchmal Lina Loos auf den Straßen Wiens gesehen: eine feine, sehr schöne alte Dame in etwas exzentrischer Kleidung, mit weltabgewandtem Blick und der Aura einer vergangenen Epoche.
(Text von 1999)
Verfasserin: Sibylle Duda
Zitate
Der Unanständige war nicht immer leicht zu erkennen. Es gab aber Zeiten in denen sich Menschen selbst durch Parteiabzeichen kennzeichneten. (Lina Loos)
Die Frau führt ein Traumleben. Gelingt es dem Mann sie zu erwecken, so hat er nur mehr einen Wunsch: Sie wieder einzuschläfern. (Lina Loos)
Literatur & Quellen
Fischer, Lisa: Lina Loos oder Wenn die Muse sich selbst küßt. Eine Biographie, Böhlau Verlag, Wien, Köln, Weimar 1994
Loos, Lina: Das Buch ohne Titel. Erlebte Geschichten. Hrsg. von Adolf Opel und Herbert Schimek, H. Böhlaus Nachf., Wien, Köln, Graz 1986
Opel, Adolf (Hg.): Lina Loos. Wie man wird, was man ist. Lebens-Geschichten, Deuticke, Wien 1994
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