geboren am 15. April 1858 in Oschwand, Kanton Bern
gestorben am 22. Dezember 1941 in Herzogenbuchsee, Kanton Bern
Schweizer Lehrerin, Weltreisende und Reiseschriftstellerin
165. Geburtstag am 15. April 2023
Biografie • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
1904 erschien, zuerst auf Englisch, zwei Jahre später dann auf Deutsch, unter dem Titel Vorwärts! der Bericht der Schweizer Lehrerin Lina Bögli, “die ganz allein und ohne andere Mittel als die, welche sie auf dem Wege verdiente”, in zehn Jahren, von 1892-1902, um die Welt gereist war. Die Neuauflage von 1990 trägt den Titel Talofa – das ist der samoanische Gruß. Auf Samoa hatte es Bögli besonders gut gefallen.
1858 - im selben Jahr wie die Duse, Selma Lagerlöf und Emmeline Pankhurst – wurde Lina Bögli als jüngstes Kind einer armen Kleinbauernfamilie in dem Dorf Oschwand unweit von Herzogenbuchsee im Kanton Bern geboren. Nachträglich urteilt sie, daß die harten Erfahrungen während der Kindheit eine gute Vorbereitung waren für die vielen Entbehrungen, die sie später auf ihren Reisen ertragen mußte.
Mit zwölf Jahren wurde sie als “Kindsmagd” in den Jura geschickt, um Französisch zu lernen und die Familie zu entlasten. Sie entdeckte an sich schon früh die “sonderbare Gabe, Kinder in Ordnung zu halten”. Ab 17 arbeitet sie drei Jahre lang als Zimmer- und Kindermädchen bei einer wohlhabenden Schweizer Familie in Neapel. Dort habe sie ihr Deutsch gelernt, sagt sie später.
Schließlich findet sie eine gute Stelle als Erzieherin in einer polnischen Adelsfamilie. Nach acht Jahren hatte sie genug Geld gespart, um in der Schweiz nach zweijährigem Studium das Lehrinnendiplom zu machen. Ein England-Aufenthalt vervollständigt ihre Ausbildung.
Die Zertifikate sollten ihr während der Weltreise sehr zustatten kommen. Zuerst ging es per Schiff von Brindisi nach Sydney. Dort verdingt sie sich als Lehrerin an Privatschulen. Sie bleibt viereinhalb Jahre in Australien, bereist auch das Landesinnere und legt Geld zurück für die Weiterreise (Ende 1896) nach Neuseeland. Weiter geht es zu den Samoa-Inseln und über Hawaii, wo sie ein Jahr bleibt, nach San Francisco. Vier Jahre Kalifornien, dann quer durch die USA an die Ostküste bis nach Kanada und schließlich zurück nach Europa Am 12. Juli 1902, genau zehn Jahre nach ihrer Abreise, Ankunft in Krakau. Auf dem Bahnsteig erwartet sie ein polnischer Offizier, der vor zehn Jahren um ihre Hand angehalten hatte. Sie lehnt seinen Antrag ein zweites Mal ab.
So viel wußte man, bis im Jahre 1999 Judith Arlt in Polen der Geschichte Lina Böglis genauer nachging. Sie fand heraus, daß der polnische Verehrer Bijak hieß und nicht, wie bis dahin angenommen, 1914 auf dem Felde der Ehre fiel, sondern Bögli sogar um ein Jahr überlebte. Nach Lina Böglis eigenem Bekunden war er die große Liebe ihres Lebens, was sie aber zeitlebens geheim hielt: Tagebucheintragung 1914: “… “Tod des einzigen Mannes, den ich je geliebt habe, den ich aus lauter Liebe nicht heiraten wollte, um seine Karriere nicht zu zerstören, der sozusagen mein Schicksal wurde, weil ich, ohne ihn gekannt und geliebt zu haben, nie an eine Weltreise gedacht hätte, da ich ja nur fortging, um mich vor ihm und mir selber zu flüchten.” Heiraten konnten sie nicht, weil ihnen die Offizierskaution fehlte, “lumpige fünfzigtausend Kronen, die amerikanische Milliardäre allein für den Blumenschmuck bei ihren Festlichkeiten ausgeben.”
Nach dem Riesenerfolg ihres ersten Reisebuchs reiste sie 1910 ein zweites Mal los, mit der transsibirischen Eisenbahn über Wladiwostok nach Japan und China. Immer vorwärts (1915 mitten im Krieg bei Huber erschienen), erreicht jedoch bei weitem nicht die Resonanz des “Originals”.
Lina Böglis Reisebücher sind geprägt von den rassistischen Vorurteilen ihrer Zeit, aber ihr großes Interesse an den Lebensbedingungen der Frauen und Mädchen in den fremden Ländern war alles andere als zeittypisch. Und ihr außergewöhnlicher Unternehmungsgeist, gepaart mit Entschlossenheit, Tapferkeit und Optimismus, beeindruckte ihre Leserinnen und machte ihnen Mut.
1914, mit 56 Jahren und nach fast 40 Jahren in der Fremde, kehrt die Weitgereiste in ihre Heimat zurück. Sie hatte genug gespart, um weiter ein völlig unabhängiges, wenn auch einfaches, Leben zu führen: Im Kreuz in Herzogenbuchsee mit dem ersten alkoholfreien Gasthof der Schweiz, von der Feministin Amélie Moser als Zentrum für gemeinnützige Bestrebungen gegründet, mietet sie sich ein Zimmer. Dort lebt sie stillvergnügt inmitten ihrer Andenken an ihre Weltreisen, hält Vorträge, gibt Sprachunterricht, kümmert sich um Notleidende und um die Erziehung ihrer Nichten und denkt wohl nur noch selten an jenen polnischen Offizier, den sie nicht heiraten konnte – aus welchen Gründen immer.
(Text von 2007)
Verfasserin: Luise F. Pusch
Links
Christel-Kojima-Ruh über Böglis Japan-Aufenthalt 1910-12
Literatur & Quellen
Quellen:
Bögli, Lina. 1990. Talofa: In zehn Jahren um die Welt [Vorwärts: Briefe von einer Reise um die Welt]. Nachwort von Doris Stump. Zürich. eFeF Verlag.
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