(geb. Gaehtgens, geschiedene von Boetticher)
geboren am 14. Mai 1875 in Lasdohn (Livland)
gestorben am 3. August 1952 in Schleswig (Holstein)
deutsche Journalistin und politische Lobbyistin
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Das private Archiv aus 30 Berufsjahren der Publizistin wurde bei einem Bombenangriff 1943 zerstört; ihre in jener Zeit verfasste Autobiografie erschien erst 2005 (Hrsg. Lora Wildenthal).
Grundsätzlich ist Else Frobenius als eine frühe Journalistin bzw. Schriftstellerin zu charakterisieren. Dabei war sie eine der fleißigen »Kärrnerinnen«, der allerdings ein Eintritt in die Liga der »Königinnen« ihrer Profession nicht gelang. Sie engagierte sich in vielfältigen politischen und Interessenverbänden und sie verwob diese Tätigkeiten stets geschickt mit dem Erstellen von publizistischen Beiträgen für diverse Medien. Ab ihrem 50. Lebensjahr knüpfte und intensivierte sie Beziehungen zur Jugendbewegung. Ihr Schrifttum befasste sich häufig mit politischen Themen und sie trat in Worten und Taten als Lobbyistin kolonialer und national-völkischer Interessen auf. Else Frobenius gehört daher zu den so genannten »peinlichen Verwandtschaften« der Frauenforschung.
1875 geboren, in der livländischen Kleinstadt Lasdohn, die heute zur Republik Lettland gehört, entstammte sie der deutschbaltischen Pastorenfamilie Gaehtgens und war die Älteste von acht Kindern, darunter drei Schwestern. Ab 1882 wuchs sie in Riga, der drittgrößten Stadt des russischen Zarenreiches, auf. Sie wurde evangelisch-religiös erzogen und bildungsbürgerlich geprägt. Ihre Ausbildung bestand in einer Kombination aus Höherer Töchterschule und häuslichem Privatunterricht. Im Jahr 1892 legte sie das russischsprachige Gouvernantenexamen ab, übte den Beruf aber niemals aus.
Else Frobenius war zweimal verheiratet. Im Alter von 23 Jahren ging sie in Riga die Ehe mit dem Juristen Carl von Boetticher ein. 17 Jahre später, 1915, heiratete sie in Berlin den Kunstmaler Herman Frobenius. Beide Ehen endeten durch Scheidung (1910 sowie 1921) und blieben – soweit nachweisbar – kinderlos. Ihr Lebensstil in Riga war der einer bürgerlichen Gattin der Führungsschicht. Diese Existenz brach abrupt ab, als der Ehemann im Jahr 1907 unerwartet Bankrott machte. Sie übersiedelte daraufhin allein nach Berlin, in die Hauptstadt des deutschen Kaiserreiches, und blieb bis 1945 in der Metropole.
Zunächst studierte sie als Gasthörerin sechs Semester lang Germanistik an der Friedrich-Wilhelms-Universität. Für das erste Jahr erhielt sie noch finanzielle Absicherung durch die Eltern, später strebte sie durch journalistischen Zuverdienst konsequent nach Unabhängigkeit. Für die geschlechtlich bedingten Unterkunfts- und Verpflegungsprobleme fand Frobenius Lösungen, die vergleichsweise geschickt, kostengünstig und arbeitseffektiv waren, und sie nutzte dabei landsmannschaftliche Kontakte.
Sie schaffte den Wechsel in die journalistische Arbeit und bemühte sich in den folgenden Jahrzehnten mittels rastloser Publizistik um die Sicherung ihres Lebensunterhaltes. Für den Zeitraum von 1909 bis 1944 hat Silke Helling in Auswertung von 30 Periodika mehr als 300 Frobenius-Aufsätze und -Artikel erstmals bibliografisch nachweisen können.
In Berlin erreichte Frobenius 1912 ihre Aufnahme in den »Deutschen Lyceum-Club«, eine rein weibliche und wirkmächtige Netzwerkplattform. Sie übernahm während ihrer fast 30 Jahre dauernden Mitgliedschaft verschiedene Ämter innerhalb dieser Organisation, ab 1932 beispielsweise die Schriftleitung der Monatsmitteilungen. 1914 erlangte sie eine vergütete Anstellung als Generalsekretärin des »Frauenbundes der Deutschen Kolonial-Gesellschaft«, die bis 1922 währte. Als Kolonialpropagandistin war sie eine Mitarbeiterin von Hedwig Heyl und blieb dieser über vielfältige ergänzende Berührungspunkte bis zu ihrem Tod 1934 eng verbunden. In Verehrung widmete sie der Mentorin später ein ganzes Kapitel ihrer Autobiografie. 1916 wurde sie Mitgründerin des »Baltischen Frauenbundes« und behielt den ehrenamtlichen Vorsitz bis zur Selbstauflösung der Vereinigung 1936.
Else Frobenius trat 1919 in die rechtsbürgerliche Deutsche Volkspartei ein und blieb darin bis 1930. Auf lokaler Ebene übte sie Verantwortung aus, zog sich aber seit Mitte der 1920er Jahre zunehmend enttäuscht aus der demokratischen Parteiarbeit zurück. Sie fühlte sich später zum diktatorischen »Führerprinzip« hingezogen, selbst wenn dieses mit der Diskriminierung von Meinungen und Menschen verbunden war. 1933 trat Frobenius in die NSDAP ein, und sie verfasste das Propagandabuch »Die Frau im Dritten Reich«. Die Hintergründe ihrer ideologischen Persönlichkeitsentwicklung sind Bestandteil eines biografischen Forschungsprojektes am Historischen Seminar der Universität Hamburg.
Nachdem die Berlinerin dreimal ausgebombt worden war, verließ sie 1945 die Stadt und übersiedelte ins norddeutsche Schleswig. Dort vertrat sie im Rahmen der Flüchtlingsbetreuung nochmals deutschbaltische Interessen. Im Alter von 77 Jahren verstarb Else Frobenius 1952 in Schleswig.
Verfasserin: Silke Helling
Zitate
(sämtlich aus Frobenius' Autobiografie „Der goldene Schlüssel“)
Mein Mann [Carl von Boetticher] war unzufrieden, wenn ich viel las, weil ich dann ganz in den Büchern versank. Ich sollte lustig sein, hübsch aussehen, mich geschmackvoll ankleiden und ihm gutes Essen vorsetzen. […] Ich formte mich nach seinen Wünschen, war verwöhnt und spielerisch und lebte wie Nora in ihrem „Puppenheim“.
In den ersten Märztagen 1908 kam ich nach Berlin. […] Mit einem Kopfsprung stürzte ich mich in das mir völlig neue Leben der Studentin. Mit […] der Inbrunst einer Frau, die sich sagte: „Ein Mensch, der keine Kinder hat, muß doch etwas schaffen, das über ihn hinauswächst – sonst ist ja sein ganzes Leben ohne Sinn und Wert!“ ergriff ich jede Arbeit, die sich mir bot.
Das allgemeine Wahlrecht [1918] rief ja jeden an die Front. […] Auch Frauen spielten in diesen Gemeinschaften [politischen Parteien] eine Rolle. Nicht nur der Rang ihres Mannes oder Schönheit und Reichtum waren dabei maßgebend wie in der Vorkriegszeit, sondern ihre persönliche Leistung. Ich war wohl die erste deutsche Journalistin, die den Versuch unternahm, auch in Frauen- und Unterhaltungsblättern für das Grenz- und Auslandsdeutschtum zu werben.
Ein großes persönliches Glück wurde mir außerdem durch die Beschäftigung mit der Jugendbewegung zuteil: Ich begann wieder zu wandern! Mit 50 Jahren griff ich zu Rucksack und Nagelschuhen und stieg auf die Berge.
Links
Beyond Glitter and Doom: Geschlecht, Staat und Partizipation: Else Frobenius und Katharina von Kardorff-Oheimb.
Online verfügbar unter http://weimarperspectives.wordpress.com/about/geschlecht-staat-und-partizipation-else-frobenius-und-katharina-von-kardoff-oheimb/, zuletzt geprüft am 19.07.2023.
Helling, Silke (2023): Fantastisch? Der Frobenius-Clan und seine facettenreichen Eroberungen. Vortrag (Video).
Online verfügbar unter https://lecture2go.uni-hamburg.de/l2go/-/get/v/12328, zuletzt geprüft am 19.07.2023.
Katalog der Deutschen Nationalbibliothek: Frobenius, Else. Bücher und Medien.
Online verfügbar unter https://d-nb.info/gnd/123442559, zuletzt geprüft am 19.07.2023.
Literatur & Quellen
Werke (Auswahl)
Boetticher, Else von (1911): Der Dichter Lenz unter dem Einfluß der Geistesströmungen des 18. Jahrhunderts. Studie nach einer Seminararbeit für Prof. Dr. Erich Schmidt an der Berliner Universität. Berlin. Sonderdruck. (WorldCat-Suche)
Boetticher-Frobenius, Else von (1916): Fortbildung und Beschäftigung der Verwundeten. In: Die Welt der Frau. Beilage von Die Gartenlaube, 12. Jg., S. 647-649.
Frobenius, Else (1918): Staatsbürgerinnen. In: Kolonie und Heimat, 12. Jg., S. 6f.
Frobenius, Else (1924): Baltische Frauen. In: Ostdeutsche Monatshefte. Zweites Baltenheft, 4. Jg., S. 685-688.
Frobenius, Else (1927): Mit uns zieht die neue Zeit. Eine Geschichte der deutschen Jugendbewegung. Berlin. Deutsche Buchgemeinschaft. ([Veröffentlichungen der deutschen Buchgemeinschaft], [ 217]) (WorldCat-Suche)
Frobenius, Else (1929): Kärnten. Für Jugend und Volk. Langensalza. Julius Beltz. (Der Deutsche im Auslande, 13) (WorldCat-Suche)
Frobenius, Else (1933): Die Frau im Dritten Reich. Eine Schrift für das deutsche Volk. Berlin-Wilmersdorf. Nationaler Verlag J. G. Huch. (WorldCat-Suche)
Frobenius, Else (1936): 30 Jahre koloniale Frauenarbeit. Berlin. Reichskolonialbund. (WorldCat-Suche)
Frobenius, Else (1944): Anna Luise Karschin. Die erste Volksdichterin. In: Munske, Hilde (Hg.): Mädel – eure Welt! München. Zentralverlag der NSDAP (Das Jahrbuch der Deutschen Mädel, 5. Jg.). S. 98–103 (WorldCat-Suche)
Frobenius, Else (2005): Der goldene Schlüssel. Erinnerungen aus meinem Leben (1943/44). In: Wildenthal, Lora (Hg.): Erinnerungen einer Journalistin. Zwischen Kaiserreich und Zweitem Weltkrieg. Köln, Weimar, Wien. Böhlau (Selbstzeugnisse der Neuzeit, 16). ISBN 3-412-19605-3. S. 17–247 (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Weiterführende Literatur
Deutscher Lyceum-Club. Offizielles Organ des deutschen Lyceum-Clubs, zugleich Mitteilungsblatt des Vereins der Künstlerinnen, diverse Jahrgänge.
Baddack, Cornelia; Helling, Silke (2011): Geschlecht, Staat, Partizipation. Die Weimarer Republik in der Sicht der national-liberalen Politikerinnen Else Frobenius (1875-1952) und Katharina von Kardorff-Oheimb (1879-1962). : Jahrbuch zur Liberalismus-Forschung. Baden-Baden. Nomos (Jahrbuch zur Liberalismus-Forschung, 23. Jahrgang 2011). ISBN 978-3-8329-6895-3 S. 189–213 (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Budke, Petra; Schulze, Jutta (1995): Schriftstellerinnen in Berlin 1871 bis 1945. Ein Lexikon zu Leben und Werk. 1. Aufl. Berlin. Orlanda-Frauenverl. (Der andere Blick) ISBN 3-929823-22-5. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Hagestedt, Lutz; Kosch, Wilhelm et al. (2010): Deutsches Literatur-Lexikon. Das 20. Jahrhundert; biographisch-bibliographisches Handbuch. Berlin. de Gruyter. ISBN 9783110231618. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Helling, Silke (2010): Schlaglichter auf eine frühe Journalistin und politische Lobbyistin. Else Frobenius (1875-1952). In: Auga, Ulrike (Hg.): Das Geschlecht der Wissenschaften. Zur Geschichte von Akademikerinnen im 19. und 20. Jahrhundert. Frankfurt. Campus-Verl. ISBN 978-3-593-39148-9 (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Helling, Silke (2011): Frauen als Staatsbürgerinnen. Perspektiven der Berliner Publizistin Else Frobenius (1875-1952). In: Krammer, Stefan (Hg.): Staat in Unordnung? Geschlechterperspektiven auf Deutschland und Österreich zwischen den Weltkriegen. Bielefeld. transcript (Gender Studies). ISBN 978-3-8376-1802-0 S. 61–73 (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Wedel, Gudrun (2010): Autobiographien von Frauen. Ein Lexikon. Köln, Weimar, Wien. Böhlau. ISBN 978-3-412-20585-0. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Wildenthal, Lora (2005): Nation und Karriere in einem Frauenleben. Eine Einleitung. In: Wildenthal, Lora (Hg.): Erinnerungen einer Journalistin. Zwischen Kaiserreich und Zweitem Weltkrieg. Köln, Weimar, Wien. Böhlau (Selbstzeugnisse der Neuzeit, 16). ISBN 3-412-19605-3. S. 7–16 (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Wildenthal, Lora (2000): Mass-Marketing Colonialism and Nationalism. The Career of Else Frobenius in the »Weimarer Republik« and Nazi Germany. In: Planert, Ute (Hg.): Nation, Politik und Geschlecht. Frauenbewegungen und Nationalismus in der Moderne. Frankfurt/Main, New York. Campus-Verl (Geschichte und Geschlechter, 31). ISBN 3-593-36578-2. S. 328–345 (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
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