(Elena Chiara Maria Antonia Carrara Spinelli [Geburtsname]; Clara/Chiara/Chiarina Maffei [Ehename])
geboren am 13. März 1814 in Bergamo
gestorben am 13. Juli 1886 in Mailand
italienische Salonnière
205. Geburtstag am 13. März 2019
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Zu Clara Maffeis Vorfahrinnen gehören die Dichterinnen Veronica Gambara und Chiara Trinali. Ihr Vater ist Dramaturg und Poet, ihre Mutter lehrt sie die Liebe zu Manzonis Gedichten. Clara ist neun Jahre alt, als sich ihre Mutter entschließt, mit einem anderen Mann zusammenzuleben. Um Tratsch und Schmach zu entgehen, zieht der Vater nach Mailand, seine Tochter bringt er in einem Collegio in Verona unter, nach dem frühen Tod der Mutter kommt Clara in ein Mailänder Internat. Dort wird »keine von Madame Garniers Schülerinnen vernachlässigt«, schreibt sie, »vielleicht werden wir etwas ignorant sein, aber wenigstens sind wir uns dessen bewusst.«
Clara ist siebzehn Jahre alt, als der Vater ihr den Dichter und Übersetzer Andrea Maffei als zukünftigen Ehegatten präsentiert. Die Heirat ist nicht standesgemäß, sie darf sich von nun an nicht mehr Contessa nennen. Andrea Maffei hält nicht viel von der Ehe. Bevor man sich ernsthaft auf sie einlasse, findet er, sollte man das ganze Leben über sie nachgedacht haben. Maffei ist Spieler und Lebemann, aber auch ein erfolgreicher Übersetzer von Shakespeare, Byron, Schiller und Goethe. Ausgiebig frönt er seinen vielfältigen Neigungen und Interessen, so angezogen fühlt er sich von ihnen, dass er seine junge Gattin bei einem Ball nicht nur alleine lässt, sondern einfach vergisst.
Das einzige Kind der Maffeis, eine Tochter, stirbt mit neun Monaten. Clara Maffei stürzt in eine tiefe Depression. Um sie abzulenken, lädt ihr Ehemann eine Reihe von Freunden und Bekannten ein, Dichter, Musiker, Maler, Intellektuelle. Im Hause der Maffeis wird musiziert, rezitiert und diskutiert. Erfrischungen werden gereicht. Die Hausherrin erweist sich als perfekte Gastgeberin, auf jeden geht sie ein, mit jedem weiß sie angeregt und klug zu plaudern. Über die neuesten Bücher, über Kunst und Musik, über Politik. Sie ist gerade neunzehn Jahre alt, wird von nun an jeden Tag empfangen. Ihr Salon wird einer der berühmtesten in ganz Italien, für illustre Gäste aus dem Ausland ein Muss. Maffei heißt alle willkommen, mag ihnen auch der Geruch des Skandalösen anhaften. Die schwangere Marie d´Agoult verließ Sohn und Gatten, begleitet ihren sechs Jahre jüngeren Liebhaber Franz Liszt auf seiner Tournee durch Europa. Viele Mailänder Häuser bleiben dem Paar verschlossen, Maffei empfängt sie ohne Bedenken. Zum Dank und zur Unterhaltung wird Liszt für seine Gastgeberin spielen, in ihr Album schreibt er: »Es gibt Menschen, die mit wenigen Worten viel zu denken geben; andere erwecken mit vielen Worten wenige Ideen.« Selbstredend, dass er Clara Maffei zur ersten Gruppe zählt.
Ganz anders hingegen Honoré de Balzac. »Mit dreiundzwanzig ist alles Zukunft«, schreibt der Romancier ins Album der dreiundzwanzigjährigen Contessa. Balzac erregt Missfallen in den Mailänder Salons, macht aus seiner Missachtung für die Italiener keinen Hehl und schläft trotz riesiger Mengen Kaffees auf den Sofas seiner Gastgeberinnen ein. Clara Maffei sucht er vor allem an Vormittagen auf, genießt ihre subtile, wache und einfühlsame Präsenz. Er macht ihr den Hof, fragt sich, wie sie die mangelnde Aufmerksamkeit ihres Ehegatten erträgt und widmet ihr später seine Erzählung La Fausse maitresse. In ihren Briefen an ihn bezeichnet sich seine Angebete als »piccola Maffei«, er hingegen versichert ihr, auf zehn Jahre seines Lebens verzichten zu wollen, würde er im Gegenzug drei Monate von ihr geliebt werden.
Seine Briefe, seine Offenheit, die Komplimente und Höflichkeiten geben Maffei zu denken, sie sieht, was sie sich bis dahin nicht einzugestehen wagte: dass sie von Andrea Maffei enttäuscht ist, dass sie sich vernachlässigt fühlt, geprägt von dem Verlust ihres einzigen Kindes, einsam, auf sich selbst gestellt. Der Salon ist alles andere als Zerstreuung, vielmehr Mission, Maffei investiert den größten Teil ihrer Zeit und Kraft darin, kein Tag ohne Gäste oder anregende Gespräche, ohne Diskussionen über Kunst und Politik, Rezitationen oder Musik. Einer ihrer bedeutendsten Gäste ist der Literat, Journalist und spätere Politiker Carlo Tenca. Im Sommer 1845 lädt sie ihn zum ersten Mal in ihre Villa nach Clusone ein, nahe Bergamo, wo sie mit wenigen, auserwählten FreundInnen die Sommer verbringt. Beide verbindet bald mehr als Freundschaft und gleiche Gesinnung. In langen Gesprächen diskutieren und entwickeln sie neue Ideen für ein starkes, vereintes Italien, das sich von seinen österreichischen Besatzern befreit.
Clara Maffei will von nun an unabhängig über ihr Leben bestimmen. Dank der Vermittlung Giuseppe Verdis, mit dem sie eine tiefe Freundschaft verbindet, werden sich die Eheleute bald einig. Die Contessa atmet endlich auf, sie wird sich nie wieder binden, vergeblich wird Carlo Tenca um ihre Hand anhalten.
Seit 1845 ist Tenca Direktor der Revista Europea. Unter seiner Leitung entwickelt sie sich zu einer der wichtigsten Zeitschriften im Vorfeld der revolutionären Ereignisse von 1848. Während der berühmten Cinque giornate di Milano ist er aktiv an den Kämpfen beteiligt. Anschließend muss er in die Schweiz nach Locarno fliehen, begleitet von seiner Mutter und Clara Maffei.
Maffeis Salon ist während der revolutionären Kämpfe ein wichtiger Rückzugsort. Befehle und Botschaften werden hier empfangen und weitergeleitet, Verletzte versorgt, Verfolgte versteckt und in Sicherheit gebracht.
Nach ihrer Rückkehr aus der Schweiz wählt Clara Maffei ihre Gäste mit großer Sorgfalt aus, was zählt, ist die politische Gesinnung. Es wird über die Möglichkeit einer Vereinigung der Lombardei mit dem Piemont diskutiert. Italien soll ein vereintes Königreich werden. Zu diesem Zweck wird in Maffeis Salon eine neue Wochenzeitschrift gegründet und unter den Gästen verteilt: Il Crepuscolo (=Die Morgendämmerung), Direktor und Herausgeber ist Carlo Tenca.
Inzwischen wurde die Trennung von Andrea Maffei auch gerichtlich vollzogen. »Erinnere dich daran, dass ich mich zwar von dir trenne, dich aber nicht verlasse«, schreibt Clara Maffei an ihren Exgatten, »in jeder schweren Phase deines Lebens werde ich dir nah wie eine Schwester sein«.
Als Andrea Jahre später schwer erkrankt, macht sich Maffei auf den Weg nach Florenz und harrt an seinem Krankenlager aus. Nach der Genesung wird dieser seine Exgattin in Mailand besuchen, ihr sogar Geschenke mitbringen, was den alten Manzoni dazu veranlasst, sich die vielen Stufen zur Wohnung seiner Freundin hinaufzuquälen und ihr zur Versöhnung zu gratulieren. Er weiß, sein Wort hat Gewicht. Von da an wird kaum noch über die Salonnière und ihre skandalöse Trennung geklatscht.
Clara Maffei stattet Manzoni jeden Sonntag nach der Messe einen Besuch ab. Der Dichter diktiert ihr seine Sonette, vertraut sich ihr an. Für Verdi ist die Contessa eine unentbehrliche Brieffreundin. Seine Lebensgefährtin und spätere Angetraute, die Sängerin Giuseppina Strepponi, musste ihre Mutter und Geschwister mit ihren Gagen ernähren. Auch über sie wird geklatscht. Der Lebenswandel, ihre illegitimen Kinder, die bei der Familie bleiben, während die Sängerin durch Europa tourt. Clara Maffei betrachtet die Strepponi als ihre Intimfreundin. Auch andere selbstbestimmte Frauen lädt sie in ihren Salon ein, darunter die Schriftstellerinnen Giannina Milli und Evelina Kattermol oder die Malerin Maria Righini.
Sie selbst wird niemals mit ihrem Geliebten Tenca zusammenleben, wahrt die Etikette. Nur in den Sommern verbringt das Paar eine halbwegs unbeschwerte Zeit in der Villa von Clusone. Tenca wird 1861, nach der Vereinigung von Piemont und Lombardei, Abgeordneter im Parlament. Seine Arbeit zwingt ihn, in die Hauptstadt zu ziehen, erst nach Turin, dann nach Florenz und schließlich nach Rom. Ein jahrelanger Briefwechsel beginnt, beide wissen, dass ihre Korrespondenz von historischer Bedeutung sein wird, allzu intime Briefe werden ausgesondert und verbrannt.
Italien sucht in dieser Zeit nach einen neuen Identität. Für Tenca und Maffei ist es ein Hauptanliegen, das Volk an die italienische Kultur heranzuführen. Eine der ersten Amtshandlungen Tencas ist die Einführung der Höheren Schulen für Mädchen. In Clusone gibt Clara Maffei Französischunterricht.
Ihr Salon steht nach wie vor allen offen. Über Mangel an Gästen kann sie nicht klagen, dennoch fühlt sie sich in den letzten Jahren immer einsamer. Sie wird Tenca, der sich nach einem Sturz nicht mehr erholt, bei sich zu Hause pflegen. Als er 1883 stirbt, hält sie sich gerade in Clusone auf. Drei Jahre wird sie ihn überleben. In dieser Zeit stirbt auch ihr Exgatte, sein Tod stürzt sie in schwere Schuldgefühle. »Süß ist das Verzeihen, hart und schreckliche Strafe die Erkenntnis, Unrecht gehabt und das, was man nicht tun sollte, getan zu haben.«
Juni 1886 erkrankt Clara Maffei an Meningitis. Zwei Wochen lang dämmert sie bewusstlos vor sich hin. Laut Testament vermacht sie 20000 Lire ihres Vermögens der Comune Clusone für den Bau eines Kindergartens.
Giuseppe Verdi ist über Maffeis Tod untröstlich. »Seit 44 Jahren war sie meine Freundin«, schreibt er in einem Brief. »Eine aufrichtige und zuverlässige Freundin. Natürlich verstand sie nicht zu dichten wie ihr Gatte… aber was für ein Herz! Was für ein vornehmer Charakter. Was für eine Erhabenheit der Gefühle! Arme Clarina!«
Verfasserin: Uta Ruscher
Zitate
»Ich wollte mir wenigstens die vollständige Unabhängigkeit meiner Tätigkeiten und meines Lebens erobern und mir sagen können: ich gehöre mir selbst, und nur ich will Richter meines Tuns sein.« (Clara Maffei)
»Ich mag keine Moralisten, werde sie nie mögen; um uns vor dem Feuer des Enthusiasmus zu retten, riskieren sie, uns zu ertränken.« (Clara Maffei)
»Sie war schlagfertig, und sie konnte mit Grazie und unendlichem Charme erzählen. Sie war dafür gemacht, vor einem Publikum zu brillieren ... Sie bevorzugte die Einsamkeit und das Plaudern neben dem Kamin; so verbrachte sie ihre Abende zu Hause, umringt von einer Gruppe von Freunden, die sie zu schätzen wussten.« (Honoré de Balzac)
»Ihr Salon war der österreichischen Polizei wohl bekannt, Ordnungsrufe aus Turin trafen dort ständig ein.« (Edgar Savaney)
Links
Barbiera, Raffaello: Il salotto della contessa Maffei. Milano : Fratelli Treves, 1895. Onlinefassung (it.). Biblioteca Nazionale Braidense. (Link aufrufen)
Literatur & Quellen
Quellen
Barbiera, Raffaelo (1922): Il salotto della Contessa Maffei. 13., ed. riveduta dall' autore. Firenze. Salani. (Amazon-Suche)
Gastel Chiarelli, Cristina (Hg.) (2005): Niente zucchero nel calamajo. Lettere di Giuseppe Verdi a Clara Maffei. Milano. Archinto. ISBN 88-7768-420-8. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Pizzagalli, Daniela (2004): L'amica. Clara Maffei e il suo salotto nel Risorgimento italiano. 1. ed. BUR saggi. [Milano]. Biblioteca Universale Rizzoli. (BUR saggi) ISBN 88-17-00291-7. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Weiterführende Literatur
Cugini, Davide (1963): Una gentildonna del Risorgimento. La contessa Clara Maffei. Bergamo. Secomandi (tip.). (WorldCat-Suche)
Iannuzzi, Lina (2007): Il carteggio Tenca-Maffei. Storia, letteratura e arte nell'Italia del Risorgimento. On the correspondence between Carlo Tenca (1816-1883), teacher and journalist, and Clara Maffei (1814-1886), contessa. - Contains bibliographical references, notes, appendix of literary texts, chronology and name index. Napoli. Alfredo Guida. (Biblioteca di Sinestesie, 1) ISBN 978-88-6042-337-5. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Maffei, Clara (1999): Il disegno della scrittura. Rincorrendo se stesso in un gioco di segni. Roma. Lilith. ISBN 88-87336-34-2. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Monti, Antonio (1940): Una passione romantica dell'ottocento. Clara Maffei e Carlo Tenca. Milano. Garzanti. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Sartori, Claudio (1974): Quartetto milanese ottocentesco. Lettere di Giuseppe Verdi, Giuseppina Strepponi, Clara Maffei, Carlo Tenca e di altri personaggi del mondo politico e artistico dell'epoca. Roma. Archivi. (WorldCat-Suche)
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