Wikimedia Commons
geboren am 3. Dezember 1965 in West-Staaken (DDR)
deutsche Eiskunstläuferin
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Spätestens mit ihrer Carmen-Kür bei den Olympischen Spielen 1988 in Calgary wurde Katarina Witt zum Weltstar – und nur wenige Jahre später polarisierte sie zum einen als Glamourgirl der Eisrevue Holiday on Ice und zum anderen als diejenige, die sich nicht eindeutig von der untergegangenen DDR distanzieren mochte. Bei genauer Betrachtung sind dies jene Persönlichkeitsmerkmale, die sie auszeichnen: der Wunsch, im Mittelpunkt zu stehen und zu glänzen einerseits, und Loyalität und Dankbarkeit andererseits.
Ein halbes Jahr lang muss die fünfjährige Katarina quengeln, bis ihre Eltern sie endlich zum Eislaufen schicken. Jeden Tag war sie mit ihrer Kindergartengruppe am Eisstadion in Karl-Marx-Stadt vorbeigelaufen – dort, wo die Berühmtheiten Gaby Seyfert und Jan Hoffmann trainieren – und sie dachte sich, wie schön es sein müsste, ebenfalls so zu laufen und zu springen, und die Menschen schauen begeistert zu.
Katarina wächst mit ihrem drei Jahre älteren Bruder Axel in Karl-Marx-Stadt (seit 1990 wieder Chemnitz) auf und hat ein herzliches und vertrauensvolles Verhältnis zu ihren Eltern. Die Familie hat ansonsten keinen Bezug zum Eiskunstlaufen oder zum Hochleistungssport überhaupt; schon gar nicht ist die Mutter eine „Eislaufmutti“. Sie arbeitet als Physiotherapeutin in einer Klinik, der Vater ist Betriebsleiter beim VEB Saat- und Pflanzgut. Und Axel spielt lieber Fußball.
Das Mädchen macht rasche Fortschritte, sodass es 1974 von ihrer vorherigen Schule auf die Kinder- und Jugendsportschule Karl-Marx-Stadt wechselt, in der perspektivische SpitzensportlerInnen sich voll auf ihre jeweiligen Disziplinen konzentrieren und der Stundenplan an das Training angepasst ist. Eine weitere Zäsur ist, als ihr ihre Trainerin eröffnet, dass sie künftig bei „Frau Müller“ – der berühmt-berüchtigten Erfolgstrainerin Jutta Müller – trainieren wird. Sie hat Angst vor dieser schönen, strengen, disziplinierten, unbarmherzigen Frau, und ihr Vater lässt ihr die Wahl: „Entweder du willst eislaufen und machst es richtig, oder du lässt es bleiben.“
Sie lässt es nicht bleiben. Der erste größere Erfolg ist ein Jahr später der Gewinn der Goldmedaille bei der Kinder- und Jugendspartakiade 1976. Der erste internationale Auftritt erfolgt 1979 bei den Europameisterschaften in Zagreb, bei denen Anett Pötzsch siegt – Katarinas Vereinskameradin und ebenfalls Schülerin Jutta Müllers. Katarina Witt selbst wird Vierzehnte. Doch dann geht es Schlag auf Schlag, wobei zunächst das Ziel lautet: ihre Konkurrentin Anett Pötzsch besiegen, die 1980 immerhin Olympiasiegerin, Europa- und Weltmeisterin wird – und einige Jahre später zudem ihre Schwägerin, das aber steht auf einem anderen Blatt.
Bei den DDR-Meisterschaften hat Katarina Witt ab 1981 quasi ein Abonnement: bis einschließlich 1988 wird sie ununterbrochen Meisterin. Bei den Europa- und Weltmeisterschaften 1982 muss sie sich noch jeweils mit dem zweiten Platz begnügen; bei den Europameisterschaften gibt sie ab 1983 (bis einschließlich 1988) den obersten Podiumsplatz ebenfalls nicht mehr her. Auch bei den Weltmeisterschaften mit den starken Eiskunstläuferinnen vor allem aus den USA ist sie der Konkurrenz meist voraus: Sie gewinnt die Weltmeistertitel 1984, 1985, 1987 und 1988, wird 1982 und 1986 Zweite. Dazu kommen die Olympiasiege 1984 in Sarajevo (vor Rosalynn Sumners, USA) und 1988 in Calgary (vor Elizabeth Manley, Kanada).
Das ist insofern überraschend, da sie „nur“ zwei Schwierigkeiten – den dreifachen Salchow und Toeloop – sicher beherrscht. Bei der WM in Cincinnati 1987 kommt noch der dreifache Rittberger hinzu, den sie aber auch benötigt, um ihre Konkurrentin Debi Thomas auf deren heimischem Eis in Schach zu halten. Katarina Witts Stärken sind die künstlerischen Elemente, eine ausgefeilte Choreographie, Ausstrahlung und Eleganz. „Alles über die B-Note. Die Kunst muss siegen“, ist ihr Motto. Auch ihre Kostüme, die Frisur sind auf das Programm abgestimmt – geboten werden Vorstellungen aus einem Guss. Die Pflicht (abgeschafft zur Saison 1990/91), also das Ziehen von Bögen, Wenden und Schleifen, ist für sie hingegen ein notwendiges Übel, das viel Trainingsfleiß und Gleichmut erfordert, die sie schon aufgrund ihres Temperaments nur begrenzt aufbringt.
Auch „im Westen“ kommt Katarina Witt gut an. Sie sticht heraus aus der Schar der „Ostblock“-SportlerInnen, die im Westen häufig nur als graue Mäuse oder programmierte Roboter wahrgenommen werden. Ihre Aura von Charme, Weltläufigkeit und Individualismus verfängt auch bei knallhart kalkulierenden Managern. Sie können sich „die Witt“ gut als Werbeträgerin, als Hauptdarstellerin in Eisshows, als Medienpersönlichkeit vorstellen. Anfragen werden ans Außenministerium der DDR und an sonstige behördliche Stellen gestellt – und versanden dort. Von all diesen Angeboten erfährt Katarina Witt erst viele Jahre später aus ihren Stasiakten.
Überhaupt ist die Stasi schon früh mit an Bord. Die ersten Berichte über Katarina Witt werden 1973 verfasst, da ist sie gerade 8 Jahre alt. Bei potentiellen Aushängeschildern der DDR ist es wichtig, sie bei der Stange zu halten, Hindernisse aus dem Weg zu räumen und Gedanken an eine „Republikflucht“ im Keim zu ersticken. Katarina Witts Leben verläuft unauffällig, und so soll es bleiben. Sie ist gut in der Schule, hat ein enges Verhältnis zu ihrer Familie, ist Mitglied der Pionierorganisation, später der FDJ, noch später SED-Mitglied und Volkskammerabgeordnete. Man besorgt ihr eine volleingerichtete Wohnung, ein westdeutsches Auto und bietet ihr die Möglichkeit privat zu reisen – z.B. nach Kuba – und zu einem Studium an der berühmten Schauspielschule „Ernst Busch“ in Ost-Berlin, das sie allerdings bald abbricht. Alles Dinge, die für die meisten DDR-BürgerInnen jenseits aller Möglichkeiten oder nur unter schwersten Bedingungen oder langen Wartezeiten erreichbar sind. Kein Wunder, dass Katarina Witt von ihren Landsleuten nicht nur Bewunderung, sondern auch Neid auf ihre Privilegien erntet. Nicht gerade hilfreich ist die Tatsache, dass sie zu den LieblingssportlerInnen Erich Honeckers zählt, und die SED-Funktionäre wissen, was sie an ihr haben.
Andererseits „kümmern“ sich gleich fünf Stasi-IMs (= informelle Mitarbeiter) um sie. Auf Schritt und Tritt wird sie beobachtet, was sie tut, mit wem sie sich trifft. Nur einen kleinen Bruchteil ihrer in Devisen ausgezahlten Preisgelder aus den Schaulaufen kann sie behalten; den allergrößten Teil kassiert der Staat ein. Als man befindet, ihre Beziehung zu dem Ost-Berliner Schlagzeuger Ingo Politz, ihrer ersten großen Liebe, sei ihrer weiteren Entwicklung hinderlich, versucht man diese Beziehung zu zerstören – u.a. damit, dass Ingo Politz zur Volksarmee an den von Karl-Marx-Stadt am weitesten entfernten Standort, nach Rostock, eingezogen wird.
Von westlichen Kolleginnen erfährt sie, dass man als Profi bei Eisrevuen auf angenehme Art gut verdienen kann. Das will sie auch. Nicht allein wegen des Geldes – das sie ohnehin zum größten Teil abgeben müsste – sondern weil sie für sich eine Perspektive für die Zeit nach der Wettkampfkarriere sucht. Sie möchte weiterhin auftreten, darstellen, verführen, das Publikum begeistern: „Ich kann mir ein Leben ohne Eislaufen nicht vorstellen.“
1988 stehen die Olympischen Winterspiele in Calgary an. Die Staatsführung lässt sich schließlich auf einen Handel ein: Sollte Katarina Witt zum zweiten Mal hintereinander Olympiasiegerin werden, was vor ihr nur die Norwegerin Sonja Henie schaffte, dann werde man wohlwollend über eine etwaige Profikarriere im Westen nachdenken. Nur ist dies leichter gesagt als getan. Die größte Konkurrentin, die US-Amerikanerin Debi Thomas, hat mit Katarina Witt noch eine Rechnung offen. Im Vorjahr, bei den Weltmeisterschaften 1987 in Cincinnati, musste sie sich von der Ostdeutschen schlagen lassen.
Zufälligerweise – und was nicht ohne Ironie ist – entscheiden sich beide Protagonistinnen unabhängig voneinander für eine Kür-Musik aus der Oper Carmen von Georges Bizet. „Ich weiß inzwischen, dass ich die temperamentvolle Musik aus Spanien am besten umsetzen kann. Für sie habe ich die richtige Körpersprache. Leidenschaft, Schmerz, Trauer und Erotik kann ich auf dem Eis glaubhaft ausdrücken. Und dann ist auch die Geschichte der Carmen, der Frau zwischen zwei Männern, ein Thema, das mich interessiert, das kann ich nachvollziehen und verstehen.“
Das ist ein gefundenes Fressen für die Medien: Die Konkurrenz um die olympische Goldmedaille wird auf beiden Seiten zum „Battle of the Carmens“, zum Kampf der Systeme aufgeblasen. Doch Debi Thomas patzt, stürzt gleich bei ihrem ersten Kürsprung und wird letztlich nur Dritte. Katarina Witt gewinnt die Goldmedaille mit ihrer künstlerisch anspruchsvollen Darbietung, mit zwei Dreifachsprüngen in sportlicher Hinsicht aber nur durchschnittlicher Leistung. Kurz darauf holt sie sich in Budapest bei den Weltmeisterschaften ihren vierten Titel, den zwölften internationalen Titel insgesamt. In der Heimat wird ihr die Ehrenspange zum Vaterländischen Verdienstorden verliehen, den sie in Gold bereits nach ihrem Olympiasieg 1984 in Sarajevo erhielt.
Nach dem Ende ihrer Amateurkarriere setzt sie ab November 1988 als erste Sportlerin aus dem Ostblock bei der US-amerikanischen Holiday on Ice ihre Karriere als Profi fort. Von ihrer Gage kann sie nur 20% behalten; alles andere geht an den Turn- und Sportbund der DDR. Ihr Leben besteht nun aus Training, Kofferpacken, Reisen, Auftritten in ständig neuen Städten – kaum gibt es einen freien Tag. Eisrevuen und -shows sind in den USA in jenen Jahren höchst populär. So ist der Madison Square Garden in New York erstmals nach zehn Jahren mit einer Eisshow ausverkauft.
Auch den Mauerfall erlebt sie aus der Ferne. Sie dreht gerade in Sevilla den Eiskunstlauf-Film Carmen on Ice, für den sie den prestigeträchtigen Emmy Award erhält.
Sie wird nun nicht mehr von der Stasi verfolgt, sondern von den Medien. Vor allem zu Herz gehende „Männergeschichten“ sind interessant. Ihre Beziehung zu dem US-amerikanischen Schauspieler Richard Dean Anderson („McGyver“) ist ein medialer Knüller; weitere Techtelmechtel werden ihr angedichtet, wie z.B. mit Boris Becker oder Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, dem Mannschaftsarzt des FC Bayern München. Zudem wird immer wieder thematisiert, dass ihre Beziehungen meist nur von kurzer Dauer sind. Wäre sie ein Mann, würde sie vermutlich als „toller Hecht“ durchgehen. Zu den „Verehrern“ gehört allerdings auch ein hartnäckiger Stalker, der sie bis nach Hause verfolgt.
Aber dabei bleibt es nicht: Seitdem sie bei der Bambi-Verleihung Ende 1988 nicht nur ihren Eltern, sondern auch ihrem Staat dankte, der ihr eine solche Karriere ermöglichte, ist sie für manche nicht mehr die „Gold-Kati“, sondern eine Repräsentantin des Systems, die „SED-Ziege“. Bei einer Veranstaltung in Berlin-Weißensee, wo sie als Moderatorin auftritt, wird sie ausgebuht. Die „Wende“ bedeutet für sie, nicht den Wendehals zu geben: „Der Staat hat mir die Möglichkeiten für mein Training und meine Arbeit geschaffen. Mein Vorwurf an mich lautet: Ich habe einfach zu lange geglaubt, was ich gelesen habe und was mir gesagt wurde […] Ich kann mir jetzt den Vorwurf machen, dass ich nicht oft genug, genau genug nach links und nach rechts gesehen habe, weil ich nur mein Ziel vor Augen hatte. Dass ich vielleicht früher hätte erkennen müssen, was die DDR ist und was nicht in Ordnung ist. Das habe ich aber nicht. Als es schick wurde und gefragt war, sich von diesem zusammengebrochenen Staat zu distanzieren, die Politiker zu verdammen, habe ich mich nicht angeschlossen. […] Ich kann einfach nicht so tun, als wäre ich nicht dabei gewesen.“
1993 behauptet ein Bürgerrechtler, Katarina Witt habe für die Stasi EislaufkollegInnen bespitzelt und verraten. Dies nimmt sie zum Anlass, Einsicht in ihre Stasiakte zu nehmen – welche 3.103 Seiten umfasst. Sie Belastendes kommt nicht zum Vorschein. Der Historiker Berno Bahro kommt zu dem Schluss, sie habe zwar von dem System profitiert, selbst aber nie für die Stasi gearbeitet und niemandem geschadet. Insofern sei dieser Vorwurf völlig unhaltbar und reine Polemik. Sie selbst verarbeitet dieses Thema in ihrer Autobiographie Meine Jahre zwischen Pflicht und Kür, die Anfang 1994 erscheint.
Außer in Berlin hat sie einen zweiten Wohnsitz in den USA. Neben ihrer Profikarriere arbeitet sie für verschiedene TV-Sender, u.a. als Eislauf-Kommentatorin für CBS während der Olympischen Spiele 1992 in Albertville, moderiert Fernsehshows, spielt in Filmen mit, ist Werbeträgerin u.a. für eine Kosmetikfirma. Infolge einer bis dahin einmaligen Reamateurisierungsaktion der Internationalen Eislaufunion packt es sie aber wieder: Katarina Witt gibt bekannt, dass sie an den Olympischen Spielen 1994 in Lillehammer teilnehmen und gegen all die jungen Mädchen mit ihren Dreifachsprüngen bestehen will. Wieder begibt sie sich in die Hände der nach wie vor gestrengen Jutta Müller, arbeitet mit der Choreographin Sandra Bezic in Toronto. Es ist eine harte Fron, denn ein internationaler Wettkampf ist etwas ganz anderes als eine Eisrevue.
Mit einer Kür zu Marlene Dietrichs „Sag‘ mir, wo die Blumen sind“ belegt sie in Lillehammer schließlich einen achtbaren 7. Platz. Noch wichtiger ist für sie das Gefühl, nun endlich im vereinten Deutschland angekommen zu sein. Ebenfalls 1994 belegt sie bei der Profi-WM den zweiten Platz hinter der Schweizerin Denise Biellmann.
Nach ihrer Olympiateilnahme tourt Katarina Witt zehn Jahre lang mit den Shows Stars on Ice und Champions on Ice durch die USA und Kanada. Zudem konzipiert und kreiert sie selbst Eisshows, die sie mit ihrer Produktionsfirma WITH WITT Sports & Entertainment auch selber produziert, u.a. Divas on Ice, Katarina & Friends oder Winterzauber für das deutsche und das US-Fernsehen. Für ARD und ZDF ist sie regelmäßig als Eislauf-Expertin bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften im Einsatz. Daneben steht sie für mehrere Filme vor der Kamera (u.a. Jerry Maguire, 1996, Ronin, 1998, und Der Feind in meinem Leben, 2012) oder als „Buhlschaft“ im Jedermann auf der Theaterbühne und schreibt mehrere Fitnessbücher.
Einen weiteren Rekord, allerdings ganz anderer Art, stellt sie 1998 mit ihrer Coverstory im „Playboy“ auf, für die sie sich nackt fotografieren lässt: Diese Ausgabe ist nach jener mit Marilyn Monroe die weltweit erfolgreichste und am meisten verkaufte.
2008 beendet Katarina Witt nach 37 Jahren Eiskunstlauf ihre einmalige Karriere mit einer Abschiedstournee durch Deutschland. Zahllose Preise und Ehrungen wurden und werden ihr zuteil. Zur Ruhe setzt sie sich nun allerdings nicht. Bereits 2005 hatte sie die Katarina-Witt-Stiftung gegründet, die Kindern und Jugendlichen mit körperlichen Beeinträchtigungen hilft, trotzdem am Sport teilzunehmen, z.B. in inklusiven Projekten zum Fußballspielen oder Skifahren. Ab 2009 vertritt sie als Vorsitzende das Kuratorium für die Bewerbung Münchens als Austragungsort für die olympischen Winterspiele 2018. Diese finden dann bekanntermaßen in Pyeongchang statt, weil seitens des IOC „neue Märkte und Regionen“ erschlossen werden sollen – „eine der schmerzhaftesten Enttäuschungen meines Lebens“ (Witt).
Anlässlich ihres 50. Geburtstages erscheint der Bildband So viel Leben, mit dem sie an die Stationen ihrer einmaligen Karriere und ihres Lebens erinnert. 2019 eröffnet sie in Potsdam ihr Fitness-Studio „Kurvenstar“, das sie nach eigenem Bekunden auch selbst frequentiert. Im selben Jahr wird sie in den Stiftungsrat der Deutschen Sporthilfe gewählt. 2023 zeichnet sie die Internationale Eislaufunion mit dem Lifetime Award aus.
Privat lebt sie eher zurückgezogen. Ihre Rastlosigkeit erklärt sie mit ihrer Sportkarriere: „Sie ist der Grundstein für all jenes, was ich jetzt mache. Der Leistungssport ist eine unglaubliche Schule, ob für Disziplin, Zielstrebigkeit, das Nicht-Aufgeben. All das nimmt man mit ins berufliche Leben. […] Man widmet sich mit genauso viel Disziplin anderen Projekten und kann seine Konzentration kanalisieren. Diese Hartnäckigkeit ist übrigens manchmal wie ein Fluch, man hat einfach nicht gelernt, locker zu lassen.“
(Text von 2024)
Verfasserin: Christine Schmidt
Zitate
Keine Geschichte kann so falsch sein, als dass sie sich nicht bei einigen als Wahrheit festsetzt.
In manchen Momenten habe ich noch etwas von einem trotzigen Kind an mir, das mit dem Bein auf den Boden stampft und schreit: „Haben, haben, haben…“
So, wie mir im Leben vieles sehr schnell langweilig wird, so sind mir auch Männer immer wieder mal langweilig geworden.
Bis zu den ersten Flirts finden Männer noch selbstständige Frauen total imposant. Aber: wollen sie dann nicht gleich wieder den Reiz der Verfügbarkeit, ein Mädchen, das scheu „gewollt werden“ möchte, oder eine Dame, die vornehm abwarten kann? Verdammte Kerle! Außen: moderner Mann, und innen: noch der alte Jäger.
Frau Müller ist eine Perfektionistin, sie will immer alles hundertprozentig. Ich glaube, sie hat jede Nacht einen Albtraum: Wir fahren zu einem Wettbewerb – und ich verliere gegen ein Mädchen, das von ihrem ehemaligen Schüler Günter Zöller [= einem „Republikflüchtling“] trainiert wird.
Was du mit deinem Körper machst, das geht am Kopf nicht vorbei. Du hast gelernt, jahrelang, dass der Schmerz nur dann unerträglich wird, wenn du dich ihm ergibst. Oft genug hast du festgestellt, dass du durch diesen Schmerz durchkommst, dass du stärker bist. Dein Wille ist irgendwann so gut trainiert wie dein Körper.
Frau Müller macht mich oft so fertig, dass ich das Gefühl habe, ich habe meine Zukunft schon hinter mir. Mit nichts ist sie zufrieden, sie sagt, es sei besser, ich höre auf. […]
Sie [= Jutta Müller] ist schon eine harte, eigenartige und große Frau. Würde bei mir irgendetwas strahlen ohne ihren Schliff?
Die Auftritte bei „Holiday on Ice“ sind anstrengender, als ich mir das vorgestellt habe. Die Umstellung auf die kleine Eisfläche fällt mir schwer, das ist nicht unbedingt mein Ding.
Ich erinnere mich an einen der vielen Kongresse, zu denen ich erscheinen muss. Irgendein Jahrestag von irgendwas. Ein Redner nach dem anderen tritt ans Pult und verkündet stolz, mit wieviel Prozenten der Plan übererfüllt wurde. 120, 130 Prozent. Einige gehen noch höher, unter 100 Prozent ist im ganzen Land niemand geblieben. Ich sitze da und denke: Wovon reden die? Ich bin froh, wenn ich mein Leistungsvermögen zu 80 Prozent ausschöpfen kann, wenn es mal 90 Prozent sind, bin ich stolz. Und damit bin ich absolute Weltspitze. Und die reden hier von 120, 130 und mehr Prozent – und trotzdem sind wir als Wirtschaftsmacht unbedeutend. Da kann doch irgend etwas nicht stimmen.
Viel mehr als die Fassade des Westens lerne ich nicht kennen [1982, Schaulaufen der ISU nach der WM in Kopenhagen]. Und einiges, was ich da kennenlerne, ist nicht so, dass ich glaube, wir brauchen das auch.
Träume soll man sich erfüllen – auch wenn man das Letzte dafür geben muss.
Ich habe in meinem Leben immer nur das bereut, was ich nicht getan habe.
Sie reden von der DDR mit dieser Weißt-du-noch-die-gute-alte-Zeit-Mentalität, in der es dann plötzlich kein Unrecht mehr gegeben haben soll, weil man sich ein vielleicht mal vorhandenes Unrechtsbewusstsein schließlich weggequatscht hat.
Fast scheut man sich als Ossi, weil diese Feststellung seit fünfzig Jahren vorbelastet ist, zu sagen: Wir haben vieles nicht gewusst. […]
Erfolgreiche Sportler sind auf der ganzen Welt privilegiert. Bei uns waren es die Reisen, die Wohnung, das Auto, zu dem man schneller kam, die kleinen angenehmen Freiheiten. Hier sind und waren es sechsstellige Einkommen.
Es sieht alles so einfach aus für die, die nicht in diesem Staat aufgewachsen sind, in ihm zurechtkommen mussten. Logisch, am leichtesten löst man die Probleme, die man selbst nicht hat.
Es gewinnt keiner, der keine Freude hat an dem, was er tut.
Ich wusste, dass ich den absoluten Höhepunkt meines Lebens erreicht hatte: einen riesigen Medaillenspiegel, riesengroße Popularität. Ich wusste damals sofort, dass ich nie mehr in meinem Leben so sehr im Mittelpunkt des weltweiten Interesses stehen werde.
In den USA gilt: The sky is the limit. Und das passte zu mir.
Wenn ich heute, 40 Jahre später, nach Sarajevo komme, wird mir erst richtig bewusst, wie sich mein Leben seit diesen Olympischen Spielen verändert hat.
Springen hat sie nie richtig gemocht, und die Stürze dabei schon gar nicht.
(Jutta Müller)
Links
https://www.katarina-witt.de/
https://www.katarina-witt-stiftung.de/startseite.html
https://www.hall-of-fame-sport.de/mitglieder/detail/Katarina-Witt
https://online.munzinger.de/document/01000000618
https://online.munzinger.de/document/10000028160
https://www.dw.com/de/wie-das-olympiagold-in-sarajevo-das-leben-von-katarina-witt-ver%C3%A4nderte/a-68238431
https://www.chemnitz.de/chemnitz/de/unsere-stadt/ehrenbuerger/katarina_witt.html
https://www.rbb-online.de/studio3/videos/20230904_1845.html
https://www.gettyimages.de/fotos/katarina-witt
https://www.zeitzeugen-portal.de/themen/sport-rivalen-im-ring/videos/dKJMzxG8O0s
https://www.youtube.com/watch?v=NrJxYfPjCjA
https://www.youtube.com/watch?v=57R7aAY5QiM&t=1s
https://www.youtube.com/watch?v=4TfTcdwZBhc
https://www.youtube.com/watch?v=hmrprWr-kUM
https://www.youtube.com/watch?v=hLiJlOMdylg
https://www.youtube.com/watch?v=yJrhVbYhd0Y
https://www.youtube.com/watch?v=P30eop476Ak
https://www.youtube.com/watch?v=EA6jBDihHrI
https://www.youtube.com/watch?v=tmwbNkSO2VE
https://www.youtube.com/watch?v=ihquwRrkpY8
https://www.youtube.com/watch?v=wdq8VwvJh9M
Literatur & Quellen
Knigge, Jobst (Regie): Katarina Witt – Weltstar aus der DDR. Dokumentarfilm 2020, 90 Min.
Witt, Katarina: Meine Jahre zwischen Pflicht und Kür. München 1994 (C. Bertelsmann)
Witt, Katarina & Swift, Edward McKelvy: Only with Passion. Figure Skating’s Most Winning Champion on Competition and Life. New York 2005 (PublicAffairs)
Witt, Katarina: So viel Leben. Hamburg 2015 (Edel Books)
Sollten Sie RechteinhaberIn eines Bildes und mit der Verwendung auf dieser Seite nicht einverstanden sein, setzen Sie sich bitte mit Fembio in Verbindung.