Biographien Isabelle Eberhardt
(Si Mahmoud Saadi [Pseudonym])
geboren am 17. November 1877 in Meyrin bei Genf
gestorben am 21. Oktober 1904 in Ain Sefra, Algerien (Sahara)
Schweizer Schriftstellerin russischer Herkunft, Sahara-Reisende
120. Todestag am 21. Oktober 2024
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen • Bildquellen
Biografie
Die Tochter anarchistischer russischer Emigranten erkämpfte sich von Anfang an eine Außenseiterrolle. Schon als Kind weigerte sich Isabelle, Mädchenkleider zu tragen, später wird sie in arabischen Männerkleidern die Sahara durchstreifen.
Nordafrika war das Land ihrer Sehnsucht. Mit zwölf Jahren lernt das sprachbegabte Kind Arabisch, mit 14 ist sie fest entschlossen, zum Islam überzutreten. An ihren Bruder schreibt sie 1895 aus Genf: „Mein Körper ist im Okzident, aber meine Seele ist im Orient”, und „ohne Schreiben gibt es keine Hoffnung für mich in diesem verfluchten Leben in ewiger Finsternis”. Ausbrechen will sie, schreiben will sie. Seit 1897 lebt sie mit ihrer Mutter in Böne, dem heutigen Annaba, beide Frauen treten zum Islam über.
Als die Mutter im November 1897 stirbt, beginnt Isabelle Eberhardt ihr Nomadenleben. Sie nennt sich jetzt Si Mahmoud und streift als Araber verkleidet durch Bars und Bordelle, besucht die heiligen Stätten des Islam, nächtigt in den Zelten der Beduinen. Erste Prosaskizzen entstehen. Von ihrem Honorar kauft sie sich einen Araberhengst und reitet allein durch die Wüste, ins Innere der Sahara. Dort, in den Sandmeeren, findet sie ihre zweite Heimat. Immer wieder wird sie dorthin zurückkehren, auch wenn sie 1901 Slimene Ehnni, einen Leutnant der einheimischen Hilfstruppen Algeriens heiratet. Denn „einsam und Nomade und nur den Islam als Heimat betrachtend, ohne Familie und ohne Freunde, allein, allein für immer werde ich meinen Weg durchs Leben gehen, bis die Stunde des großen ewigen Schlafes schlägt”.
Oft wurde die ungewöhnliche Frau, die Kif rauchte und wie ein Mann trinken konnte, in Burnus und Reitstiefeln auftrat, angegriffen, ihre Lebensweise provozierte. Sieben Jahre lang reiste sie durch Algerien, Tunesien und Marokko. Sie schrieb mehrere Romane, Erzählungen und Reiseberichte, verdichtete Stimmungsbilder, erfüllt von Farbigkeit und Sinnlichkeit, bis die „Stunde des großen Schlafes” die 26-Jährige mitten in der Wüste überraschte. Nach einem Wolkenbruch wurde sie mitsamt ihrer Lehmhütte von den Fluten mitgerissen. Sie ertrank in den Sandmeeren.
Verfasserin: Susanne Gretter (1996)
Zitate
Nein, ich bin keine Politikerin, ich bin keine Agentin, ich arbeite für keine Partei; ich bin nur eine Einzelgängerin, eine Träumerin, die fernab von der Welt frei leben will wie die Nomaden, um später zu versuchen, davon zu erzählen, diesem oder jenem den ehrfürchtigen und wehmütigen Schauer zu vermitteln, den ich angesichts der traurigen Herrlichkeit der Sahara gespürt habe. (Isabelle Eberhardt)
Afrika verschlingt und absorbiert alles Feindliche. Vielleicht ist es das auserwählte Land, dem einst der Funke entspringt, der zur Erneuerung der Welt führt. (Isabelle Eberhardt, 1902, gefunden hier)
Ich werde mein Leben lang Nomade bleiben, verliebt in den wechselnden Horizont, in die unerforschten, fernen Orte, denn jede Reise, selbst zu den überfülltesten und viel besuchten Ländern, ist eine Entdeckung. (Isabelle Eberhardt, 1903, gefunden hier)
Isabelle Eberhardts Reiseberichte aus den nordafrikanischen Wüsten zeichnen das Psychogramm eines schwärmerisch überhitzten Gemüts – und einer großartigen, unbändig-verrückten Frau. Russische Emigrantentochter, aufgewachsen im chaotischen Patchworkhaushalt am Genfer See, Vagabundin der Seele, tritt sie mit 20 zum Islam über, lernt Arabisch, reitet in Männerkleidern durch Algerien und Marokko, schreibt wie besessen und liebt mit glühender Leidenschaft. Wird als Spionin verdächtigt, überlebt ein Attentat, ergibt sich dem Kiffrausch und stirbt 1904 mit nur 27 Jahren, als ihre Lehmhütte nach einem tropischen Gewitter im Schlamm versinkt. Manchmal rieseln ihre Sätze hastig wie Treibsand, manchmal verirrt sie sich im Gestrüpp der Adjektive, scheuert sich wund an den Worten und blendet den Leser mit gleißenden Exotismen. Aber ihre Notizen, Kurzgeschichten und Tagebucheinträge sind voller feinnerviger, filmisch präziser Beobachtungen der Fremde. (Christiane Peitz, gefunden hier)
(Text von 1996)
Links
Katalog der Deutschen Nationalbibliothek: Eberhardt, Isabelle, 1877-1904.
Online verfügbar unter http://d-nb.info/gnd/11887957X, zuletzt geprüft am 20.10.2019.
Klein, Judith: Die Abenteuerdurstige. Vor 100 Jahren starb Isabelle Eberhardt. NZZ Online vom 21. Oktober 2004.
Online verfügbar unter https://www.nzz.ch/article9FE3X-1.323128, zuletzt geprüft am 20.10.2019.
Rentsch, Steffi; Wolff, Rochus: Stillgestellter Orient. Zum 100. Todestag von Isabelle Eberhardt (1877-1904). PDF-Datei (3 Seiten, ca. 260 kB).
Online verfügbar unter http://www.kritische-ausgabe.de/hefte/reich/Rentsch_Wolff_Eberhardt.pdf, zuletzt geprüft am 20.10.2019.
Wikipedia: Isabelle Eberhardt.
Online verfügbar unter http://de.wikipedia.org/wiki/Isabelle_Eberhardt, zuletzt geprüft am 20.10.2019.
Literatur & Quellen
Quellen
Eberhardt, Isabelle (1983): Notizen von unterwegs. Vergessenssucher. Islamische Blätter. Aus dem Franz. von Grete Osterwald. Reinbek bei Hamburg. Rowohlt (Rororo Neue Frau, 5232).
Eberhardt, Isabelle (1983): Tagwerke. Im heissen Schatten des Islam. Aus dem Franz. von Grete Osterwald. Reinbek bei Hamburg. Rowohlt (Rororo Neue Frau, 5231).
Eberhardt, Isabelle (1993): Briefe an drei Männer. Aus dem Franz. von Gerhard Döhler. Reinbek bei Hamburg. Rowohlt (Rororo Neue Frau, 13187).
Errera, Eglal (1989): Isabelle Eberhardt. Eine Biographie mit Briefen, Tagebuchblättern, Prosa. Basel. Lenos-Verlag.
Kobak, Annette (1990): Wie treibender Sand. Das berauschende Leben der Isabelle Eberhardt. (=Isabelle. The life of Isabelle Eberhardt). Aus dem Englischen von Lore Strassl. Wien. Neff.
Weiterführende Literatur
Blanch, Lesley; Stromberg, Kyra (1955): Sie folgten ihrem Stern. Frauenschicksale im Orient. (=The wilder Shores of love). Aus dem Engl. von Kyra Stromberg. Hamburg. Krüger.
Boomers, Sabine (2004): Reisen als Lebensform. Isabelle Eberhardt, Reinhold Messner und Bruce Chatwin. Frankfurt/Main. Campus-Verl.
Eberhardt, Isabelle (1982): Sandmeere. Sämtliche Werke in 2 Bänden. Aus dem Franz. von Grete Osterwald. Mit einem Vorwort von Hans Christoph Buch. Herausgegeben von Christian Bouqueret. Berlin, Schlechterwegen. März-Verlag.
Eberhardt, Isabelle (2002): Briefe, Tagebuchblätter, Prosa. Herausgegeben von Eglal Errera. Basel. Lenos-Verlag.
Endres, Ria (1992): Werde, was du bist. Literarische Frauenportraits. Frankfurt am Main. Suhrkamp (Suhrkamp-Taschenbuch, 1942).
Feuerstein-Praßer, Karin (2002): „Ich gehe immer aufs Ganze”. 10 Frauenporträts. Regensburg. Pustet.
Härtel, Susanne (Hg.) (1999): Die Reisen der Frauen. Lebensgeschichten von Frauen aus drei Jahrhunderten. Weinheim. Beltz und Gelberg.
Krauze, Justyna Magdalena (2006): Frauen auf Reisen. Kulturgeschichtliche Beiträge zu ausgewählten Reiseberichten von Frauen aus der Zeit 1842 – 1940. Hamburg. Kovac (Schriftenreihe Schriften zur Kulturgeschichte, 2).
Lavizzari, Alexandra (2005): Nach Kenadsa. Roman. München. Friedmann.
Lindqvist, Sven (2004): Wüstentaucher. Auf den Spuren von Dichtern, Träumern und Generälen. Aus dem Schwed. von Sandra Nalepka. Zürich. Unionsverlag (Unionsverlag-Taschenbuch, 282).
Pringle, Ian: Isabelle Eberhardt. Australien, Frankreich. Spielfilm, 110 min.
Sauvat, Catherine; Manaud, Jean-Luc; Plorin, Eva (Hg.) (2004): Abenteuer in der Wüste – Isabelle Eberhardt. Hildesheim. Gerstenberg.
Bildquellen
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